Divinity: Original Sin
Divinity: Original Sin
© Larian Studios

Divinity: Liebesbrief an Oldschool-Rollenspiele

Divinity: Liebesbrief an Oldschool-Rollenspiele

Nach der erfolgreichen Crowdsourcing-Kampagne kommt das erfolgreiche Spiel. Um die Entwicklungskosten von Divinity: Original Sin stemmen zu können, sammelte das belgischer Studio Larian über eine Million US-Dollar mittels Kickstarter und erhöhte so das Budget auf vier Millionen US-Dollar. Das Ergebnis ist eine 50-stündige Huldigung an klassische RPGs wie Baldurs Gate, Neverwinter Nights und Planscape: Torment, aufgefrischt mit neuen Elementen. Die futurezone hat Divinity: Original Sin (PC, MAC, 40 Euro) getestet.

Prequel

Wenn man bisher nichts von der Divinity-Reihe gehört oder gespielt hat, macht das gar nichts, zumal sich die Serie ständig gewandelt hat. Begonnen hat Divinity als Hack-and-Slay und wurde dann zum 3rd-Person-Action-RPG – beides Genre-Ableger, über die Fans klassischer Rollenspiele die Nase rümpfen.

Original Sin geht nicht nur mit dem Gameplay, sondern auch der Geschichte zurück zu den Wurzeln. Die Handlung spielt vor dem ersten Teil der Divinity-Serie. Zwei Quellenjäger machen sich auf, um einen Mord, der mit der bösen Quellmagie in Verbindung steht, zu untersuchen. Wenig überraschend ist dies nur der Auftakt zu einer Weltrettungs-Mission.

Ein Fall für Zwei

Schon die Charakter-Kreation ist ein Mix aus Oldschool und neuen Elementen. Anstatt einem Charakter werden gleich zwei erstellt. Neben Klasse, Geschlecht, Aussehen, Fähigkeiten und Attributen kann auch eine K.I. gewählt werden. Die zwei Charaktere unterhalten sich nämlich bei bestimmten Ereignissen im Multiple-Choice-Stil. Da der Spieler beide Charaktere steuert, spricht er mit sich selbst, wenn keine K.I. eingestellt wird, was etwas befremdlich wirkt.

Sind die zwei Charaktere am Ende der Unterhaltung verschiedener Meinung (zB. ob man einer Gilde beitreten soll), wird mit Stein-Schere-Papier der Sieger ausgeknobelt. Einige Unterhaltungen wirken sich auf Charakter-Eigenschaften aus, etwa ob das Gemüt eher romantisch, realistisch, schüchtern oder rebellisch ist.

Das gesamte Spiel kann kooperativ gespielt werden. Für die volle Coop-Erfahrung sollte man den zweiten Spieler gleich bei der Charakter-Kreation einladen, damit dieser seinen eigenen Charakter anpassen kann. Es ist ein Drop-in-Drop-out-Modus: Steigt der zweite Spieler aus, übernimmt wieder Spieler eins die Kontrolle über beide Charaktere.

Divinity: Original Sin

Kampf mit der Umgebung

Kämpfe werden klassisch rundenbasierend ausgetragen. Hier wird auch schnell klar, warum man gleich mit zwei Charakteren startet. Wer nicht kombiniert, verliert. Original Sin setzt aus eine Mischung aus Elementarfähigkeiten und Umgebungseffekten. Ein simples Beispiel: Der Magier kann per Zauberspruch eine Öllacke zu Füßen zweier Orks erscheinen lassen. Die Bogenschützin entzündet bei ihrem Zug, mit einem gezielten Brandpfeil, das Öl.

Das ist kein Einzelfall, sondern nur eine von vielen Möglichkeiten, das vom Spiel aufgestellte Regelwerk zu nutzen. So löscht Wasser brennende Flächen, leitet Strom und kann für großflächige Eiszauber benutzt werden. Wird eine Giftwolke angezündet, explodiert sie.

Beherrscht man auch noch den Teleporter-Zauberspruch wird es richtig interessant. So kann der heranstürmende Feind zu seinen zwei Kameraden ins Flussbett gebeamt werden, das danach mit einem Blitzschuss unter Strom gesetzt wird. Oder man nutzt den Schleichmodus, um unbemerkt in Reichweite einer nichtsahnenden Schurkengruppe zu kommen. Jetzt teleportiert man ein Ölfass über das Lagerfeuer und freut sich darüber vier Feinde auf einen Schlag eliminiert zu haben.

Bestimmte Gegner reagieren unterschiedlich auf die Elemente. Feuerwesen sind etwa gar nicht erfreut, wenn sie im Wasser stehen. Nutzt man den Regenzauber bei Feinden, die eine Bombe am Rücken geschnallt haben, ist die Lunte aus und die Wichte stellen keine Bedrohung mehr da. Oder man nutzt einen Feuerspruch um sie frühzeitig in einer Kettenreaktion zu sprengen. Oder man teleportiert einen Bombenträger in seine Kollegen, was ebenfalls zur Explosion führt.

Kampf gegen die Umgebung

Feuer, Strom und Gift unterschieden nicht zwischen Freund und Feind. Dies stellt man schon recht früh fest. Steht der eigene Nahkämpfer in einer Pfütze aus Blut eines verletzten Feindes, ist es keine gute Idee den Banditen mit einem Elektroschuss den Rest zu geben. Blut leitet wie Wasser Elektrizität und im schlimmsten Fall ist der Verbündete nach dem unbeabsichtigten Stromschlag nicht nur verletzt, sondern auch betäubt. Auch mit Ölfässern muss man aufpassen. Die brennbare Flüssigkeit breitet sich oft unkontrolliert aus.

Hinzu kommt, dass die Feinde über dieselben Möglichkeiten wie der Spieler verfügt. Das schließt Zaubersprüche, Tränke und Spezialpfeile mit ein. Stehen die Charaktere zu dicht beisammen, kann ein Brandpfeil gleich beide anzünden. Schießt ein zweiter Bogenschütze einen Giftpfeil nach, gibt es noch eine Explosion dazu. Ebenfalls fies: Ein Spezialpfeil schlägt den eigenen Charakter nieder. Ein böser Zauberer schießt eine Giftwolke hinterher. Hat man keinen Zauberspruch bei der Hand, der den Charakter aufweckt, bleibt der jetzt mehrere Runden im Gift liegen und stirbt langsam vor sich hin.

Durch solch geschickte Manöver wirkt es in einigen Kämpfen so, als würde man nicht gegen die K.I, sondern einen Menschen kämpfen. Andere Schlachten lassen dafür wieder das Gefühl aufkommen, als scheint die K.I. diese Kombinationen rein zufällig auszulösen. Dies ist der Fall, wenn man gegen eine Überzahl kämpft. Tritt man gegen vier Bogenschützen und zwei Magier an, wird man regelrecht gespammt mit Spezialpfeilen und Zaubersprüchen. Anfangs kann das frustrierend sein, da selbst auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad die Kämpfe unberechenbare Wendungen nehmen können.

Zurück zum Anfang

Immerhin steht man der Überzahl nicht nur zu zweit gegenüber. Zu den zwei Hauptcharakteren gesellen sich maximal zwei Begleiter. Im Moment stehen wirklich nur zwei Begleiter zur Verfügung, die eine Hintergrundgeschichte und damit auch Dialoge haben. Ein Begleiter ist ein Krieger, der andere ein Magier. Hat man selbst einen Magier und einen Bogenschützen erstellt (im Vertrauen darauf als Begleiter einen Krieger und Schurken zu bekommen), wird man es im späteren Spielverlauf unnötig schwer haben.

Auch ein Neuverteilen der Skills, um etwa einen Bogenschützen/Schurken-Hybriden zu machen, ist erst so spät im Spiel möglich, dass es nach den ersten Spielstunden sinnvoller erscheint neu anzufangen. Als Alternative zu den zwei Begleitern werden stumme Söldner angeboten. Die generischen Handlager nehmen dem Spiel allerdings etwas von der Atmosphäre weg. Larian hat angekündigt, mit einem Patch zwei weitere Begleiter nachzureichen.

Divinity: Original Sin

Spaß und sprechende Tiere

Die Spielwelt von Original Sin ist gut bevölkert und beim Umherstreifen entdeckt man immer wieder Nebenschauplätze oder kuriose Kleinigkeiten. Wie bei anderen Oldschool-RPGs darf auch eine Portion Humor nicht fehlen. Die Witze sind subtil, aber gelungen und locken hauptsächlich Kennern des Genres ein Schmunzeln hervor. Klassiker sind etwa der Blick in die Zukunft und zynische Beschreibungen einiger Gegenstände oder Fähigkeiten.

Obwohl die Dialoge textbasierend sind, wirkt die Spielewelt sehr lebendig. Das liegt daran, dass fast jeder NPC ein paar Sprüche als Sprachausgabe hat, wie etwa Begrüßungen und Verabschiedungen. Andere sprechen sogar kurze Dialoge, die man belauschen kann. Auch kann mit fast allen Personen gehandelt werden und nicht nur mit Verkäufern auf Marktplätzen.

RPG-Fans sollten einem Charakter unbedingt die Fähigkeit Tierfreund geben. Damit ist es möglich mit Tieren zu sprechen. Einige Tiere geben Quests, andere haben Tipps für den Dungeon, in dem man sich gerade befindet. Viele Gespräche mit den Vierbeinern sind zudem witzig, sodass man sich um den einen oder anderen Lacher bringt, wenn man die Fähigkeit nicht auswählt.

Divinity: Original Sin

Frust-Shoppen und Verirren

Die Rückkehr zu den Oldschool-RPGs bringt auch alte Probleme. Dazu gehören unübersichtliche Menüs, eine umständliche Organisation des Inventars, unnötig langsames Austauschen von Gegenständen zwischen den maximal vier Charakteren der Gruppe, ein unzureichend erklärtes Crafting- und Rezepte-System und ein umständliches Handelssystem. So wird das Einkaufen von Ausrüstung und Büchern (zum Erlenen von Zaubersprüchen) zum Frust-Shopping.

Nicht optimal gelöst ist das Quest-System. Prinzipiell liegt es am Spieler die Aufgabe zu lösen – Hinweise oder Hilfestellung vom Game gibt es nicht. So rennt man schon mal unnötig durch die Gegend und kommt nicht weiter, weil man etwas vergessen hat. Ein Beispiel: Man hat verdächtige Beweise bei einer Person auf der Suche nach der Leiche des Opfers gefunden. Die anderen Verdächtigen hat man schon abgeklappert, die Leiche ist dabei aber nicht aufgetaucht. Damit die Handlung weitergeht, muss man erst die Person, bei der die Beweise gefunden wurden, darauf ansprechen. Macht man das nicht, wird das nächste Ereignis nicht ausgelöst und man hängt fest.

Solche Momente gibt es immer wieder. Nach gut acht bis zehn Stunden versteht man die Denkweise der Spieleentwickler halbwegs und kann ein paar dieser Momente vermeiden. Lästig kann es werden, wenn es um Quest-Gegenstände geht. Verliert ein getöteter Feind einen Schlüssel, der zum Weiterkommen benötigt wird, an einer ungünstigen Stelle, ist es nahezu unmöglich diesen zu sehen. Die Charaktere bleiben auch stumm und sagen nicht etwa: „Wir sollten den Schlüssel mitnehmen“. Erst ein Druck auf die Alt-Taste (Anzeigen von Gegenständen) lässt den Schlüssel erscheinen. Löst ein Quest-Gegenstand einen entsprechenden Dialog mit einem NPC aus, muss der Charakter das Gespräch führen, der den Gegenstand im Inventar hat. Das sind nervende Kleinigkeiten, die Larian hoffentlich noch patchen wird.

Divinity: Original Sin

Fazit

Divinity: Original Sin ist wie ein Geschenk an Spieler, die die Nase voll von Hack-and-Slays, Free-to-play MMOs und Action-Ablegern des RPG-Genres haben. Larian hat es geschafft das klassische, rundenbasierende RPG nicht nur wiederzubeleben, sondern mit dem Umgebungs-Kampfsystem auch noch zu verbessern.

Der Coop-Modus ist eine gute Dreingabe und der mitgelieferte Editor ist fast schon ein Garant dafür, dass das Spiel jahrelang mit neuen Inhalten versorgt wird. Die oben beschriebenen Kleinigkeiten und Frustmomente sind zwar ärgerlich, den Großteil der rund 50 Stunden dauerten Hauptkampagne wird man aber genießen.

Wer bereits Erfahrung mit klassischen RPGs hat, wird sich schnell in Original Sin zurecht finden. Ist man gewillt eine etwas längere Eingewöhnungsphase hinzunehmen, können sich auch Spieler von modernen Rollenspielen, wie Dragon Age und The Witcher für Divinity: Original Sin begeistern.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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