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Marvel's Midnight Suns im Test: Extrem merkwürdig und wahnsinnig unterhaltsam

Mit dem Superhelden-Squad jagt man Hydra-Schurken und Dämonen

Es hat eine Zeit gedauert, bis es Marvel verstanden hat, wirklich gute Spiele auf den Markt zu bringen. Die Auswahl könnte inzwischen kaum abwechslungsreicher sein: Mit Guardian’s of the Galaxy gibt es ein gelungenes Adventure, das Kartenspiel Marvel Snap geht derzeit durch die Decke und Midnight Suns ist ein rundenbasierter Action-Dating-Sim-Mix. Das ist auf die gute Art merkwürdig und wurde mit dem kürzlich erschienenen Deadpool-DLC nur noch verrückter.

Dass wenig schief gehen kann, wenn man Firaxis mit einem rundenbasierten Spiel beauftragt, sollte Fans von XCOM und Civilization klar sein. Dass man mit einem Lizenzspiel aber frischen Wind in ein bekanntes Genre bringen wird, hat mich sehr überrascht. Bei Midnight Suns ist sehr viel mehr zu tun als nur zu kämpfen. Wie bei einem Dating-Sim gilt es Freundschaften zu schließen, man erkundet die Spielwelt und löst Rätsel. Das sorgt dafür, dass das Spiel sehr lange fesselt.

Unterhaltsame Geschichte

Die Story wirkt zunächst simpel, wird aber im Laufe des Spiels immer komplexer. Wir schlüpfen in die Rolle der neuen Figur „Hunter“. Spieler*innen können Aussehen und Geschlecht selbst bestimmen, ich habe mich für eine Frau entschieden. Sie wird wieder zum Leben erweckt, um gegen ihre Mutter Lilith in den Kampf zu ziehen. Diese will mit dunkler Magie den bösen Chthon aus seinem Gefängnis befreien. Um das zu verhindern, verbünden sich die Midnight Suns (darunter Blade und Ghostrider) mit den Avengers.

Immer mehr ikonische Charaktere versammeln sich im Verlauf des Spiels an Hunters Seite. Mit dabei sind Captain Marvel, Spider-Man und Captain America. Im Kampf gegen die von Lilith korrumpierten Scarlet Witch und Hulk, Venom und Sabertooth muss man sich zunehmend größeren Herausforderungen stellen.

Die Spielabschnitte sind immer in Tage aufgeteilt. Am Morgen unterhält man sich mit Kolleg*innen, erweitert das Hauptquartier um neue Gerätschaften, trainiert mit den anderen und vertieft damit die Freundschaft zu ihnen. Mit wachsendem Freundschaftslevel werden die jeweiligen Fähigkeiten der Charaktere verbessert.

Taktisch aber nicht zu komplex

Anschließend begibt man sich in den Kampf. Man kann zwischen verschiedenen Neben- und Hauptmissionen wählen. Dafür nimmt man immer 3 Figuren mit. Für jede Figur gibt es Kartendecks mit Fähigkeiten und Angriffen. Diese könne im Laufe des Spiels erweitert und verbessert werden.

Pro Runde können 3 Karten ausgespielt werden. Zudem gibt es Heldenpunkte, die für Umgebungsattacken eingesetzt werden können, bei denen man z.B. mit Steinen wirft. Daraus ergibt sich ein taktisches Gameplay, bei dem man schon mehrere Runden vorausdenken muss, um gegen schwere Gegner zu bestehen. So fordernd, dass man an seine Grenzen kommt, war das für mich aber im „normalen“ Schwierigkeitsgrad selten.

Allerdings habe ich auch viel Zeit in das Pflegen von Freundschaften und das Erkunden der Ländereien gesteckt. Während man das Hauptspiel in 35 Stunden bzw. 63 Stunden inklusive Nebenquests erledigen kann, habe ich über 90 Stunden investiert und noch nicht alles komplettiert (ich gebe zu, manchmal bin ich auch einfach nur eine Stunde herumgerannt und habe Pilze gesammelt).

Nach einer Kampfeinheit ist es Abend im Hauptquartier. Dann beteiligt man sich am geheimen Zauberkreisel, nimmt an Blades Buchclub teil oder deckt Geheimnisse auf, die neue Areale zum Erkunden freischalten. Hat man alles erledigt, legt man sich schlafen und der der nächste Tag beginnt.

Gelungene Charakterentwicklungen

Obwohl man eigentlich immer wieder die gleichen Tasks abarbeitet, verliert das Spiel nicht an Reiz. Ganz im Gegenteil ertappte ich mich im wohlbekannten „ach, eine Runde noch“-Teufelskreis, der völlig unbemerkt viele Stunden an mir vorbeirauschen lässt.

Die Figuren sind deutlich vielschichtiger und spannender als in den Filmen. So war es auch für mich überraschend, wen ich besonders sympathisch fand (Ghostrider, Magik und Spider-Man). Obwohl mir Tony Stark über weite Strecken enorm auf die Nerven ging, mochte ich auch ihn schlussendlich doch. Einzig im Endspiel waren mir die Freundschaftsbekundungen der anderen Teammitglieder ein bisschen zu übertrieben und unglaubhaft.

Der Endkampf ist sehr gelungen inszeniert. Er ruft alles an Fähigkeiten und Taktiken ab, die man zuvor gelernt hat und kann sich schon mal über eine Stunde ziehen. Je nach Schwierigkeitsgrad ist es essenziell, dass die Freundschaften das höchste Level erreicht haben und die Decks verbessert und taktisch aufgebaut haben. Dann wird das Spiel mit einem würdigen Ende abgeschlossen, auch wenn das Finale ein wenig befriedigender hätte sein können. Wie bei den Filmen verlässt man sich auf mehrere Mid- und Endcredit-Szenen, die zukünftige Inhalte anteasern.

Zum Glück gibt es DLCs!

Nach den Credits kehrt man zurück zum letzten Speicherpunkt vor dem Endkampf. Hier kann man die restlichen Missionen spielen, die Freundschaftslevel weiter erhöhen und den vor wenigen Tagen erschienen "The Good, the Bad and the Undead"-DLC beginnen. Hier stößt Deadpool zum Spiel hinzu. In der Originalversion konnte man den fantastischen Nolan North (Nathan Drake aus Uncharted) für die Stimme von Deadpool gewinnen. Er sprach den Antihelden bereits in mehreren Animationsfilmen und ist völlig zurecht ein Fanliebling.

Wenn man hört, dass mit dem DLC nur 3 neue Storymissionen hinzukommen, wirkt der zusätzliche Preis von knapp 15 Euro ein wenig überteuert. Tatsächlich sind die Missionen aber lang und unterhaltsam und Deadpool bleibt danach im Team. Die Figur ist so gelungen geschrieben und seine Kampffähigkeiten so bunt und unterhaltsam designt, dass es über die kurze Geschichte hinwegtröstet.

Allerdings muss ich erwähnen, dass ich seit dem DLC mit Bugs und Abstürzen zu kämpfen habe. Viele Spieler*innen hatten sich zuvor über Ruckeln und Glitches beschwert - das hielt sich bei mir in Grenzen. Ich hatte bis zum Schluss maximal Grafikfehler, bei denen die Texturen plötzlich bunt glitzerten. Seit dem letzten Update gab es aber mehrere Abstürze. Zudem hatte ich einen Missions-Bug, bei dem ich mit Deadpool sprechen musste, der aber nicht auffindbar war. Das lies sich nur mit einem alten Speicherpunkt und einem merkwürdigen Trick umgehen, in dem man ihn zwar zu einem Kampf mitnimmt, dort aber nie einsetzt. Hier sollte schnell nachgebessert werden.

Fazit

Ich habe eine Zeit gebraucht, um Marvel’s Midnight Suns wirklich wertzuschätzen. Zu Beginn war ich vorn der schieren Menge an Aufgaben und Möglichkeiten überfordert. Immer mehr bin ich aber in die Beziehungen zwischen den Figuren, die kurzweiligen Aufgaben und spannend gestalteten Kämpfe gekippt und konnte nicht mehr aufhören.

Firaxis ist seinem Ruf gerecht geworden, ohne seinen Erfolgstitel XCOM einfach nur zu kopieren. Stattdessen wurde das Prinzip aufgefrischt und ein durchdachtes Single-Player-Adventure geliefert. Der Einstieg ist aber nicht ganz so flüssig, wie man es sich wünschen würde. Man wird mit zahlreichen Informationen bombardiert, die zumindest ich nicht alle sofort aufnehmen konnte.

Trotzdem hatte ich viel Lust, weiterzuspielen, schon allein, weil es viel zu entdecken gab und das Spiel einfach merkwürdig ist. Es besteht ein bisschen aus Kartendecks zusammenstellen, ein bisschen aus Konversationen und Beziehung pflegen, ein bisschen aus kämpfen und zwischendurch geht man im Wald Pilze und Blumen pflücken.

Es ist eines dieser Spiele, bei denen ich sehr froh bin, dass es noch ein paar Aufgaben zu erledigen gibt und ich es noch nicht weglegen muss. Mit weiteren DLC in Aussicht, muss ich das zum Glück auch nicht. 

Marvel’s Midnight Suns ist für PC (Steam / Epic), PS5 und Xbox Series erschienen. Seit kurzem ist auch der Deadpool-DLC verfügbar.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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