© Bild: Screenshot/Wienett

START-UP-GESCHICHTEN

Nachhaltiger Online-Weihnachtseinkauf

"Die Zugriffe sind in den vergangenen Wochen gestiegen, auch die Verkäufe haben zugelegt", zieht Martina Gruber eine Zwischenbilanz des laufenden Weihnachtsgeschäfts. Gemeinsam mit Anita Posch hat sich im Mai dieses Jahres Wienett "Handwerk zum Kaufen" gegründet. Der Online-Marktplatz soll Designern und Kreativen bei der Vermarktung ihrer Produkte helfen.


Mode, Lampen, Schmuck

Im Sortiment finden sich etwa Taschen, Schuhe, Kleider, Lampen, Möbel, Schmuck, Accessoires, Bücher und Kunstwerke, die vorwiegend in Österreich produziert wurden. Speziell für Weihnachten werden etwa Fenster- und Wandaufkleber, Weihnachtsdekorationen und weihnachtliche Kleidungsstücke für Kinder angeboten.

Mehr als 700 Nutzer haben sich bereits auf dem Marktplatz registriert, der seit Mai dieses Jahres online ist. 40 Unternehmen nutzen das Angebot zum Verkauf ihrer Produkte.

"Wir haben festgestellt, dass viele Designer und kleine Unternehmen, die keine eigenen Geschäfte haben, auf solche Möglichkeiten gerne zurückgreifen", sagt Gruber: "Der Online-Marktplatz hat sich aus einem Bedarf heraus entwickelt."

"Handwerk 3.0"

Die Auswahl der Produzenten und Produkte unterliegen strengen Kriterien. "Die Waren sollen fair und nachhaltig produziert und größtenteils lokal hergestellt sein", erläutert Gruber. Anders als Online-Marktplätze wie Etsy oder DaWanda, wo auch Hobbykreative ihre Kreationen verkaufen können, werden auf wienett nur Produkte von Unternehmen für den Verkauf zugelassen.

Gruber spricht von einer "Renaissance handwerklicher Berufe". Die Zahl der neuen Selbstständigen steige stark, Handwerk werde von vielen neu interpretiert und mit eigenen Designleistungen einer neuen Bestimmung zugeführt. Häufig komme es auch zu Kooperationen zwischen Designern und traditionellen handwerklichen Betrieben. "Handwerk 3.0" nennen das Gruber und Posch.

Die beiden Gründerinnen sehen ihre Initiative auch im Einklang mit einem neuen, selbstbestimmten Verständnis von Arbeit: "Die Leute tun, was sie gut können und schaffen für sich und andere Werte und auch Arbeitsplätze."

Abrechnung und Marketing

Wienett übernimmt für die beteiligten Unternehmen das Marketing und fungiert als Zahlstelle beim Verkauf der Waren. Der Versand erfolgt von den Herstellern selbst. Wienett behält 25 Prozent vom Nettoverkaufspreis der Produkte für seine Dienstleistungen ein.

Produzenten zahlen darüber hinaus eine einmalige Gebühr von 60 Euro für die Aufnahme in den Online-Marktplatz. Für neue Produzenten ist die Set-up-Gebühr bis Jahresende ausgesetzt. Einstellgebühren für einzelne Produkte, wie bei zahlreichen anderen Plattformen, gibt es keine.

Austausch unter Produzenten

Den Herstellern werden von Wienett Blogs zur Verfügung gestellt, auf denen sie sich untereinander und mit Kunden austauchen können. Soziale Medien seien für Initiativen wie Wienett "sehr wichtig", sagt Gruber. Der Online-Marktplatz ist deshalb auch auf Facebook und Twitter präsent.

Daneben organisieren die beiden Gründerinnen auch Treffen, Präsentationen und Seminare für die teilnehmenden Hersteller. "Die Vernetzung untereinander ist von großer Bedeutung", sagt Gruber: "Sie können sich über Schwierigkeiten und Herausforderungen austauschen und sich etwa gemeinsam für Messen anmelden, die für einzelne Unternehmen zu teuer wären. Auch Materialbeschaffung ist ein Thema."

Finanzierung über Förderungen

Finanziert wurde der Aufbau des Online-Marktplatzes aus Fördermitteln der Stadt Wien. Noch rechnet sich der Betrieb für die beiden Gründerinnen nicht und muss über andere Projekte querfinanziert werden.

Ein Geschäftslokal im 15. Wiener Gemeindebezirk, wo ebenso Produkte präsentiert wurden, musste Ende November geschlossen werden. Die Kosten für Infrastruktur, Miete, Versicherung und Personal waren für das kleine Unternehmen zu hoch. Anfang 2011 wollen Gruber und Posch einen kleinen Schauraum mit flexiblen Öffnungszeiten eröffnen.

"Modell für zukünftiges Arbeiten"

Zweifel an der Zukunft ihres Projekts haben die beiden Gründerinnen nicht. "Wienett zeigt in welche Richtung Unternehmertum in Zukunft gehen wird", ist Gruber überzeugt. Die Arbeitswelt ist in Veränderung. Es werde immer mehr Leute geben, die in den Bereichen Produktion und Design eigenständig arbeiten, sich real und virtuell vernetzen und miteinander kooperieren. "Wir sehen Wienett auch als ein Modell für zukünftiges Arbeiten."

Weitere "Start-up-Geschichten":

Exthex: Tablets und Smartphones werden spitalreif
Wikitude: Preis für beste Tourismus-App
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(Patrick Dax)

Im Rahmen der Serie "Start-up-Geschichten" berichtet die Futurezone über aktuelle Entwicklungen bei heimischen Start-ups und portraitiert junge Unternehmen und frische Internet-Ideen.

Die Wienett-Gründerinnen Anita Posch und Martina Gruber (Bild rechts).

Link:

Wienett

"Neue Arbeit"

Mit ihrem Verständnis von "Handwerk 3.0" beziehen sich Gruber und Posch auf die Thesen der "Neuen Arbeit" des Philosophen Frithjof Bergmann. Der Vordenker neuer Organisationsformen von Arbeit präsentierte heuer bei der Linzer Ars Electronica im Rahmen der Messe und Diskussionsreihe "Neue Arbeit Neue Kultur" Möglichkeiten, wie sich Arbeit neu denken lässt und wie sich mit Hilfe neuer Technologien und gemeinschaftlicher Produktionsweisen Produkte selbst herstellen lassen.

Mehr zum Thema:

Arbeit in Zeiten der Krise

Link:

Neue Arbeit Neue Kultur

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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