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Interview

Udo Jürgens: "Facebook ist gefährlich"

21. Dezember 2014: Udo Jürgens starb am 21. Dezember 2014 bei einem Spaziergang in Gottlieben TG, nachdem er bewusstlos zusammengebrochen war. Trotz sofortigen Wiederbelebungs-Massnahmen ist er nach der Überführung im Kantonsspital Münsterlingen an einem akuten Herzversagen verstorben. Anlässlich seines Todes veröffentlichen wir dieses Interview noch einmal an prominenter Stelle. Mehr zum Tod von Udo Jürgens finden Sie auf kurier.at.

Interview vom 7.4.2011

futurezone: In Ihrem Song „Du bist durchschaut“ schildern Sie das Ende der Privatsphäre. Wie schützen Sie im Internet-Zeitalter Ihre eigene Privatsphäre?

Udo Jürgens: In dem ich im Internet privat nicht vorkomme, sondern nur beruflich. Meinen offiziellen Internet-Auftritt mit Informationen über meine Neuerscheinungen pflegen andere für mich. Mein Privatleben findet aber im Netz selbstverständlich nicht statt. Ich habe auch kein privates Facebook-Profil. Das kann alles eines Tages als Bumerang im falschen Moment auf einen zurückschlagen.

Auf Wikipedia findet man aber auch private Informationen über Sie. Haben Sie sich diese Seite schon einmal angesehen?

Nein, das sehe ich mir nicht an. Die Leute können über mich reden oder schreiben, was sie wollen. Ich bin weitgehend ein öffentlicher Mensch. Dieser Aspekt ist mir aber unangenehm, das ist eine der Schattenseiten meines Berufes. Wenn die Leute wüssten, wie unangenehm das ist, dann würden sie zurückhaltender mit dieser Art von Informationen sein.

Wünschen Sie sich, dass nur Informationen über Sie als Künstler im Netz stehen?

So ist es. Die Songtexte stelle ich gerne hinein, aber mein Privatleben sollte möglichst nicht vorkommen. Verhindern kann ich es allerdings nicht.

Warum halten Sie Facebook für gefährlich?

Weil man einer Firma alle persönlichen Daten anvertraut für alle Ewigkeit, auch bis nach dem Tod. Diese besitzt die Daten und kann sie ausnützen. Das ist zwar alles ganz wunderbar, solange die Leute ihr ganzes Leben lang in Bedeutungslosigkeit verharren, aber wenn einer von ihnen berühmt wird, wird er sich wundern, was passiert. Da kommt jeder Mist an die Öffentlichkeit und da sind sicherlich ein paar Sachen dabei, die einem nicht recht sind. Außerdem stört mich, dass über Facebook gezielt Werbung gemacht wird und Profile über Menschengruppen erstellt werden, die ähnliche Interessen haben.

Zerstört Facebook die Privatsphäre?

Privatsphäre ist eine wunderbare Sache. Eine Familienstruktur mit Mann, Frau und Kindern. Ich halte es für falsch, das in die Öffentlichkeit zu zerren, denn das Leben läuft nicht immer friedlich ab. Solche Plattformen wie Facebook bieten eine perfekte Angriffsfläche für Eifersucht und Attacken.

Facebook lässt sich aber auch sehr gut für geschäftliche Zwecke einsetzen. Beispielsweise zur Vermarktung Ihres neuen Albums.

Das stimmt, das nutzen wir weitgehend. Es ist anders überhaupt nicht mehr möglich, überhaupt Öffentlichkeit zu erreichen. Da ist Facebook ein Mittel, das heute notwendig ist. Bei meiner Kritik an Facebook geht es mir vor allem darum, dass man die Tragweite erkennt, die dahinter steckt. Da ist ein Herr Zuckerberg innerhalb von drei Jahren zu einem Milliardär geworden, aus Zufall, weil eine Idee ihn dazu gemacht hat. Da steckt keine Lebensleistung dahinter. Das ist in früheren Zeiten nicht möglich gewesen. Heute hechelt die Welt und vor allem die Jugend auf diesem Weg falschen Vorbildern hinterher. Aus diesem Grund sehe ich das auch kritisch.

In Ihrem Text geht es auch um Google. Googeln Sie selbst im Internet?

Nein, aber wenn ich etwas wissen will, habe ich genug Freunde, die für mich bereit sind, zu suchen. Ich möchte nicht die ganze Zeit im Netz zubringen. Mir ist es hochgradig unheimlich, was für Angebote man da ungewollt bekommt – da kriege ich einen Schreck, wenn ich gewisse Sachen sehe. Damit kann ich nicht umgehen und bevor ich etwas falsch mache, mache ich es gar nicht. Mir ist die Sache zu heiß.

Wie könnte man das Netz verbessern?

Das kann ich nicht beurteilen. Derzeit ist das Netz neben seinen positiven Eigenschaften auch ein Tummelplatz für alle möglichen Leute. Wenn ich sehe, in welcher Form sich die Leute einmischen. Meine Fans regen sich beispielsweise darüber auf, wenn ich im Fernsehen Playback singe. Dabei mache ich das nur dann, wenn ich es zwingend muss und es technisch keine andere Möglichkeit gibt. Bei ‚Wetten dass...‘ habe ich live gesungen, im Netz kommen dann aber Foren-Einträge wie ‚Es war toll, das Lied vom Udo, aber leider war er unsynchron‘. Da ärgert man sich darüber. Am liebsten würde ich zurückschreiben: ‚Du Idiot, ich habe live gesungen.‘ Dadurch erfährt man eine emotionale Aufladung. Ich schau mir das gar nicht mehr an.

In Ihrem Song geht es auch um Nacktscanner auf Flughäfen und Videokameras, die zur Überwachung von Bürgern im öffentlichen Raum eingesetzt werden. Was halten Sie davon?

Das sind leider notwendige Übel. Es wird auch der Tag kommen, an dem jedes Konzert wie am Flughafen mit Scannern durchsucht wird. Ich finde es schon ekelhaft, wenn bei Konzerten die Taschen durchsucht werden, das ist die totale Kontrolle. Beim Barbra-Streisand-Konzert in London, das ich besucht habe, war die Durchsuchung des Publikums bereits genauso intensiv wie am Flughafen.

Verkaufen Sie seit dem Erfolg von Musik-Downloads eigentlich weniger Tonträger?

Ich kümmere mich nicht selbst darum. Im Moment habe ich wieder einen Bestseller am Markt, aber soweit ich weiß, ist der Tonträgermarkt dramatisch zurückgegangen. Durch die Möglichkeit des Herunterladens kommt man auch ohne zu Bezahlen an Musik. Stellen Sie sich vor, Sie könnten auf diese Art Hemden, Hosen oder Autos erwerben. Beim geistigen Eigentum ist das möglich, weil es eben nur geistig ist. Das ist aber genauso ungerecht, wie wenn man ein Auto stiehlt.

Der Songtext:

Du bist durchschaut – und zwar komplett!
Bis auf die Haut und bis ins Bett!
Du wirst bespitzelt und beklaut.
Schöne, neue Welt.
Privates, das ist out,
Du bist durchschaut!

Die Welt ist eine Google,
Da bleibt gar nichts mehr geheim.
Ob Wohnung, Haus, ob Garten,
Jeder schaut da online rein!

Im Netz, da lauern Hacker,
Auf den Straßen Kameras,
Man sieht in uns rein – als wär‘n wir aus Glas.

Am Flugplatz wirst du eingescannt
Bis hin zum großen Zeh.
Und deine Kontodaten
Gibt es bald schon auf CD.
Fehlt nur noch, dass bei Facebook
Deine Leberwerte steh‘n.
Na, dann gute Nacht – dann ist es gescheh‘n!

Mehr dazu finden Sie auf Udo Jürgens offizieller Webpage.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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