Was aus studiVZ wurde
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„Willkommen auf meinem Profil! Ich heiße Lea und kümmere mich zusammen mit über 120 Kolleginnen und Kollegen um euch.“ So bin ich, bei meiner Registrierung bei studiVZ, von Moderatorin Lea begrüßt worden. studiVZ? Wenn auch ihr keine Ahnung hattet, dass die VZ-Netzwerke noch existieren, geht es euch mir. Doch der Reihe nach …
Große Ähnlichkeit zu Facebook
studiVZ wurde im Jahr 2005 gegründet und hatte von Anfang an sehr große Ähnlichkeit zu einem gewissen amerikanischen Netzwerk. Eigentlich nur für Studenten gedacht, entwickelte sich die Seite jedoch sehr schnell über die eigentliche Zielgruppe hinaus, sodass mit meinVZ und schülerVZ zwei weitere Ableger des erfolgreichen Netzwerks starteten. Als die Plattform noch von Erfolg zu Erfolg eilte, verkauften die beiden Gründer Ehssan Dariani und Dennis Bemmann ihr Unternehmen für 85 Millionen Euro an den Holtzbrinck-Verlag.
Facebook verklagt die VZ-Gruppe
Facebook war rund eineinhalb Jahre vor dem deutschen Pendant in den USA an den Start gegangen, war jedoch zum Zeitpunkt der VZ-Gründung nur als englischsprachige Version verfügbar. Auf Grund sowohl optischer als auch inhaltlich sehr großer Ähnlichkeiten verklagte Facebook die VZ-Betreiber.
Plagiatsvorwürfe standen damals im Raum. Die Macher von StudiVZ hätten sich illegalen Zugriff auf die Computersysteme von Facebook verschafft und dabei den Facebook-Quellcode kopiert, so der Vorwurf. Genährt wurden diese Vorwürfe unter anderem von einer Fehlermeldung auf StudiVZ. Dabei stellte sich heraus, dass die Programmierer ihre Anwendung als Fakebook bezeichneten. Die beiden Netzwerke trafen schließlich eine außergerichtliche Einigung.
Bis zu 17 Millionen Nutzer
Was sich heute kaum noch jemand vorstellen kann: Lange Zeit galten die VZ-Netzwerke als DIE deutsche Erfolgsstory in Sachen Social Networks. Zu Spitzenzeiten brachten es die drei Seiten auf rund 17 Millionen aktive Nutzer. Es wurden Freunde gesucht und gefunden, Fotos hochgeladen, Nachrichten verschickt und gegruschelt! Zu den Merkwürdigkeiten von studiVZ gehörte eben auch dieses kuriose Kunstwort, zusammengesetzt aus grüßen und kuscheln. Tja und dann ... dann kam Facebook.
Der Abstieg beginnt
Mit dem Start des Networks rund um Mark Zuckerberg auf dem deutschen Markt im März 2008, begann der rasante Abstieg der VZ-Netzwerke. Auch wenn der bekannte Netzökonom Holger Schmidt noch im April 2008 in einem Beitrag für die FAZ anmerkte, dass Facebook seinen Start auf dem deutschen Markt "verpatzt" und gegen die Netzwerkeffekte der deutschen Konkurrenz nichts auszurichten habe, war der Niedergang nicht mehr aufzuhalten.
2012 sah die Sache dann etwas anders aus: Im Schnitt haben studiVZ, meinVZ und schülerVZ in den vergangenen zwölf Monaten jeden Monat gegenüber dem Vorjahresmonat rund 77 Prozent der Zugriffe, berichtete Statista im September 2012.
Zwischenzeitlich machte die VZ-Gruppe noch mit schwerwiegenden Sicherheitslücken und fragwürdigem Datenschutz Schlagzeilen.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Nur noch 600.000 Nutzer
Immer mehr Nutzer wanderten nach und nach zur amerikanischen Konkurrenz ab und kamen nicht mehr zurück. Die einst so belebte Plattform wurde immer stiller. Und stiller. Heute sind laut Betreiber noch klägliche 600.000 Nutzer registriert. Aktiv scheint auf der Seite jedoch nur noch Moderatorin Lea zu sein.
Scrollt man sich durch die immer noch vorhandenen Profile seiner Freunde, begibt man sich auf eine Zeitreise. Partyfotos von 2009, absurde Gruppennamen wie die „geheime Vereinigung der Moritz-heißer“ und Reminder an Geburtstage von VZ-Freunden sind noch immer da, konserviert für die Ewigkeit, so scheint es.
Unermüdliches Moderatorenteam
Lea verkündete noch heute bei meiner Anmeldung stolz, dass das VZ-Team Tag und Nacht unterwegs sei und das Büro niemals schlafe – damit die User eine toller Zeit auf der Seite haben können. Wie viele Mitarbeiter sich tatsächlich noch „Tag und Nacht“ um die letzten, unermüdlichen Nutzer der Plattform kümmern, ist jedoch nicht bekannt.
Ironie der Geschichte
Fast schon traurig ist rückblickend die Tatsache, dass Facebook vor vielen Jahren bereit war, die VZ-Netzwerke zu kaufen. Wie viel genau die Amerikaner geboten haben, ist nicht bekannt. Wohl jedoch, dass die damaligen Besitzer in der festen Überzeugung ablehnten, gegen die Konkurrenz von Übersee gut gerüstet zu sein. Wie fatal diese Einschätzung war, erklärt sich von selbst.
Dieser Artikel ist ursprünglich auf futurezone.de erschienen.
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