Woran das vernetzte Eigenheim scheitert
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Glaubt man den Ankündigungen der Elektronik-Hersteller, ist der Traum vom smarten Zuhause längst verwirklicht. Waschmaschinen und Kühlschränke, die sich per App steuern lassen, Leuchten, deren Lichtfarbe man mit dem Tablet anpassen kann und nicht zuletzt Heizkörper, die verstehen, wann sie sich ein- und ausschalten müssen, um eine angenehme Raumtemperatur für die Bewohner zu erzielen und dabei auch noch Energiekosten zu sparen.
Große Hürden
In der Realität sieht die ganze Sache freilich nicht so rosig aus, wie es PR-Kampagnen der Unternehmen suggerieren. Komplizierte Installationsprozesse, hohe Kosten und die fehlende Kompatibilität verschiedener Lösungen machen das smarte Eigenheim viel schwieriger realisierbar, als man es glauben möchte.
„Ich sehe drei Bereiche, in denen man von einer smarten Heimvernetzung am meisten profitieren kann: Neben dem Wohnkomfort kann die Sicherheit des Wohnobjekts, aber auch der darin befindlichen Personen gesteigert werden. Darüber hinaus bietet Smart Home im Bereich Energieeffizienz großes Potenzial“, erklärt Friedrich Praus von der FH Technikum Wien im Gespräch mit der futurezone.
Fehlende Gesamtlösung
„In einigen Segmenten, wie bei der Beleuchtung oder auch der Heizungssteuerung, gibt es schon seit längerem entsprechende Produkte. Das Hauptproblem ist und bleibt aber, dass es derzeit praktisch fast nur Insellösungen gibt, die noch dazu auf verschiedenen, teils proprietären Standards aufsetzen. Damit wird es für einen Nutzer praktisch unmöglich, die einzelnen Lösungen zu einem smarten Ganzen zusammenzufügen“, erklärt der Smart-Home-Experte.
Zahlreiche Smart-Home-Standards
Im Dschungel der verschiedenen Standards nicht den Überblick zu verlieren, ist schwierig. Neben den etablierten Funktechnologien WLAN und Bluetooth, von denen erstere mit hohem Energieverbrauch und die zweite mit geringen Reichweiten entscheidende Nachteile aufweisen, gibt es mit Z-Wave (Devolo) und ZigBee Pro (Philips, Osram, Miele) sowie KNX drei Funkstandards, die von mehreren namhaften Herstellern verwendet werden und allesamt mit geringem Energieverbrauch punkten.
Mit EnOcean ist ein weiterer interessanter Standard verfügbar, der batterielose Produkte durch Bewegungsenergie in der unmittelbaren Umgebung mit der notwendigen Energie versorgt.
DECT ULE als Alternative
Einen anderen Weg geht der in Deutschland und Österreich stark vertretene Router-Hersteller AVM, der für seine Fritz!Boxen bekannt ist. Er bietet mittlerweile smarte Steckdosen und Heizkörperregler an, die über den ebenfalls ressourcenschonenden Standard DECT ULE betrieben werden. DECT dürfte vielen noch aus der Schnurlostelefon-Ära ein Begriff sein.
Mittlerweile wird die Funktechnologie auch für Smart-Home-Anwendungen eingesetzt. Router als Smart-Home-Zentrale Auch andere Produkte wie Überwachungskameras sowie Sensoren, die über den offenen Standard betrieben werden, können in ein Fritz!-Netzwerk integriert werden.
Apple und Google gefragt
Die Lösung für das Dilemma dürften einmal mehr große Technologiekonzerne wie Apple, Google oder Samsung bieten, die mit Plattformen, wie etwa Apple HomeKit, eine Schnittstelle für diverse Hersteller und Anwendungen anbieten. So können die smarten Philips-Hue-Leuchten, die untereinander über den ZigBee-Funkstandard kommunizieren, mittels HomeKit über jedes iPhone und iPad sowie WLAN bedient werden.
„Immer wenn ein Smartphone oder Tablet für die Steuerung von Smart-Home-Lösungen eingebunden ist, wird man um die großen Hersteller wie Apple und Google nicht herumkommen. Diese haben mittlerweile aber verstanden, dass sie offene Schnittstellen für etablierte Standards anbieten müssen, um möglichst viele Anwendungen in einer zentralen Plattform vereinen zu können“, erklärt Praus.
Sprache und Gesten
Wie das smarte Eigenheim in Zukunft bedient wird, bleibt ebenfalls spannend. Derzeit fungieren Smartphones und Tablets als Steuerzentralen. Wie Apples Siri, Amazons Alexa und der Google-Sprachassistent zeigen, wird Sprachsteuerung künftig eine wichtigere Rolle spielen. Auch die Steuerung per Gesten – etwa das Licht über Klatschen oder eine Händebewegung aus- und einzuschalten – ist bereits in Ansätzen umgesetzt.
Künftig könnte vieles auch automatisiert und mittels Benutzerprofilen ablaufen. Sensoren erkennen, wie viele Personen in einem Raum sind und welche Tätigkeiten sie durchführen und passen Licht und Raumklima an.Wenn der Bewohner das Haus verlässt, schalten sich Licht und Heizung automatisch ab, die Außenbeschattung wird heruntergefahren.
Sicherheit als Schlüssel
„Die größten Herausforderungen sind und bleiben die Sicherheit der Systeme und die Wahrung der Privatsphäre. Wo werden die Passwörter und andere sensible Daten gespeichert bzw. verarbeitet? Wie ist die Anbindung an das Internet abgesichert? Wie können Hackerangriffe auf das System erkannt und unterbunden werden? Da ist noch viel Forschungsarbeit nötig“, sagt Praus.
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