„Selbstvermarktung ist ein Knochenjob“
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Seit 2005 waren Silvia Holzinger und Peter Haas mit ihrem Dokumentarfilm "Weizenbaum. Rebel at Work" in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs. Die Dokumentation über den 2008 verstorbenen Computerpionier zeigten sie an Universitäten, Medienzentren und bei diversen Festivals. Bei Produktionskosten von 25.000 Euro wurden so insgesamt 133.000 Euro eingespielt. 16.250 DVDs fanden Abnehmer, mehr als 4500 Leute sahen den Film.
Ihre Erfahrungen mit der Vermarktung des Filmes haben Holzinger und Haas in dem Ende Oktober veröffentlichten Buch "Kann man denn davon leben?" dokumentiert. "Das Buch ist ein gutgelaunter Guide, der die Eigenvermarktung mithilfe einer Community erklärt", sagt Peter Haas im Gespräch mit der futurezone: "Selbstvermarktung ist allerdings ein Knochenjob."
futurezone: Wie oft haben Sie die Frage "Kann man denn davon leben?" in den vergangenen Jahren gehört? Was antworten Sie darauf?
Peter Haas: Die Frage ist uns an allen möglichen Orten begegnet. Sie hat etwas Vorwurfsvolles und manchmal auch etwas Lästiges an sich. Die Frage beantworten wir mit Ja. Die Erklärung dauert allerdings etwas länger und findet sich in unserem Buch. Wir glauben, dass sich viele Erfahrungen, die wir bei der Verwertung unseres Weizenbaum-Filmes gemacht haben, verallgemeinern lassen. So ist auch die Idee zu dem Buch entstanden.
Bei Ihnen hat es jedenfalls geklappt.
Die Auswertung des Films war aus der Not geboren. Wir haben am Aufbau einer Community gearbeitet und waren selber immer am Experimentieren und wussten nicht genau, wie das geht. Vieles hat nicht geklappt. Wir mussten über die Jahre viele Rückschläge einstecken, haben aber auch viele Erfahrungen gemacht und viel Feedback aus der Community bekommen. Wir wollen mit dem Buch auch zeigen, wie kompliziert Selbstvermarktung ist. Wir gehen dabei sehr schonungslos und offen mit uns selber um und schreiben auch über Irrtümer, Reinfälle und Peinlichkeiten.
Wo gab es Probleme?
Community-Vermarktung wird oft mit Social Media und Web 2.0 verwechselt. Wir haben festgestellt, dass eine Facebook-Gruppe noch keine Community ist und dass viele Tools, die sehr populär sind und oft genutzt werden, nicht bei der Vermarktung helfen. Die Selbstvermarktung ist ein komplizierter Mix aus der Online- und Offline-Welt. Diesen Prozess wollten wir herausarbeiten.
Was bedeutet das im Detail?
Wir sind zum Beispiel Anrufer geworden. Wir haben hunderte Anrufe bei Leuten gemacht, um unsere Tournee zu organisieren. Diese Anrufe haben wir mit Online-Aktionen begleitet. Wir haben uns nie ganz auf Online-Techniken und -Plattformen verlassen. Wir bewegen uns in einer Welt, in der Pläne nicht viel wert sind, in der man sich sehr oft neu anpassen muss. Man braucht ein paar handwerkliche Fähigkeiten, um die Community anzusprechen und Unterstützer zu gewinnen. Man muss sein Projekt richtig formulieren und anpreisen, die richtige Kommunikation fahren und Geschichten erzählen.
Welche Online-Plattformen haben Sie verwendet?
Für uns war unsere Projekt-Website zentral. Wir haben auch einen riesigen Verteiler, über den wir E-Mails und Newsletter verschickt haben. YouTube hat auch eine Rolle gespielt. Am wichtigsten in der Online-Vermarktung waren aber Google und Wikipedia. Wir haben zu vielen Begriffen rund um den Film und um Joseph Weizenbaum Zitate oder Verweise in der Wikipedia eingebunden. Natürlich gibt es viele Leute, die das nicht gut finden. Letztendlich hat uns das aber sehr viel Traffic beschert. Wir haben auch mit Universitäten gemeinsame Presseerklärungen gemacht, die zu vielen Online-Artikeln geführt haben. Viele der Websites, auf denen wir verlinkt waren, haben ein sehr hohes Google-Ranking, das sich auch auf uns übertragen hat. Wir haben aber keine Tricks angewandt und uns auch nicht in Link-Farmen eingekauft. Wir hatten die richtigen Partner. Universitäten sind in diesem Zusammenhang Gold wert. Alles beruhte auf echten Beziehungen und tatsächlichen Kooperationen. Die eigene Online-Präsenz ohne echte Beziehungen zu optimieren, funktioniert nicht.
Haben Sie im Laufe dieses Prozesses auch überlegt mit Partnern, etwa Verleihern, zusammenzuarbeiten?
Der Schlüssel zur Eigenvermarktung ist es, die Rechte komplett zu behalten. Bei einer langjährigen Vermarktung kommen immer wieder neue Ideen und neue Anfragen. Wir haben es etwa abgelehnt, mit einem Verleiher zusammenzuarbeiten, weil er die Exklusivrechte am DVD-Vertrieb verlangt hat. Die DVD hat uns letztlich 45.000 Euro eingebracht. Wenn man die Rechte abgibt ist man in der Falle und verschenkt ein wahnsinniges Potenzial. Es gibt niemanden auf der Welt, der einen Film besser vermarkten kann als der Filmemacher selbst.
Es gibt aber viele Kreative, die sich nicht um die Vermarktung kümmern wollen.
Das kann ich gut verstehen. Sich selber zu Markte tragen, ist oft sehr unangenehm. Wir machen auch lieber Filme als Marketing- und Community-Arbeit. Wir hatten aber keine andere Wahl. Für unseren Film haben wir keine Förderungen bekommen. Wir sind unfreiwillig auf diese Schiene geraten. Heute sind wir sehr glücklich darüber. Allerdings kann man die Vermarktung nicht nebenbei machen. In der Praxis ist das ein großer Aufwand und viel Arbeit. Das kann einen auch überfordern, wir sind oft an unsere Grenzen gegangen. Die Tools und Plattformen werden aber besser und einfacher zu nutzen
Technologische Möglichkeiten werden oft auch romantisiert. Besteht nicht die Gefahr, dass damit prekäre Existenzformen schöngeredet werden?
Unser Buch ist kein Plädoyer für die Selbstvermarktung. Wir diskutieren die Vor- und Nachteile sehr selbstkritisch und offen. Wir verstehen das Buch als Diskussionsbeitrag und Orientierungs- und Entscheidungshilfe für Kreative, die nach alternativen Wegen suchen.
Die Absicherung künstlerischer Arbeit ist auch eine gesellschaftspolitische Frage. Ist nicht auch die Politik gefordert?
Im Kultur- und Kreativsektor bestand seit jeher die Gefahr, dass man von seiner Arbeit nicht leben kann und dass man auf Quersubventionen angewiesen ist, egal ob die von den Eltern oder vom Amt kommen. Heute muss man sehr viel mehr selber in die Hand nehmen. Das sind die Notwendigkeiten der Internet-Ökonomie. Die Filmförderung in Österreich und Deutschland ist allerdings fehlgeleitet. Eine Grundsicherung für Kreative wäre sicherlich ein interessantes Experiment. Ob die Politik dazu bereit ist, weiß ich nicht. Wir gehen unseren Weg weiter und warten nicht auf die Politik.
Warum bieten Sie Ihren Film eigentlich nicht zum Download im Netz an?
Wir haben sehr oft den wohl gutgemeinten Vorschlag bekommen, den Film umsonst ins Netz zu stellen. Das ist aber kein Geschäftsmodell. Wir zeigen Ausschnitte auf der Projekt-Website. Den gesamten Film stellen wir aber erst zum Download bereit, wenn unsere Vermarktung zu Ende ist.
Wie hat das Netz das Filmgeschäft verändert?
Es hat zu einem Paradigmenwechsel geführt. Ich sehe ein großes Potenzial. Etwa wenn rund um Communities Filme geschaffen und vermarktet werden. Das kann kleine Teams und Rucksackproduzenten ernähren und zu sehr unabhängigen Arbeiten führen. Ich würde Filmemachern raten, Vorstöße in diese Richtung zu wagen und etwa die Recherche zu Filmen über Crowdfunding zu finanzieren. Das ist aber viel Aufwand. Mittlerweile gibt es auch die ersten Online-Plattformen mit brauchbaren Bezahlsystemen und angemessenen Umsatzbeteiligungen. Es macht für Filmemacher mehr und mehr Sinn selbst zu veröffentlichen. Wir haben etwa für die USA eine Vertriebsvereinbarungen mit dem von Robert De Niro gegründeten Tribeca Film Institute, das DVDs on demand produziert und bis bis zu 80 Prozent der Umsätze direkt an die Filmemacher ausschüttet. Unser Film ist in den USA allerdings nicht erfolgreich.
Technische Entwicklungen haben auch die Produktion günstiger gemacht.
Ja, die Technologie ist günstiger geworden. Sie ist aber nur ein Teil des Filmschaffens. Die technischen Parameter werden oft überschätzt. Die neuen günstigeren Produktionsmittel sind ebensowenig der Schlüssel für einen guten Film wie Internet-Plattformen für die Vermarktung. Sie sind nur Werkzeuge. Filmemachen und Kulturarbeit sind soziale Tätigkeiten. Sie passieren in einer Gemeinschaft mit sehr vielen Beteiligten. Es bilden sich gerade sehr viele kreative Inseln heraus, die eine neue Infrastruktur erzeugen. Ich will hier aber nicht Buzzwords oder Internet-Mythen ins Wort reden. Die Zeiten sind schwer. Es bleibt niemanden erspart, mehr Risiko auf sich zu nehmen. Darauf sollte man aber gut vorbereitet sein.
Ihr Buch "Kann man denn davon leben? bieten Silvia Holzinger und Peter Haas als E-Book im PDF-Format für vier Euro auf der Website zum Projekt zum Download an. Dort findet sich auch eine Leseprobe. Eine gedruckte Version des Buches kann vorbestellt werden. Sie kostet 18 Euro und wird - wenn genügend Bestellungen eingehen - voraussichtlich Anfang nächsten Jahres veröffentlicht.
Kommentare