Warum Flugzeuge enteist werden müssen und wie es funktioniert
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Winterliche Temperaturen sind nicht nur im Straßenverkehr gefährliche Faktoren, die im schlimmsten Fall zu Unfällen führen können. Auch für Flugzeuge stellt Eis eine Gefahrenquelle dar. Besonders Vereisungen an den Tragflächen sind für die Aerodynamik ein Problem. Grund dafür ist, dass sie die Oberflächen uneben machen, wodurch der Auftrieb verringert wird. Selbst bei geringer Vereisung reduziert er sich um bis zu einem Drittel. Das Flugverhalten ändert sich dadurch teilweise dramatisch. Es kann zu einem Strömungsabriss bei einer für den Piloten unerwartet hohen Geschwindigkeit kommen.
Doch nicht nur die Aerodynamik könnte durch Eis beeinträchtigt werden. Auch Triebwerke oder Sensoren können unter ihr leiden. Wenn sich etwa größere Eisbrocken während des Fluges lösen und in Turbinen gesaugt werden, führt das schlimmstenfalls zu Ausfällen. Sensoren, die falsche Daten liefern, können zu möglicherweise schwerwiegenden Fehlentscheidungen der Piloten führen.
Air-Ontario-Flug 1363
Welche Folgen Eis haben kann, zeigt etwa ein Vorfall in Kanada aus dem Jahr 1989 bei Air-Ontario-Flug 1363. Ausgangspunkt war der Umstand, dass das Hilfstriebwerk der Fokker F28 Fellowship defekt war und nicht genutzt werden konnte. Darum wurde eines der regulären Triebwerke vom Piloten eingeschaltet gelassen. Grund dafür war, dass die Triebwerke nach Abschalten ohne Hilfstriebwerk nicht mehr gestartet hätten werden können.
Aufgrund des eingeschalteten Triebwerkes durfte nicht enteist werden, weil ansonsten darüber Dämpfe des Mittels in den Passagierraum gelangt wären. Der Pilot entschied sich für einen Start ohne Enteisung, obwohl sich auf den Tragflächen eine Schneeschicht von rund einem Zentimeter gebildet hatte. Das Flugzeug stürzte kurz nach dem Start ab, 24 der 69 Menschen an Bord starben.
Scandinavian Airlines 751
Ein anderer Zwischenfall trug sich in Stockholm zu. Jener zeigte, dass nicht einmal Schneefall oder Minustemperaturen notwendig sind, damit Eis zur Gefahr wird. Das Flugzeug befand sich über Nacht am Boden, wo Außentemperaturen zwischen null und einem Grad Celsius vorherrschten. Es bildete sich dennoch Eis auf den Tragflächen, weil sich in jenen noch rund 2,5 Tonnen eisgekühltes Kerosin befand, welche das Material abkühlen. Vor dem Start fand darum sogar eine Enteisung statt, ein Teil der Tragflächen wurde aber übersehen.
Große Eisbrocken lösten sich und kamen in die Triebwerke der McDonnell Douglas MD-81, wodurch jene ausfielen. Die Piloten steuerten das Flugzeug in einem Wald auf den Boden, konnten aber das Leben aller 129 Passagiere retten.
Enteisung am Boden
Um derartige Zwischenfälle zu verhindern, sind auf allen modernen Flughäfen heute Enteisungssysteme am Boden vorhanden, die dem ein oder anderen Flugreisenden mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits aufgefallen sind. Im überwiegenden Teil der Fälle kommt es dort zur chemischer Enteisung. Dabei wird ein Gemisch aus Glykol und Wasser mit einem kleinen Anteil an Verdickern von außen auf das Flugzeug gesprüht. Das genaue Mischverhältnis ergibt sich aus der Temperatur am Boden.
Über bestimmte Abflusssysteme wird die Flüssigkeit, die dabei am Boden landet, aufgefangen, um sie zu entsorgen. Auch am Flughafen Wien passiert das, wie aus einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage der futurezone hervorgeht. Laut dem Flughafen ist das verwendete Mittel auch vollständig biologisch abbaubar - ein Standard auf internationalen Flughäfen.
“Ein Enteisungsvorgang dauert zwischen fünf und 15 Minuten, die Dauer und die Menge an benötigtem Enteisungsmittel ist abhängig von der Größe des Flugzeuges und der Stärke der Belagsbildung”, so ein Flughafensprecher.
In den Pisten und Rollwegen sind außerdem laut dem Flughafen Sensoren enthalten, die den Pistenzustand und die Bodentemperatur messen und Rückschlüsse auf zu erwartende Oberflächenverhältnisse geben. Der Flughafen Wien ist auch in ständigem Kontakt mit dem Wetterdienst der Austro Control, wie es heißt. Wie häufig die Pisten und Rollwege enteist werden müssen, hängt von Niederschlagsdichte, Boden- und Belagstemperatur ab, wie es heißt.
Am Flughafen Wien-Schwechat sind für die Flugzeugenteisung im Winter 70 Personen beschäftigt. Weitere 360 Personen halten die Rollfelder schnee- und eisfrei. Der Dienst funktioniert mittels Rufbereitschaft, die Mitarbeiter müssen also bei entsprechendem Wetter bereitstehen. 70 Fahrzeuge stehen ihnen zur Verfügung.
Enteisung in der Luft
Zusätzlich sind nahezu alle modernen Passagierflugzeuge noch mit Enteisungssystemen ausgestattet, die die Eisbildung in der Luft verhindern sollen.
Die überwiegende Zahl an Jetlinern nutzt dazu ein Bleed-Air-System. Dabei wird warme Abluft der Triebwerke über spezielle Leitungen in die Tragflächen geblasen. Propellermaschinen setzen hingegen auf elektrische Heizungen.
Einen für Jets etwas anderen Weg wählte Boeing bei seiner 787. Der Dreamliner wird per elektrisch beheizbarer Tragflächen frei von Eis gehalten. Dadurch sollen laut Boeing der Energieverbrauch gesenkt sowie Luftwiderstand und Lärm reduziert werden.
Eis ist also ein nicht zu unterschätzender Faktor für die sichere Luftfahrt, weswegen Airlines und Flughäfen teilweise massive Anstrengungen, um es zu entfernen. Falls man also bereits im startbereiten Flugzeug sitzt und sich der Abflug wegen eines Enteisungsvorganges am Boden um einige Minuten verzögert, sollte man sich also nicht zu sehr ärgern.
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