Apple wird langweilig, oder?
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Vom Marketing-Standpunkt gesehen war die diesjährige Eröffnungspräsentation der Apple-Entwicklerkonferenz WWDC - freundlich gesagt - schwierig. Wurden zu selbem Anlass früher Geräte wie das iPhone 3G bis 4, ein Macbook Pro mit Retina-Display oder auch der futuristische Mac Pro vorgestellt, nahm sich Apple gestern alle Zeit der Welt, um 120 Minuten lang mehr oder weniger unverbindlich über neue Software-Features von iOS 8 und Mac OS X 10.10 Yosemite sowie Entwicklerschnittstellen zu plaudern.
Kalkulierte Enttäuschung
Dass ein neues iPhone oder iPad präsentiert wird, hatte ohnehin niemand erwartet, der Apple und seine auf das Weihnachtsquartal ausgerichtete Produktpolitik kennt. Dass Apple aber kein einziges Hardware-Schmankerl servierte und auch die beiden Smartplattformen Healthkit für Gesundheitsanwendungen sowie Homekit für Smart-Home-Apps und -Geräte mit einigen überschriftenartigen Sätzen abgespeist wurden, hat nicht nur eingefleischte Apple-Fans enttäuscht. Unmittelbar nach der wenig konkreten Healthkit-Ankündigung fiel die Apple-Aktie innerhalb weniger Minuten um 5 Dollar.
Das Spannendste an der Keynote war interessanterweise wohl das, was von der breiten Öffentlichkeit, aber auch vielen Medien als am langweiligsten empfunden wurde. Die Präsentation der neuen, bequemeren Programmiersprache "Swift" sowie die Bereitstellung vieler Schnittstellen und Entwicklerkits, die das Interagieren von Apps, aber auch den direkteren Zugriff auf Fingerprint- und Grafik-Hardware ermöglichen soll.
Was war das jetzt?
Wie schwer sich selbst die Technologie-fokussierten Medien - zumal in der Echtzeitberichterstattung - mit der Bewertung der Entwickler-Ankündigungen taten, brachte der Live-Blog der geschätzten Kollegen von Engadget auf den Punkt. "We won't get into the granular details, because, quite frankly, I'm not sure what Craig's talking about right now. Judging by the crowd's reaction, however, it seems that Swift will make developer's lives better, and consequently, that means you and I get better apps."
In Wahrheit ist es müßig, angesichts dieser Entwicklerkonferenz darüber zu sinnieren, ob Apple zu einem Langweiler-Verein geworden ist, die Innovationskraft von Steve Jobs verloren gegangen ist und Apple nun dem Untergang geweiht ist. Denn wie spannend und beeindruckend neue Apps und Services auf iOS 8 und den nächsten iPhones und iPads sein werden, und auch ob Apple mit den Gesundheits- und Smart-Home-Plattformen die richtigen Partner findet, wird man wohl erst in einem halben bis einem Jahr in den richtigen Kontext bringen können.
Apple ist mehr als Hardware
Wer die Innovationskraft Apples zudem nur auf industrie-prägende Geräte wie den iPod, das iPhone oder auch das iPad beschränkt, übersieht völlig, dass Apples Erfolg der vergangenen Jahre längst nicht nur Hardware-basiert war. Denn viel umstürzlerischer als der iPod oder das iPhone an sich war die Etablierung eines digitalen Musik- und Videostores (iTunes) sowie des nachträglich eingeführten App Stores, der die Art wie Software angeboten, verkauft und vertrieben wird, nachhaltig veränderte.
Bis heute profitiert Apple davon, dass Entwickler innovative Software und Services immer noch zuerst für iOS oder zumindest gleichzeitig mit Android bereitstellt - ungeachtet dessen, dass Android die Apple-Plattform quantitativ bereits überholt hat. Wenn man die verlangsamte Evolution von Apples iPhone, aber auch der Konkurrenz aufmerksam verfolgt - auch Samsung tut sich zunehmend schwer, bei den Präsentationen neuer Galaxy-S-Geräte zu begeistern - muss man zwangsläufig zum Schluss kommen, dass im Jahr 2014 Software die neue Hardware ist, mit der sich Hersteller von der Konkurrenz abheben können.
Der Google-Weg
Dass Apple sich bei der Entwicklerkonferenz folglich tatsächlich auf Entwicklerschnittstellen und Programmiersprachen konzentriert, ist aus diesem Blickwinkel heraus logisch und konsequent. Auch Google schlug bei der vergangenen I/O einen ähnlichen Weg ein und verzichtete auf große Produktpräsentationen. Und gerade bei Apple ist nach der Präsentation natürlich auch immer vor der Präsentation. Gadget-verliebte Techliebhaber (und Journalisten) dürfen folglich weiterhoffen, dass schon in wenigen Monaten wieder einmal ein inspirierendes Apple-Gerät auf den Markt kommen wird.
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