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Verkehrsexperte

"Wir müssen die Autos aus den Städten bringen"

„Wir müssen die Autos wieder aus den Städten bringen“, sagt Hermann Knoflacher von der TU Wien am Mittwoch auf der Urban-Future-Konferenz. Es sei ein großer Fehler gewesen, sie in die Zentren von Städten zu lassen. „Leider hat man den Leuten jahrelang antrainiert, dass Autos die Mobilität steigern“, so Knoflacher. „Aber das ist ein Mythos, der auch an vielen Unis heutzutage noch immer weiterverbreitet wird.“

Zum zweiten Mal kommen bei der Konferenz in Graz mehr als 1600 Menschen zusammen, um darüber zu diskutieren, wie man Städte nachhaltig verändern kann. Radikale Visionen, wie die von Knoflacher, sind dabei ebenso zu hören wie vorsichtige Fragen, beispielsweise: „Wie werden wir künftig mit rund 200 Millionen Klimaflüchtlingen umgehen, die wir bis zum Jahr 2050 weltweit zu erwarten haben?“ Die Zukunft der Mobilität ist neben der Klimaveränderung eines der Hauptthemen bei der Konferenz.

"Man spart keine Zeit"

Der Verkehrsexperte ist Professor an der TU Wien und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Mobilitätskonzepten. Es sei ein Irrglaube, dass man Zeit spart, wenn man mit dem Auto unterwegs sei, sagt er. „Stattdessen legt man lediglich längere Wege zurück, aber Zeit spart man nicht“, so der Experte. „Oder haben wir jetzt etwa mehr Zeit als früher?“ Die Mobilität der Bürger habe sich in den letzten Jahren nicht weiter verändert. „Jeder Mensch legt am Tag etwa vier Wegstrecken zurück. Das einzige, das wächst, ist die Zahl an Menschen in die Städten. Die Mobilität selbst bleibt gleich“, sagt Knoflacher.

Autos brauchen viel Platz und deshalb sollte man sie erst gar nicht in die Städte reinlassen, sondern maximal am Stadtrand parken. „Wir zerstören sonst damit weiterhin die Struktur von Städten“, sagt Knoflacher. Der Experte vergleicht Autos in der Stadt mit einem Elefanten im Schlafzimmer. „Wenn man den da reinpackt, kann man darin auch nicht mehr schlafen.“ Das Problem sei, dass sich die Vorstellung, dass Autos die Mobilität erhöhen, bereits fest in den Gehirnen der Menschen eingefressen habe. „Das ist wie ein Virus.“ Dabei seien Städte von Menschen gebaut. „Und wenn wir die Struktur ändern können, können wir auch unser Verhalten ändern.“

"Das ist kein Wunschtraum"

Beginnen sollte man damit, dass nicht mehr bei jedem Neubau eine Garage automatisch mit dabei ist, so der Verkehrsexperte. „Wenn die Menschen ihre Autos los werden, haben sie endlich wieder eine Wahl. Das ist kein Wunschtraum von mir, sondern es funktioniert“, so der Experte. Als Beispiel bringt er Wien. In Wien sei die Zahl der Autos seit den 1990er-Jahren rückläufig, so Knoflacher.

Wien ist tatsächlich mutig, wenn es darum geht, künftig Autos aus der Stadt weiter zu verbannen. Keine Privatautos mehr, sondern ein Mix aus Car-Sharing, E-Bike-Leihrädern und Öffis sollen spätestens im Jahr 2050 das Stadtbild von Wien dominieren. Das geht aus dem Positionspapier „smart city Wienhervor.

Wiener Mut

Eigene Kraftfahrzeuge sollen Seltenheitswert haben, öffentliche und individuelle Verkehrsmittel sollen miteinander geschickt verbunden werden und jeder soll seine „vorteilhafteste Kombination" wählen können. Für Autofreunde soll das Motto „weg vom Besitzen, hin zum Nutzen" gelten. Aufstand gab es dagegen bisher kaum einen – auch wenn Autobesitzer normalerweise durchaus rabiat werden können.

Visionäre wie Knoflacher können mit dieser Strategie zufrieden sein. „Die Stadt kann sich wieder entfalten und in seiner Schönheit erstrahlen. Lokale Geschäfte werden dadurch genauso angekurbelt wie Gespräche zwischen den Menschen.“

"Autofahrer werden aggressiv"

Nicht überall ist man – zumindest beim Konzept – so mutig wie in Wien. In der schwedischen Stadt Malmö hat man sich etwa lediglich zum Ziel gesetzt, dass bis 2050 keine zusätzlichen Autos mehr dazu kommen sollen – aber von weniger Autos ist dort in keinem Strategiepapier die Rede.

„Es ist schwierig für Politiker, Maßnahmen zu verkünden, die Autofahrer benachteiligen. Das kann sehr gefährlich sein, weil Autobesitzer meist sehr aggressiv reagieren. Und das auch niemals vergessen. Das kann sich bei der nächsten Wahl auswirken“, sagt Christian Resebo, Stadtstratege von Malmö in Schweden beim futurezone-Gespräch. Dabei brauche es tatsächlich klare Worte seitens der Politik, wenn sich etwas nachhaltig ändern soll – egal ob beim Verkehr oder anderen Innovation rund um die Stadtplanung.

"Kein Copyright auf gute Ideen"

Doch gerade dies scheint immer schwerer zu werden. „Politik ist ein flüchtiges, hektisches Geschäft und das wird immer schlimmer werden“, meint dazu der ehemalige Bürgermeister der Stadt Berlin, Klaus Wowereit. „Als Politiker hat man kaum mehr die Möglichkeit, Gedanken durchzuspielen und über etwas in Ruhe zu diskutieren – und dann notfalls auch wieder zu verwerfen. Es wird alles gleich als Fakt genommen und nicht als Skizze.“ Wowereit plädiert dafür, sich von anderen Städten inspirieren zu lassen. „Es gibt kein Copyright auf gute Ideen und es ist wichtig, dass man sich als Stadt nicht abschottet.“

Frage an euch: Könntet ihr ohne Auto in der Stadt leben?

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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