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Philosophie

Was wir tun werden, wenn Roboter unsere Arbeit machen

In seiner Publikation "Will Life Be Worth Living in a World Without Work?" beschäftigt sich der Jurist und Philosoph John Danaher von der irischen Universität Galway mit den Auswirkungen von technologiegetriebener Arbeitslosigkeit auf die Gesellschaft. Er geht in seiner Argumentationslinie davon aus, dass die Menschheit Wege finden wird, die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, die durch eine solche Entwicklung noch verstärkt würde, zu lösen. Seine Abhandlung konzentriert sich daher darauf, was die Menschen mit ihrer Zeit anfangen werden, wenn sie nicht mehr arbeiten müssen.

Danaher stellt die Annahme, dass Arbeit positive Auswirkungen auf die Menschen hat, infrage und führt alternative Konzepte ins Feld, die sinnstiftende Funktionen übernehmen könnten. Von einem Leben im Überfluss für alle bis zu einem langsamen Verkümmern der Menschheit sind alle Szenarien vorstellbar. Der Forscher rät zu einer Besinnung auf Kunst und Kultur, das Aushandeln sozialer Hierarchien in Spielen und schlägt eine Integration von Technologie in unsere Körper vor.

John Danaher
Glauben Sie, dass wir auf eine Welt der technologiebedingten Arbeitslosigkeit zusteuern?
Ich bin vorsichtig, wenn es um Prognosen geht, vor allem weil sich ähnliche Sorgen sich in der Vergangenheit stets als unbegründet herausgestellt haben. Es gibt aber Gründe, die nahelegen, dass es dieses Mal anders sein könnte. Wenn wir eine künstliche Intelligenz im allgemeinen Sinn erschaffen können, dann glaube ich, dass wir eine ganz andere Welt erleben werden.

Ich bin nicht sicher, wann das passieren könnte. Ich glaube aber, dass die Technologisierung ganz unabhängig von künstlicher Intelligenz großen Einfluss auf die Art der Jobs, die von Menschen erledigt werden, hat. Diese Entwicklung läuft bereits und hat merkliche Auswirkungen auf Arbeitsplatzsicherheit und Einkommen.

Hat es Einfluss auf Ihre Analyse, wenn sich solche Entwicklungen nur in Teilen der Welt vollziehen?
Meine Argumentation bezieht sich auf den Einfluss dieser Entwicklung auf Sinnsuche und geistige Entwicklung der Menschen. Wenn nur ein Teil der Welt den Punkt erreicht, an dem Maschinen den Großteil der Arbeit übernehmen, würden dort vermutlich dieselben Entwicklungen eintreten. Das einzige, was meine Analyse über den Haufen werfen könnte, wäre die Reaktion des Rests der Welt.

Wären sie eifersüchtig auf die, die technologische Arbeitslosigkeit erreicht hätten oder froh darüber, noch Arbeit zu haben? Wären solche Länder mit Zu- oder Abwanderung konfrontiert? Ich sehe Argumente für beide Seiten. Die internationale Situation würde stark davon abhängen, wie die Einkommensverteilung gelöst würde.

Was würde nach dem Streben nach Status werden in einer Welt in der Einkommen und Klasse keine Rolle mehr spielen?
Menschen würden vermutlich andere Wege finden, um um Status zu kämpfen. Ein Aspekt, den ich in meinem Artikel nur anstreife, ist, dass Spiele und andere Freizeitaktivitäten ein wichtiger Lebensinhalt für technologiebedingte Arbeitslose werden könnten.

Ich kann mir vorstellen, dass Erfolg und Leistung in Spielen ein Quell für Status sein könnte. Ich bin nicht sicher, dass Klassenunterschiede in einer Welt der technologiegetriebenen Arbeitslosigkeit ausgeglichen würden. Das hängt davon ab, was man unter Klasse versteht - meine Interpretation stützt sich nicht nur auf die Höhe des Einkommens.

Ist das Konzept vom Sinn des Lebens in einer Welt, in der Maschinen Gesellschaften effizient verwalten, überhaupt sinnvoll?
So lange es Menschen gibt, die hinterfragen, wozu das alles gut sein soll, bleibt das Konzept aufrecht. Für mich geht es darum, ob es Sinn ergibt, diese Fragen zu stellen und nach einer Antwort zu suchen. Ich glaube, dass Sinn immer wichtig sein wird für Menschen, weil es schon seit Anbeginn der Zivilisation so ist.

Glauben Sie, dass Maschinen ihre eigene Agenda verfolgen könnten?
Agenda ist vielleicht das falsche Wort. Maschinen könnten Ziele verfolgen, die nicht den unseren entsprechen und wenn sie über viel Macht und anpassungsfähige Intelligenz verfügen, könnte das zu Problemen führen. Das ist in der Literatur über künstliche Intelligenz breit diskutiert worden und hat zu den schwarzmalerischen Verkündungen von Elon Musk und Stephen Hawking geführt.

Wenn Menschen keinen Beitrag mehr zur Verbesserung der Gesellschaft leisten können und ihre Aktivitäten sich auf Kunst und Kultur beschränken, was passiert dann mit denen, denen das Talent auf diesen Gebieten fehlt?
Das hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Ist Talent angeboren und unveränderlich? Wenn nicht, dann könnten Menschen ihre neue Freizeit nutzen, um sich neue Fähigkeiten auf dem Gebiet der Kunst und Kultur anzueignen - oder in Spielen, wie ich vorher erwähnt habe. Wenn Talent festgelegt ist, wie genau funktioniert das? Ist es genetisch oder biologisch verankert? Wenn dem so ist, könnten technische Fortschritte uns ermöglichen, diese Beschränkungen zu umgehen.

Dann stellt sich die Frage, ob künstlerische oder kulturelle Werke, die durch technische Unterstützung entstanden sind, genausoviel wert sind, wie eine Schöpfung ohne Hilfsmittel. Das ist wie der Unterschied zwischen einem Sportler, der nur durch Talent und Training gewinnt und einem, der auf Doping zurückgreift. Schätzen wir ersteren mehr als letzeren? Ich glaube schon, bin mir aber nicht sicher, ob diese Unterscheidung argumentativ haltbar ist.

Könnten östliche philosophische Ansätze helfen, einen Sinn in der Existenz zu finden, der nicht von einem aktiven Beitrag zur Entwicklung abhängt?
Ich glaube, dass viel Weisheit in manchen östlichen Betrachtungen zu Erleuchtung und Selbsterfahrung liegt, vor allem in der buddhistischen Tradition. Das könnte eine wichtige Quelle für Inspiration und Sinn für Menschen sein.

Ist der Verzicht auf die Kontrolle der Gesellschaft zugunsten von Maschinen eine größere Einschränkung der Freiheit als der "Zwang", arbeiten zu müssen?
Potenziell ja. Ich habe einen eigenen Artikel zu dem Thema geschrieben - “Die Bedrohung durch Algokratie”. Darin beschreibe ich, wie die Übernahme öffentlicher Entscheidungsfindungsprozesse durch Maschinen die Grundprinzipien liberaler demokratischer Gesellschaften gefährden könnte. Das betrifft besonders solche Werte, die mit der Teilnahme an und dem Verständnis von Entscheidungsfindungsprozessen, die Grundfreiheiten betreffen, verknüpft sind.

Könnte technologiegetriebene Arbeitslosigkeit eine Bedrohung für die Zukunft der Menschheit sein, weil sie unseren Kampfgeist zerstört?
Wenn wir uns gegenüber den Maschinen minderwertig fühlen und keine anderen Quelle für Sinn in unseren Leben finden, dann wäre es möglich, dass wir in einem Zustand freudloser, frustrierter Langeweile enden. Ich glaube, das wäre gleichbedeutend mit dem Brechen unseres Lebenswillens.

Würde virtuelle Realität (VR) als eskapistischer Ausweg den Drang nach technologischem Fortschritt, der uns die Arbeit abnimmt, nicht entkräften?
Erstens bin ich nicht überzeugt, dass VR eine eskapistische Lösung wäre. Das ist ein Thema, das ich in meinem Artikel kurz anreiße, im Absatz zum Primat der Realität. Ich bin nicht sicher, dass Erfahrungen und Sinnsuche in der VR weniger bedeutsam sind als ihre Entsprechungen in der realen Welt. Zweitens kann VR, solange es für Menschen die Notwendigkeit gibt, zu arbeiten, um ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen, nicht als eskapistische Lösung funktionieren.

In Ihrem Artikel gehen Sie davon aus, dass die Menschen eine Möglichkeit finden, die Gewinne aus der Automatisierung gleichmäßig zu verteilen. Für wie wahrscheinlich halten Sie eine solche Entwicklung?
Ich bin optimistisch. Einige Länder in Europa experimentieren derzeit mit Varianten eines bedingungslosen Grundeinkommens oder diskutieren zumindest darüber. Die kulturelle Debatte darüber nimmt Fahrt auf. Ich bezweifle aber, dass wir je eine egalitäre Verteilung erreichen werden. Ich denke, es wird immer einen relativen Unterschied geben. Im Artikel gehe ich deshalb nicht von einer gleichen Verteilung der Gewinne aus. Ich kann nur annehmen, dass die Menschen Zugang zu allem haben werden, was sie brauchen, sie also in einer Welt des relativen Überflusses leben werden.

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Markus Keßler

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