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Mercer-Studie

Smart City Wien: Noch ein weiter Weg

Die aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft Mercer hat Wien auch im Jahr 2012 wie im Vorjahr wieder als die lebenswerteste Stadt der Welt gekürt. Auf diese Mercer-Studie haben sich die heimischen Experten aber auch immer wieder berufen, um Wien als Smart City zu bezeichnen. Doch so lebenswert Wien ist, smart ist es – leider – noch lange nicht. Denn erstmals wurde in der Studie, die am Dienstag veröffentlicht wurde, auch die Infrastruktur bewertet, und hier rangiert Wien nur an der 16. Stelle – hinter sieben anderen europäischen Städten.

Punkto Strom- und Wasserversorgung, Telekommunikation, Mail-Diensten, Öffentlicher Verkehr und Verkehrsstaus hat die Bundeshauptstadt einigen Nachholbedarf, das sind wir noch weit von der Spitze entfernt. Die Verantwortlichen könnten sich noch viel von Singapore, Frankfurt, München, Kopenhagen oder Düsseldorf – die als erste fünf Städte gelistet sind – abschauen.

"Werden wir uns genau ansehen"
"Es liegt ganz sicher nicht an der Qualität der Öffentlichen Verkehrsmittel und der Energieversorgung, dass Wien in der Infrastruktur-Wertung der Mercer-Studie auf dem 16. Platz rangiert", erklärt der Konzernsprecher der Wiener Stadtwerke, Thomas Geiblinger, gegenüber der futurezone. Auch der Smart City Wien-Projektleiter, Thomas Madreiter von der MA 18,  findet das Ergebnis der Studie ungewöhnlich. „Wir werden uns das genau ansehen und prüfen. Bisher kennen wir die Ursache für das Abschneiden noch nicht“, sagt Madreiter. Madreiter weist allerdings darauf hin, dass die Mercer-Studie auf einer Befragung basieren würde. „Hier ist man immer auf die Wahrnehmung von Menschen angewiesen.“

Individual- und öffentlicher Verkehrsmix
Dabei verfolgt die Stadt Wien mit seiner Smart City „Vision 2050" durchaus ambitionierte Ziele und möchte sich international als Vorbildstadt positionieren. 2050 soll der Individualverkehr vemehrt auf einer Mischung aus Car-Sharing-Modellen und dem Öffentlichen Verkehr basieren und eigene Kraftfahrzeuge sollen Seltenheitswert haben.

Öffentliche und individuelle Verkehrsmittel sollen miteinander geschickt verbunden werden und jeder soll seine „vorteilhafteste Kombination" wählen können. Für Autofreunde wird das Motto „weg vom Besitzen, hin zum Nutzen" gelten. Außerdem werden IKT-Technologien verstärkt dafür genutzt werden, die Wege zu reduzieren, in dem z.B. Telearbeit forciert wird. Zudem soll es auf übergeordneten Routen eine Radfahrer- und Fußgängerfreundliche Ampelschaltungen geben.

Energieverschwendung soll im Jahr 2050 gesellschaftlich ein Tabu sein, weil Menschen unter anderem durch die erfolgreiche Einführung von Smart Metering-Technologien ein Bewusstsein für ihren eigenen Energieverbrauch entwickelt haben werden, heißt es. Technische Geräte werden bis zum Jahr 2050 zudem strenge Energieeffizienzkriterien erfüllen. Energieträger wie Gas, Strom, Wärme und Kälte sollen dann in einem gemeinsam gesteuertem intelligenten Energienetz zusammenlaufen. Alle Smart Grid-Beteiligte werden zur Planung einer intelligenten Steuerung ihre Daten miteinander vernetzen.

Bürgerplattform zur Mitbestimmung
Diese Zukunftsvisionen sind in der Roadmap „Vision 2050" im Rahmen des Projekts "smart city Wien" zusammengefasst worden. Dabei sollen auch Bürger mitbestimmen dürfen. Bis 2015 soll eine Plattform namens „smart citizens in a smart city" errichtet werden, über die die Wiener die Möglichkeit haben werden, direkt Einfluss auf die Weitergestaltung der Stadt zu nehmen. Über die Plattform sollen auch unterschiedliche lokale Projekt-Initiativen vorgestellt werden können, über die man sich dann mit Politikern und Vertretern der Stadt austauschen kann.

Ähnliches passiert derzeit bereits beim Demonstrationsprojekt „Seestadt Aspern". Die Ergebnisse und Lehren bei der Entwicklung dieses neuen Wiener Stadtteils auf dem bislang weitgehend bestandsfreien Areal sollen dann für die weitere Stadtentwicklung Wiens herangezogen werden.

2050 soll der Ausstoß von Treibhausgasemissionen zudem weniger als 20 Prozent von dem im Jahr 1990 betragen. Doch beim Projekt „smart city Wien" geht es nicht nur darum, bestimmte Klima-Ziele zu erreichen, sondern auch darum, den Wirtschaftsstandort Wien zu stärken. Wenn Wien Flagge zeigt im Energie-Bereich, können die entsprechenden entwickelten Technologien in Folge auch Exportrelevanz haben. Im Positionspapier gibt man sich zudem besonders optimistisch: Das innovationsfreundliche Klima in Wien hat unter anderem erheblich zur Stabilisierung des Wohlstands für die gesamte Bevölkerung beigetragen", heißt es darin. Vorerst ist das Positionspapier jedoch nicht mehr als eine Vision. Damit Wien zumindest beim nächsten Mercer-Ranking 2013 auch im Infrastruktur-Bereich besser abschneidet, will das Projektteam die diesjährige Studie genau analysieren. 

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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