Ein Kompaktsimulator SIM der ÖBB
Ein Kompaktsimulator SIM der ÖBB
© David Kotrba

Eisenbahnverkehr

Wie Lokführer die simulierte Gleisrealität bewältigen

Um zukünftige Lokführer schneller mit realistischen Szenarios auf Zugstrecken konfrontieren zu können, setzen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) vermehrt auf Simulatoren. Neben ortsfesten Anlagen kommen seit zwei Jahren 25 mobile Kompaktsimulatoren in ganz Österreich zum Einsatz. Vier davon sind im ÖBB-Ausbildungszentrum St. Pölten untergebracht, ebenso wie der Vollkabinensimulator LISA. Die futurezone sah sich an, wie die Geräte zur Ausbildung und Weiterbildung von Lokführern eingesetzt werden.

In Österreich kommt auf immer mehr Streckenabschnitten das europäische Zugsicherungssystem ETCS zum Einsatz. Um mehr als 1.500 Lokführer möglichst schnell und effizient auf dessen Handhabung vorzubereiten, beschlossen die ÖBB ihre Simulator-Ausstattung zu erweitern. Vom französischen Unternehmen Corys wurden 25 Kompaktsimulatoren geordert. Diese sollen Anwender in den Führerstand einer Lokomotive versetzen ohne jedoch Bewegungen zu simulieren.

Arbeitsoberfläche wie in der Lok

Der Kompaktsimulator SIM stellt das "Cockpit" eines Lokführers - bzw. Triebfahrzeugführers, so die offizielle Bezeichnung - nach. Man findet darauf alle Knöpfe und Hebel wieder, die auch in einer echten Lok vorhanden sind. Dazu gibt es drei Touch-Displays, auf denen Zug- und Streckeninformationen auftauchen oder das Zugfunkgerät virtuell bedient werden kann. Auf einem großen Flatscreen wird die Sicht des Triebfahrzeugführers auf die Strecke dargestellt. Das Ganze hat in etwa die Ausmaße eines Smart-Fortwo-Autos.

Auf dem Simulator kann die Fahrt eines Zuges durch unterschiedlichste Szenarios nachgestellt werden. Erstellt werden diese Szenarios im Ausbildungszentrum St. Pölten. 120 verschiedene Situationen sind bisher entwickelt worden. 300 Streckenkilometer inklusive Gleisen, Bahnhöfen, Menschen, Tieren, Gebäuden und Fahrzeugen werden darin repräsentiert. Mobile Subjekte und Objekte sind dabei nicht nur Dekoration, sondern können zur simulierten Gefahr werden.

Alltag und Unregelmäßigkeiten

LKWs, Streckenarbeiter, Tiere oder verlorene Güter können plötzlich am Gleis auftauchen. Wie plötzlich, lässt sich einstellen. Die Sicht des Lokführers kann entweder glasklar sein oder durch Regen, Schnee oder Nebel getrübt. Scheibenwischer erscheinen in diesem Fall in variabler Geschwindigkeit auf dem Display. Was den Lokführern beim Simulatortraining ebenfalls begegnen kann, sind herunterhängende Stromleitungen oder brennende Züge am Nebengleis.

Im Normalfall geht es bei den Simulatortrainings allerdings darum, möglichst regelkonform und effizient auf der Strecke unterwegs zu sein. Auf der virtuellen Fahrt kommt es etwa öfters zu so genannten Transitionen, also Übergängen von einem Zugsicherungssystem in ein anderes. In Österreich sind dies etwa die Linienförmige Zugbeeinflussung (LZB), die punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) oder das bereits erwähnte ETCS.

Mit den Simulatoren werden auch spezielle Energiespartrainings durchgeführt, bei denen Lokführer das Ziel verfolgen sollen, möglichst wenig Energie auf bestimmten Streckenabschnitten zu verbrauchen. Als Anreiz dafür hält die ÖBB einen bundesweiten Wettbewerb ab. Die effizientesten Simulator-Lokführer erhalten Prämien.

Zentrale Szenario-Belieferung

Die erschaffenen Szenarios können von einem zentralen Server an alle 25 Kompaktsimulatoren in Österreich übertragen werden. Voraussetzung ist eine Breitband-Verbindung, denn jede Szenario-Datei ist mehrere Gigabyte groß, erklärt Christian Haslinger, der Leiter der Simulationsabteilung bei den ÖBB. Neben den Kompaktsimulatoren kommen vier einfachere "Part-Task-Trainer", ein Simulator für die Diesellok 2070 Hector und der Vollkabinensimulator LISA, der die Fahrt in einer Taurus-Lok vermittelt, zum Einsatz.

In der Ausbildung zum Lokführer kommen Simulatoren bereits ab der achten (von 39) Woche zum Einsatz, erzählt Christoph Hofmann, der Chef der Weiterbildung für Triebfahrzeugsführer. Für die ÖBB bedeute das Simulatortraining eine große Kostenersparnis. Würde in Realität anstatt am Simulator trainiert werden, müssten Trassen bestellt, Lokomotiven bereitgestellt, Strom und Material verbraucht werden. Die Anschaffung der Kompaktsimulatoren habe sich dagegen in weniger als einem Jahr amortisiert.

Die Simulatoren stellen in jedem Fall sicher, dass die Aus- und Weiterbildung auch bei Ressourcenknappheit funktionieren. In einem Unternehmen, dass nach außen stark über das Thema Sicherheit definiert wird, ist nicht nur die Festigung gewisser Abläufe und Handlungen, sondern auch das Training von Szenarien, die nur einmal im Leben vorkommen, maßgeblich.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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