Das Goldene Brett wird für den größten pseudowissenschaftlichen Blödsinn des Jahres vergeben
Das Goldene Brett wird für den größten pseudowissenschaftlichen Blödsinn des Jahres vergeben
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Wissenschaft & Blödsinn

Der größte Blödsinn des Jahres

Es hat mittlerweile Tradition: Bereits zum sechsten Mal wird das „Goldene Brett vorm Kopf“ vergeben. Wunderheiler und Verschwörungstheoretiker, Chemtrail-Forscher und Hellseher - über 200 Personen wurden online für den Satirepreis vorgeschlagen. Man müsste einen ganzen goldenen Wald abholzen, wenn man allen preiswürdigen Nominierten ein goldenes Brett überreichen wollte. Natürlich kann es nur einen Sieger geben, und der wird am 11. Oktober öffentlich bekanntgegeben – im Rahmen einer Show in der Wiener Urania, und diesmal auch zeitgleich bei einer Parallelveranstaltung in Hamburg.

Panik, Geistheilung und die „Nazi-Oma“

Leider nicht in die Endauswahl schaffen es die „Netzfrauen“, obwohl sie mehrfach nominiert worden waren. Der Netzfrauen-Blog ist bekannt für einen durchaus kreativen Zugang zu naturwissenschaftlichen Fakten. Ob Impfkritik oder Atomkraft, ob Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Fracking: Mit brüllendlauten Alarm-Überschriften sammelt man Klicks. Danach stellt sich zwar immer wieder heraus, dass die Welt doch noch nicht untergeht, aber bis dahin ist sicher schon das nächste Panik-Thema gefunden.

Einer meiner persönlichen Lieblingskandidaten ist Braco. Begeisterte Anhänger reisen zu seinen Veranstaltungen, im Vertrauen darauf, dass er sie von ihren Krankheiten erlösen wird. Braco kommt auf die Bühne, stellt sich auf ein Podest und blickt in die Menge - das ist alles. Er begeistert alleine durch seinen heilenden Blick. Braco verbreitet keine Theorie, er gibt keine Ratschläge, er sagt kein Wort. Und das erhebt ihn auf wohltuende Weise über alle anderen Wunderheiler, deren antiwissenschaftliches Geplapper oft kaum auszuhalten ist. Für das goldene Brett genügt das in diesem Jahr allerdings nicht.

Die älteste jemals für das Goldene Brett nominierte Person ist Ursula Haverbeck, die als „Nazi-Oma“ medial bekannt wurde. Seit Jahren gerät die Holocaust-Leugnerin immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz. Das hält sie nicht davon ab, ihre wissenschaftlich widerlegten alternativ-historischen Thesen zu verbreiten. Mit ihrer erstaunlichen Hartnäckigkeit gelang es ihr, im Alter von 87 Jahren zu einer Haftstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt zu werden. Ein dickes Brett vor dem Kopf dürfte die Dame auf jeden Fall haben – auf die Shortlist für das Goldene Brett 2016 hat sie es allerdings trotzdem nicht geschafft.

Unberücksichtigt mussten auch viele andere Nominierungen bleiben – etwa die Flat Earth Society, die sich mit der Kugelgestalt der Erde mehr als zweitausend Jahre nach Eratosthenes noch immer nicht anfreunden kann, oder die Gesundheitsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens, die sich mit merkwürdigen Argumenten für Alternativmedizin stark macht.

Die Finalisten

Die große Ehre, in die Endauswahl für das Goldene Brett 2016 gekommen zu sein, teilen sich drei Nominierte, die in letzter Zeit schon oft in den Medien vorgekommen sind: Roland Düringer, Ryke Geerd Hamer und das Krebszentrum Brüggen-Bracht haben es in die engere Auswahl geschafft – aus sehr unterschiedlichen Gründen.

Roland Düringer wirkt auf den ersten Blick nicht unbedingt wie der typische Kandidat für das Goldene Brett: Er verspricht keine Wunderheilungen, er verkauft keine esoterischen Zaubergeräte, er kommuniziert nicht mit Außerirdischen. In Fernsehsendungen und Videoblogs präsentiert er sich gerne als Wutbürger und Anti-Establishment-Guru, dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Bedenklich wird es aber, wenn er dabei seltsame Verschwörungstheorien verbreitet – Impfungen könnten gefährlich sein, der Pharmaindustrie sei nicht zu trauen, und die Sache mit den Chemtrails sei auch irgendwie dubios. Esoteriker wie Rüdiger Dahlke werden in seiner Fernsehshow unkritisch als ernstzunehmende Querdenker präsentiert. Düringer begann als Kabarettist, nun ist es vielleicht Zeit, ihn selbst zum Thema von Satire zu machen. Ein Satire-Preis für einen Satiriker – das wäre doch eigentlich mal originell.

Aus einem ganz anderen Bereich der Schwurbelei kommen die beiden anderen Finalisten: An Ryke Geerd Hamer ist leider überhaupt nichts lustig. Hamer ist ehemaliger Arzt, irgendwann ist er auf die dunkle Seite übergelaufen und hat sich die „Germanische Neue Medizin“ ausgedacht. Krebs hält er für ein seelisches Problem, wissenschaftliche Behandlungsmethoden wie Chemotherapie oder die chirurgische Entfernung von Tumoren lehnt er ab. Es gab immer wieder Todesfälle, weil Krebspatienten gemäß Hamers Theorie eine echte Behandlung ablehnten. Auch Nominierung Nummer drei hat mit alternativer Krebstherapie zu tun: Das Krebszentrum Brüggen-Bracht, gegen das momentan ermittelt wird, auch dort wurden wissenschaftlich fragwürdige Tumorbehandlungen angeboten.

Bereits bekannt ist, wer diesmal das „Goldene Brett fürs Lebenswerk“ erhält: Dieser Preis geht an das Zentrum der Gesundheit, eine online-Informationsplattform, die zwischen fröhlichen Kochrezepten und Ernährungstipps auch Pseudomedizin verbreitet.

Wozu das alles?

Kann man Leute umstimmen, indem man ihnen einen Satirepreis verleiht? Nein, sicher nicht. Darum geht es auch nicht. Genauso wenig geht es beim „Goldenen Brett“ darum, jemanden an den Pranger zu stellen. Aber wer die Tatsachen verbiegt muss sich auch gefallen lassen, wenn seine Verbiegungen von anderen Leuten öffentlich thematisiert werden. In allererster Linie ist die Verleihung des Goldenen Bretts ein Fest des kritischen Denkens, eine Party des Verstandes, eine Veranstaltung für Leute, die sich das ganze Jahr über den allgegenwärtigen unwissenschaftlichen Unfug ärgern. Sich immer nur darüber aufzuregen ist ungesund. Manchmal ist es ganz gut, die Dinge etwas entspannter und heiterer zu sehen – ein Satirepreis ist die optimale Gelegenheit dazu.

"Das Goldene Brett – die Verleihung" findet am 11. Oktober um 20:00 in der Wiener Urania, bzw. im Uebel&Gefährlich in Hamburg statt.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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