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Uboot.com: Neustart als Facebook-Alternative

"Wir hatten Anfang 2010 zwei Möglichkeiten: Uboot.com untergehen zu lassen oder den Mut zusammenzunehmen und neu zu starten", sagt Marlis Rumler (33), Geschäftsführerin von Uboot.com. "Aber warum soll man etwas, das in Österreich entstanden ist und so erfolgreich war, einfach kampflos aufgeben?"

Anstatt die einst größte Jugend-Community untergehen zu lassen, wurde die grün-schwarze Webseite ins Trockendock geholt und von einer neuen Mannschaft einer Generalüberholung unterzogen. Auf alte User - sie werden seit einigen Wochen an die neue Version gewöhnt - wie künftige Mitglieder wartet ein Internet-Dienst, der gegen Facebook mit einer besseren Lösung der Online-Privatsphäre sowie einer starken Verankerung in Österreich punkten will. "Unser Traumziel sind eine Million aktive User bis Jahresende", sagt Rumler. Das kommt grob einer Verdreifachung der jetzigen Nutzerschaft gleich.

Einst sechs Millionen User

Damit die einst mit sechs Millionen Nutzern gesegneten Webseite weiterbetrieben werden kann, hat ein Sanierungskonsortium das Ruder übernommen. Neben Rumler sind der Internet-Geschäftsmann Stefan Unterberg (ehem. Geschäftsführer der Austria.com-Portale), der Entwickler Jürgen Schmidt (Strg.at) sowie Marketing-Experte Stefan Schmertzing (Wunderknaben.com) mit dabei.

Das Team will Uboot.com trotz massiver User-Rückgänge wieder populär machen. "Der Schwund der Nutzer hat bereits vor der Facebook-Welle begonnen. Uboot hat schon MySpace und andere Netzwerke zu spüren bekommen", sagt Rumler. Facebook sei ein globales Adressbuch, würde aber nicht wie eine echte lokale Community genutzt werden. "Ich frage dort nicht, wer mit mir Essen gehen will oder wer einen guten Mechaniker kennt", sagt Rumler. "Bei Uboot stehen die Leute im Vordergrund." Immerhin würden deren Daten nicht in Datencenter im Ausland, sondern auf heimischen Servern landen.

"Wir erlauben mehrere Identitäten"

Uboot.com will in erster Linie mit einem neuen Privatsphäre-Konzept punkten. "Wir erlauben mehrere Identitäten", sagt Rumler. "Ich gebe mich im Job anders als gegenüber Freunden." So kann man sich in einem einzigen Konto mehrere Uboot-Profile erstellen, die jeweils einen eigenen Usernamen, eigene Einstellungen und gesonderte Freundeslisten haben können. Denkbar ist etwa, Kontakt mit seinen Arbeitskollegen über die eine Identität, Beziehungen zu Familienmitgliedern mit einer zweiten und den Austausch mit Freunden über eine dritte Identität laufen zu lassen, ohne das es zu Überschneidungen und verhängnisvollen Nachrichten für die falschen Augen kommt.

Bei jeder Identität kann man seine Kontakte außerdem nach einem Stern-System kategorisieren - etwa fünf Sterne für enge Arbeitskollegen, ein Stern für den Chef. Diese Stern-Bewertung korrespondiert mit den Privatsphäre-Einstellungen, in denen man nachjustieren kann, welche Sternen-Gruppe welche Daten sehen darf. Mit den Identitäten und Sternen entfällt das Erstellen von Kontaktlisten, wie es bei Facebook möglich ist.

Ein zentrales Konto

Die verschiedenen Identitäten werden über ein zentrales Konto zusammengehalten. Der Nutzer kann so Benachrichtigungen aus seinen anderen Identitäten erhalten. "Man muss sich nicht immer krampfhaft ummelden, um zu sehen, ob eine andere Identität eine neue Nachricht bekommen hat", so Rumler. Die Konto-Daten selbst werden nirgends dargestellt und sind nur für den Nutzer selbst abrufbar. Korrekt müssen sie laut Nutzungsbedingungen allerdings sein, "schon allein aus Jugendschutzgründen", sagt Rumler. Falsch ausgefüllte Konten können wie bei Facebook von den Betreibern gelöscht werden.

An Firmen und Interessensgruppen wurde ebenfalls gedacht. "Bei Facebook gibt es Gruppen und Pages, bei Twitter sind es Listen, bei Uboot heißen sie Themen", sagt Rumler. Über diese Themen-Seiten könnten sich Zombie-Fans genauso zusammenfinden wie eine Diskussionsgruppe über Wikileaks. Außerdem wird mit den Themen auch Unternehmen die Möglichkeit geboten, sich zu präsentieren. Nach dem Twitter-Prinzip kann man "Follower" einer Themen-Seite werden und bekommt dann Neuigkeiten zugespielt.


Alte Konstanten, neue Möglichkeiten

Neu erfunden hat Uboot.com das Online-Netzwerken naturgemäß nicht. Standard-Funktionen wie ein Newsfeed, unbegrenzter Foto-Upload, Chatrooms und Pinnwände werden den Nutzern ebenfalls geboten. Demnächst soll eine App für das iPhone veröffentlicht werden, die die komfortable Nutzung unterwegs erlauben soll. Auch eine Altlast wurde auf Wunsch der alten Community mitgenommen. "Von den Retro-Smileys gibt es mehr als 2000, und die alten Nutzer lieben sie", sagt Rumler. Wem die gelben Icons nicht gefallen, kann sie ausblenden.

An den derzeit führenden Social-Media-Diensten Facebook und Twitter kommt Uboot.com nicht vorbei. Jede Identität - nicht das Basiskonto - kann mit einem der beiden Dienste verknüpft werden: So lassen sich Statusmeldungen, die bei Uboot geschrieben werden, auch automatisch bei Facebook oder Twitter posten. Wichtig ist hier in jedem Fall die Verknüpfungen mit Bedacht zu wählen, weil sonst Status-Updates unter einem Uboot-Nickname plötzlich im Facebook-Profil mit echtem Namen landen könnten.

Versteckte Fallstricke

So sehr Uboot.com um ein neues Privatsphäre-Konzept bemüht ist, so sehr hat sich die neue Version auch in kontroversen Branchenstandards verfangen. So sind Statusmeldungen für neue Mitglieder wie bei Facebook auf "öffentlich" voreingestellt, die Nutzer müssen selbst nachregeln ("Opt-out"). Auch Profilbilder sind automatisch für alle sichtbar, und andere Personen lassen sich auf Fotos wie bei Facebook markieren ("taggen"). Auch das Löschen eines Kontos mitsamt seinen Identitäten ist nicht so einfach wie es scheint: Die Daten werden noch 90 Tage aufgehoben. "Diese Drei-Monats-Regelung, wie sie auch Facebook hat, muss sein, weil echt viele Leute zurückkommen und ihren Account zurückhaben wollen", sagt Rumler.

In Sachen Finanzierung beschreitet Uboot.com, das 2011 profitabel wirtschaften will, ebenfalls keine neuen Pfade. Die Kontodaten - v.a. Demografisches wie Wohnort, Alter, Geschlecht, etc. - werden für personalisierte Werbung ausgewertet. Mittelfristig will man sich in Richtung "Social Commerce" weiterentwickeln - ein Trend, den Google, Groupon und Facebook derzeit mit Couponing-Angeboten vorbeten. Eines steht für Rumler jedenfalls fest: "Es ist noch einiges an Arbeit zu leisten."

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(Jakob Steinschaden)

Die Geschichte von Uboot.com beginnt im Jahr 2000. Die Internet-Firma ucp.ag, in Wien von Christian Lutz und Marwan Saba gegründet, baut die schwarz-grüne Webseite als Jugend-Community auf. Schon wenige Monate nach dem Start investiert die Deutsche Telekom 36,8 Mio. Euro und bekommt dafür 50 Prozent von ucp.ag. 2006 hat Uboot.com in der DACH-Region sowie in Großbritannien insgesamt sechs Millionen Mitglieder. Hauptgrund für die Popularität war damals die Möglichkeit, kostenlos SMS verschicken zu können. Interessant ist diesbezüglich, dass Sms.at ebenfalls von ucp.ag betrieben wurde. Heute wird Uboot.com von der uboot.com mobile internet services GmbH geführt und hält bei insgesamt 400.000 registrierten Mitgliedern, 200.000 davon aus Österreich.

Marlis Rumler, Uboot.com-Geschäftsführerin


Anlegen mehrerer Identitäten

Verknüpfen mit Facebook und Twitter

Das neue Team: Stefan Schmertzing, Stefan Unterberg, Marlis Rumler und Jürgen Schmidt (v.l.n.r.)

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