Hand reaching for a ray of light on the sky
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© Creativa/Fotolia

Peter Glaser: Zukunftsreich

Das unglaubliche Unternehmen

Draußen passgenaues Wetter: alles war maßgeregnet. Drin versuchte mein Bekannter, sein iPhone in eine neue Hülle zu quetschen, die alt aussah. Sie war blau, dieses Taubenblau aus den Sechzigerjahren, und sah kunstvoll abgenutzt aus. Eine kleine Zeitreise zum Überziehen.

„Vielleicht sind nach dem Winter auch die iPhones dicker“, sagte ich. „Wegen der vielen Cookies.“

Mein Bekannter massierte die Umhüllung, als habe er Hoffnung, dass sie sich dadurch entspannt. Vor meinem geistigen Auge sah ich eine sich genüsslich räkelnde iPhone-Verkleidung.

„Fahr zur Hülle, Liebling“, sagte ich.

Mein Bekannter schob und zog und murrte,

„Bad Design ist kein Kurort“. Er saß da wie jemand, der ein Puzzle zusammenzusetzen versuchte, das nur aus einem Teil besteht.

„Das Frühjahr fängt ja gut an.“

„Es ist“, philosophierte ich, „wie wenn man eine Flasche nicht aufkriegt, weil man einen Falschenöffner hat.“

Vor dem Fenster rechnete es, wie der Deutsche sagt.

„Ich bin sicher, dass es ein gutes Jahr wird.“

„Was, wenn es nicht 2017 ist, sondern nur 2016s?“

„Wusstest du, dass man den Papst auf Facebook zwar teilen kann, aber nicht anstupsen?“, kam ich mit etwas Einfältigem.

„Das passt nicht.“

Ich wusste nicht, ob er den Papst oder die Hülle meinte. „Manchen passt es nie“, sagte ich deshalb diplomatisch. „Apple verkauft eine Milliarde iPhones – es ist den Nörglern zu wenig. Apple revolutioniert dies und jenes. Das wollen sie dann täglich.“

„Revolutionsfahrzeuge bitte Sicherheitsaufstand einhalten“, sagte mein Bekannter betont bürokratisch.

„Was fängt man an mit diesen Leuten, denen es nie passt?“

„Du musst ihnen etwas schenken. Du musst ihnen Glauben schenken. Diese Leute geben sich nicht einfach mit Fortschritten und Neuheiten zufrieden. Sie wollen Wunder.“

Ich hatte den Eindruck, dass mein Bekannter zugleich ein kleines Wunder für sein Ringen mit der widerspenstigen Hülle heranzuleiten versuchte. Es funktionierte nicht, aber mir wurde klar, dass Apple tatsächlich die technischen Grundlagen für moderne Wunder liefert. Da war dieser Teenager aus Tennessee, der unter seinem Wagen lag und etwas reparieren wollte, als der Pickup auf ihn drauffiel und er sich nicht mehr bewegen konnte und ihm das eingeschaltete iPhone in seiner Hosentasche einfiel. Siri! So konnte er Hilfe holen.

Es ist wie mit dem Hollywood-Produzenten, dem eine traumhafte Villa mit Swimmingpool gehörte. Er war damit noch nicht zufrieden und ließ sich einen Steg aus Plexiglas über den Pool bauen, knapp unter die Wasseroberfläche. Manchmal ging der Produzent dann zum seinem Pool und von einem Rand zum anderen, und er ging über dem Wasser. Ein Wunder. Bei Google haben sie es damit auch schon versucht. Sergey Brin hat bei einem Vortrag von einem Mann erzählt, der einen Herzinfarkt erlitten hatte und einer seiner Verwandten rettete ihm angeblich das Leben, indem er Google fragte, was zu tun sei.

„Das ist doch hirnrissig“, sagte mein Bekannter. „Wer geht denn erst ins Netz ehe er die Rettung anruft?“

„Natürlich gibt es keine Wunder“, sagte ich, „aber gerade deshalb wollen die Menschen ja Wunder berichtet bekommen.“

Ich stellte mir ein in China präzisionsgefertigtes, weltmarkttaugliches, multikonfessionelles Wunder vor. Und wenn es eine Firma gab, die eine Technologie so hinbekommen konnte, dass sie eine Plattform für Wunder sein konnte, dann Apple.

Da war diese Frau in Australien, die bemerkte, dass ihr Baby nicht mehr atmet und die Rettung rufen wollte, aber sie wusste nicht mehr, wo sie ihr iPhone hingetan hatte und rief „Siri, ruf die Rettung!“ und Siri rief die Rettung.

„Und Siri ist Supergirl“, sagte mein Bekannter nebenher. Ich hatte den Eindruck, dass er kurz davor war, die Hülle gegen die Wand zu schmeißen, aber so wie man Knödel nicht mit dem Messer schneidet, hält man die Umgebung von iPhones immer gewaltfrei.

„Ich glaube nur an Wunder, die ich selbst vollbringe“, sagte mein Bekannter.

Dann fiel ein winziger Streifen Pappe, der sich im Innenrand versteckt gehalten hatte, aus der blauen Hülle auf den Tisch und es machte leise und auf wundersame Weise Klack!, nachdem die Hülle wie ein Hoovercraft über die wasserglänzende Rückseite des iPhones geschwebt war und um das schöne Gerät herum einrastete.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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