Young businesswoman in sunny meadow nature office relaxing behind table
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Peter Glaser: Zukunftsreich

Das neue Light-Bild: Einfach weglassen

Zuerst war es nur ein kleines Bedeutungsproblem: Manchem stieß der Begriff Müsli säuerlich auf, obwohl er die bezeichnete Speise wohlschmeckend fand. Hinter jedem Bananenscheibchen nämlich hockte ein rigoroser Ökologe und verlangte, dass man sich auch von ihm eine Scheibe abschnitt. Dann breitete sich die Hausmüllsammel- und -sortierwut aus, die viele so inbrünstig betrieben, dass dafür die Bezeichnung „Ökolozismus"eingeführt wurde - eine Zusammenziehung aus Ökologie und Katholizismus.

Damit es genug zu sortieren gab, folgte eine Inflation von Produkten, die alle Öko waren, mit jeder Menge Etikettenschwindel. Ich wundere mich noch heute, weshalb es auf Computerdesktops noch keine Mülltrennung gibt - eine Galerie von Mülleimerchen, in die jeweils Textdateien, Soundfiles, Grafikdateien, undsoweiter immer schön extra weggeworfen werden.

Die Konsumansprüche haben sich verändert, es gibt heute sozusagen ein neues Light-Bild: vermeiden statt verzichten. Ökologie ist zu einem gesamtgesellschaftlichen Tenor geworden, und das Hilfsmittel, das uns am wirkungsvollsten, am umfassendsten und am eingängigsten zeigt, wie man die materielle Welt schonen und dennoch so verschwenderisch sein kann, dass viele stöhnen, sind Computer und das Netz.

Besser, nichts tun als Mist machen

Immer mehr ganz normale Menschen finden sich unspektakulär, aber nachhaltig erfaßt von ökologischer Einsicht und den Möglichkeiten, die sich dadurch bieten. Jenseits von komplizierter Schadstoffmessung und Bilanzierung dämmert es vielen, dass die Natur stets die Stärkere sein wird. Entweder wir leben mit ihr, oder sie lebt ohne uns. Die alltagstaugliche Anpassung an die gefährdeten Ökosysteme erfordert kein simples „Zurück zur Natur", sondern eine aktive Strategie. Die klingt paradox: Handeln durch Nichthandeln. Es ist besser, auf intelligente Art nichts zu tun, als Mist zu machen. Durch Weglassen läßt sich viel bewirken, billiger ist es auch, und es fördert das Ansehen.

Inzwischen finden immer mehr Menschen Vergnügen daran, etwas zu tun, indem sie zielgerichtet nichts tun – und sich dabei noch von modernster Technik unterstützen lassen. Die jahrtausendealte Idee, die Sonne einzufangen, feiert als passive Solarenergienutzung fröhliche Urständ. Intelligente Fensterscheiben („Warmglas“), Heizungs- und Wärmerückgewinnungs-Systeme und Passivhäuser lassen herkömmliche Heizungen wie vorzeitliche Lagerfeuer erscheinen. Raffinierte Software ermöglicht die energetische Planung von Niederigenergie-Häusern kombiniert mit Solartechnik zur Warmwasserbereitung und Stromerzeugung auf ebenso sanfte wie elegante Weise.

Für ökologische Unvernunft gibt es kein technisches Allheilmittel

Intelligente, datengetriebene Fahrysteme werden die Automobilindustrie in ihrer volkswirtschaftlichen Führungsrolle ablösen. Allerdings ist auch Telekommunikation kein Allheilmittel für ökologische Unvernunft. Telearbeit muß nicht zwingend zu einem Rückgang des Straßenverkehrs führen - der Berufsverkehr aus den Innenstädten könnte sich stattdessen in die Erholungsgebiete verlagern. Neben Wind und Wasserkraft werden Licht und Sonnenwärme eine wesentliche Rolle als erneuerbare Energietechnologien spielen. Eine Welt, die ihre Energie, ihren Transportbedarf und ihre Information aus Licht bezieht, das ist doch eine verheißungsvolle Sache.

Aber bis dahin ist noch viel zu unterlassen, im Großen wie im Kleinen. Nach dem Willen des Erfinders Noppadon Tabpairi beispielsweise soll die abgasverseuchte Luft der thailändischen Hauptstadt Bangkok durch eine batteriebetriebene Gasmaske ihren Schrecken verlieren. „Um das Gerät umweltfreundlicher zu machen", schlägt Tabpairi deshalb vor, „kann man anstelle der Batterie auch eine Solarzelle verwenden.“

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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