Wiener Lokal: 30 Euro für "faire" Online-Bewertung
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Immer mehr Menschen sehen sich auf der Suche nach einem guten Lokal gerne einmal vor ihrem Besuch die Online-Bewertungen dazu an. Für Restaurants und Lokale in anderen Städten verwenden Nutzer dafür gerne die Plattform Tripadvisor oder Google-Bewertungen, in der eigenen Stadt schaut man auch gerne mal auf der Facebook-Seite des Lokals vorbei.
"Faire Bewertungen"
Das Caffe Latte in der Neubaugasse startete am Wochenende eine zweifelhafte Aktion, um seine Online-Bewertungen auf diesen Plattformen zu verbessern. Das Lokal hat dazu laut Angaben des Inhabers rund 20.000 E-Mails an seine Gäste mit dem Betreff: „2 gratis brunchgutscheine für dich!“ verschickt. In der E-Mail werden die Gäste dazu aufgefordert, sofern „sie sich wohl gefühlt haben“, ein „faires Feedback“ auf Google, Facebook und Tripadvisor abzugeben.
Viele Gäste machten mit
Das Caffe Latte konnte auf allen drei Plattformen auf diesem Weg in den vergangenen Tagen einige hundert neue Bewertungen einsammeln. Viele Internet-Nutzer davon loben darin vor allem den „Super Brunch“. In keiner einzigen Bewertung war ein Vermerk oder Disclaimer dabei, dass das Lokal einen Gratis-Gutschein als Anreiz dazu gegeben habe, eine Bewertung abzugeben. Doch gerade dies sei aus Transparenz-Gründen zwingend verpflichtend, um die Aktion auch gegenüber den Lesern von Bewertungen fair zu gestalten.
Rechtsanwalt Günther Loibner von der Kanzlei Sunder-Plaßmann Loibner & Partner (SPLP) hält diese Vorgehensweise für „unter Umständen bedenklich“ und sieht darin einen potentiellen gesetzlichen Verstoß in Bezug auf „Unlauteren Wettbewerb“. „Eine wesentliche Information wird dabei verschwiegen und die Objektivität einer solchen Kritik ist nicht einzuschätzen.“
Umgang mit Kritik
Dass das Caffe zwar offiziell von „fairen“ Kritiken schreibt, aber eigentlich positive meint, würde durch folgenden Satz in der Mail an die Kunden noch deutlicher hervorgehen: „Konnten wir dich aus irgendeinem Grund nicht zufrieden stellen, so bitte wir um deine Rückmeldung per Mail.“ Damit ist für den Anwalt angedeutet, dass es im Gesamten sehr wohl darum gehe, positive Kritiken zu erkaufen. Das war zudem Grund genug für einen Gast, dem Inhaber des Lokals zurückzuschreiben: „Ihr begebt euch auf dünnes Eis.“
Zlatko Medle, einer der beiden Inhaber des Caffe Latte, sieht dies freilich anders: „Unter den 50 ersten Bewertungen war auch eine kritische dabei. Die bekommt natürlich auch einen Gutschein.“ Die Aktion sei zudem „spontan entstanden“, weil er selbst am Wochenende bei einer ähnliche Aktion eines Fotografens, der ein E-Book gegen einen Like verschenkt hatte, mitgemacht habe. „Ich glaube außerdem nicht, dass sich jemand wirklich mit zwei Gutscheinen beeinflussen lässt.“
Negatives dominiert
Als Lokal-Besitzer sei man im Internet vor allem mit negativen Bewertungen konfrontiert, so Medle. „Nur eine Handvoll Menschen schreibt Rezensionen, wenn bei einem Lokal-Besuch alles in Ordnung war. Wenn einmal etwas nicht gepasst hat, lassen Leute eher ihrem Ärger auf Bewertungsplattformen freien Lauf. Gäste bedenken dabei nicht, dass sie dem Unternehmen schaden. Auch die Plattformen bedenken das offenbar nicht“, sagt Medle im Gespräch mit der futurezone.
Wenn Gäste wirklich eine schlechte Erfahrung in seinem Lokal gemacht hätten, sollen sie sich deshalb zuerst per E-Mail an den Inhaber wenden, bevor sie eine Rezension schreiben, „um das Problem im Gespräch zu bereinigen“, wie der Inhaber erklärt. „Wir überzeugen unsere Gäste gerne von unserer Qualität und stellen ihnen auch gerne Gutscheine zur Verfügung, damit sie bei einem neuerlichen Besuch eine andere Erfahrung machen können“, heißt es. Auf die aktuelle Aktion habe es zwei negative Rückmeldungen gegeben, diese seien ebenfalls mit einem Gutschein belohnt worden.
"Dankeschön für ihre Zeit"
Auf der Facebook-Seite sprach das Caffe Latte selbst von einem „Gewinnspiel“. „Die Aktion hätte auch komplett nach hinten los gehen können. Wer sagt denn, dass die Leute nur positive Bewertungen abgeben werden? Ich weiß, dass wir viele zufriedene Gäste haben und als Dankeschön für ihre Zeit, die sie für eine Bewertung investieren, geben wir ihnen einen kleinen Anreiz als Entlohnung.“ Es sei eine „Win-Win-Situation“ für alle. Ihm sei auf jeden Fall nicht klar gewesen, dass man auch bei Bewertungsplattformen für Transparenz sorgen müsse, wenn man als Unternehmen Goodies an Konsumenten verteile.
Als Beispiel, wie man für eine entsprechende Transparenz sorgen könnte, nennt Rechtsanwalt Lukas Feiler von der Kanzlei Baker & McKenzie, etwa das Hinzufügen eines Hinweises mit Link. Als Unternehmen hätte man beispielsweise eine Website für die Aktion einrichten können und alle Nutzer, die eine Bewertung schreiben, um einen Gutschein zu erhalten, hätten dies als Disclaimer der Werbeaktion in ihrer Bewertung hinzufügen müssen. „Man muss auf jeden Fall offenlegen, dass man Kunden zum Feedback angeregt hat“, so Feiler. Ausjudiziert wurden derartige Fälle in Österreich übrigens noch nicht.
Frage an euch: Wie würdet ihr eine Kritik beurteilen, wenn ihr wüsstet, dass eine Person dafür einen 30-Euro-Gutschein bekommen hat?
Kommentare