Bereits jetzt forschen zahlreiche Auto-Hersteller an selbstfahrenden Fahrzeugen
Bereits jetzt forschen zahlreiche Auto-Hersteller an selbstfahrenden Fahrzeugen
© Audi AG

Audi

Selbstfahrendes Auto: „Ein Sensor ermüdet nicht“

Es ist eine dieser Forschungsstätten, die man landläufig als „geheim“ bezeichnen kann. Zwar sieht man – wenn man genau schaut und Glück hat - das Produkt auf der Straße fahren, aber was da genau hinter den Wänden in den Garagen und Werkstätten am Clipper Drive im kalifornischen Belmont nahe San Francisco gemacht wird, darüber darf man nur bedingt schreiben und geschweige denn darf man hier fotografieren.

Digital Imaging Security - Sicherheitskleber
Das ist aber ohnehin unmöglich, denn im Electronics Research Laboratory (ERL) der Volkswagen Group of America bekommt man nicht nur den typischen „Visitor“-Aufkleber, sondern es werden vor dem Betreten die Linsen des Smartphones und der Digitalkamera mit roten „PICpatchlabels“ abgeklebt - "Digital Imaging Security" wird diese Maßnahme genannt. Der Grund für diese erhöhte Sicherheitsmaßnahme ist verständlich – hier im ERL wird unter anderem das pilotierte Fahren von Audi entwickelt, das bei den Konkurrenten wie Google & Co. selfdriving car genannt wird. Von hier darf kein nicht autorisiertes Foto nach Außen dringen.

Vorreiter-Rolle

„Ich zähle Audi zu den Vorreitern, Ziel ist die Innovationsführerschaft“, sagt der „Head of Driver Assistance Systems“ bei Audi am ERL, Jörg Schlinkheider, beim Rundgang durch das Labor. „Unsere Autos waren noch nie in einen Unfall verwickelt.“ Nur einmal sei ein Auto – in dem sich freilich immer ein Ingenieur befindet - von der Polizei im Silicon Valley angehalten worden. „Aus Neugier“, wie sich später herausstellte. Elektrotechniker Schlinkheider leitet ein Team aus Software Entwicklern und Robotik-, Computer Vision-Experten, die „zu den am besten ausgebildeten der Welt gehören“.

Das Self-Driving Car von Audi benötigt keinen Dachaufbau.

Das Testlabor

Gleich rechts im Erdgeschoß beim Eingang ins ERL befindet sich der Simulator – ein hinter dem Fahrersitz abgeschnittener Audi, der mit diversen Sensoren ausgestattet ist. Drei Monitore sind vor dem Wagen montiert, hinter dem Auto, bzw. halben Auto befindet sich der Kontrollraum, in dem die verschiedenen Straßensituationen, auf die ein selbstfahrendes Auto treffen kann, eingespielt werden können. In den Stockwerken darüber befinden sich die Büros, und dort versprüht das ERL den Hauch eines Start-ups – Spielbereiche mit Tischfußball, Autorennbahn, Fitness-Center, gemütliche Lounges, ein fast offener Arbeitsbereich. Hier wird aber nicht nur am pilotierten Fahren getüftelt, sondern hier werden auch andere Innovationen im VW-Konzern entwickelt, etwa die Integration der Google-Earth-Navigation in den Audi A8 (die seit 2010 im A8 marktreif ist) oder aber auch die Integration des Googleschen Smartphone-Betriebssystems Android. Mit Google – das Unternehmen testet in Kalifornien ebenfalls seine selfdriving cars - , arbeitet man beim Thema pilotierten Fahren allerdings nicht zusammen.

„Head of Driver Assistance Systems“ bei Audi am ERL, Jörg Schlinkheider

Die Geschichte

Audi war der erste Hersteller, der im US-Bundesstaat Nevada die Genehmigung erhielt, seine selbst fahrenden Autos auf öffentlichen Straßen zu testen. 2009 hat Audi als erster Autohersteller das pilotierte Fahren in der Wüste in Bonneville getestet, wo ein TTS über die Salzseen kurvte – mit bis zu 210 km/h, was der Weltrekord für selbstfahrende Autos war. Im Jahr darauf fuhr der gleiche TTS die 156 Kurven auf den Pikes Peak in Colorado, er schaffte den 20 Kilometer langen Aufstieg in 27 Minuten. Topgeschwindigkeit war über 70 km/h und die Position wurde auf zwei Zentimeter genau bestimmt.

Die Flotte

Wie groß die Flotte der selbstfahrenden Autos bei Audi ist, darf Schlinkheider nicht verraten. Die Autos fallen jedenfalls nicht so auf, wie jene von Google, die nicht nur beklebt, sondern auch mit einer Sensor-Einheit am Dach ausgestattet sind. Jene von Audi schauen aus wie ganz normale Autos, sie sind nur mit ganz kleinen Stickern beklebt und mit den modernsten Systemen ausgestattet. Früher füllte die Technik den ganzen Kofferraum, jetzt ist sie so groß bzw. klein wie ein Laptop und hört auf den Namen zFAS – dieses verarbeitet alle Daten und kontrolliert alle Funktionen.

Gesteuert werden die Self-Driving Cars von Audi über eine zentrale Steuereinheit, die unter anderem vom österreichischen Unternehmen TTTech mitentwickelt wird.

Die Partner

Audi arbeitet bei seinen Projekten mit zahlreichen Partnern zusammen, wie etwa Chip-Hersteller Nvidia (mit dem wiederum der österreichische Leiterplatten-Hersteller AT&S kooperiert), Infineon oder dem österreichischen Technologie-Unternehmen TTTech mit Sitz in Wien. Mit TTTech kooperiert Audi bereits seit 13 Jahren und ist auch am Unternehmen beteiligt.

Die zentrale Fahrerassistenzsystem-Plattform ermöglicht Audi die Integration diverser Funktionen mit Sicherheitsanforderungen, wie eben pilotiertes Fahren oder selbstständiges Einparken.

Augen & Sensoren

Das Frontradar erkennt Gegenstände vor dem Auto bis zu einer Entfernung von 250 Metern, die hinteren Radarsensoren überwachen auch den seitlichen Verkehr und vier Top-View-Kameras haben den Nahbereich im Visier und überwachen gemeinsam mit den zwölf Ultraschallsensoren den automatischen Einparkvorgang. „Ein Laserscanner überliefert hochsensible Daten bis zu einer Entfernung von 80 Metern, die Frontkamera erkennt Fahrbahnmarkierungen, Fußgänger, Fahrräder und andere Fahrzeuge“, erklärt Schlinkheider. „Das zFAS führt alle diese Daten zusammen und ermöglicht so das pilotierte Fahren.“

Die Technik ist zuverlässiger als der Mensch, sagt der Experte. Aber: Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Technik würden Autofahrer erst lernen müssen. Vorteil: „Ein Sensor ermüdet nicht, das System wird nicht gestört, wenn sich Kinder auf der Rückbank streiten“, so Schlinkheider.

Selbstfahrendes Auto von Audi

Testland USA

Kalifornien ist eines der interessantesten Gebiete, am pilotierten Fahren zu forschen.“ 25 Millionen Menschen haben hier einen Führerschein, 73 Prozent davon nutzen das Auto täglich und fuhren laut California Department of Motor Vehicles (DMV) 2013 umgerechnet 520 Milliarden Kilometer. „Da mehr als 90 Prozent der Unfälle in den USA durch menschliche Fehler verursacht werden, ist das Potenzial, in Kalifornien das Fahren sicher zu machen, gewaltig“, so Schlinkheider.

Vom Silicon Valley nach Europa

„Hier im Silicon Valley entsteht eine eigene Intellectual Property (IP), die wir in die Konzernzentrale nach Deutschland transferieren“, sagt der Elektronikchef der Audi AG, Ricky Hudi. „In Ingolstadt gehen dann die Ergebnisse des ERL in die Serienentwicklung ein.“ Audi wolle beim Wandel der Gesellschaft und des Verkehrs eine Rolle spielen. „In den Megacitys der Zukunft wird der Verkehr nur mit neuen Verkehrssystemen funktionieren“, so Hudi. Sieben der neun Milliarden Menschen werden 2050 in Städten leben, da würden neue Mobilitätssysteme enorm wichtig sein. Bei Audi ist deswegen die sogenannte „Audi Urban Future Initiative“ initiiert worden, die die künftige Mobilität in den Welt-Metropolen mitgestalten soll.

Audi Self-Driving Car

Die Markteinführung

Die Marktreife erfolge Schritt für Schritt. Zuerst werde Audi das automatische Einparken und pilotierte Fahren im Stau anbieten, danach die Möglichkeit, sich auf der Autobahn oder Landstraße chauffieren zu lassen.

Wichtig: Um pilotiert zu werden, muss man als Fahrer das Pilotierte Fahren bewusst aktivieren. Dabei beginnt etwa eine LED-Leiste in der Scheibenleiste im ERL-Forschungsfahrzeug grün zu leuchten. Der Fahrer soll auch künftig der Chef im Auto bleiben und verantwortlich für das Fahren sein. Der große Gewinn sei, dass die Technologie ihm in anstrengenden oder langweiligen Situationen hilft und somit die Sicherheit im Straßenverkehr für alle Beteiligten erhöht.

Die Marktreife

Bis zur Marktreife sind aber noch Hürden zu überwinden. Dass etwa Straßenbegrenzungen, Ampeln oder Bahnübergänge erkannt werden, ist gelöst. Die Herausforderungen eines pilotierten Systems sind , dass es überall auf der Welt funktionieren muss, es also alle landesspezifischen Eigenschaften beherrschen muss. In den USA ist es das Rechtsüberholen auf der Autobahn oder die „4-way-stop“-Regel – man fährt in eine Kreuzung ein und es fährt der, der als Erster zum Stillstand gekommen ist.

„Dort, wo Radar-, Kamera- oder Laser-Sensoren ihre Grenzen haben, helfen uns Signale von anderen Verkehrsteilnehmern und aus der Infrastruktur“, sagt Schlinkheider. „Wir arbeiten jetzt Punkt für Punkt die Herausforderungen ab.“

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