Peter Glaser: Zukunftsreich

Götterdämmerung der Computerindustrie?

Steve Jobs ist ein großer Mann, und wie viele andere wünsche ich ihm nun nach seinem Rückzug alles Gute. Die Firma Apple - ein Unternehmen mit mehr als 46.000 Mitarbeitern - wird deshalb nicht zu funktionieren aufhören, und schon gar nicht zu glänzen. Auch das gehört zu dem Verdienst von Jobs. Er hat etwas auf den Weg gebracht, das weit über ihn hinausreicht. Zwar steht Apple wirtschaftlich brillant da, dennoch erfasste ein Hauch von Sinnkrise die globale Gefolgschaft. Was weiter? Wird Apple etwa ein ganz normales erfolgreiches Unternehmen? Wird die Computerei jetzt langweilig? Erleben wir eine Götterdämmerung der Computerindustrie? - Ja und Nein.

Steve Jobs, wie Bill Gates einer der Superstars aus dem Morgenrot der PC-Ära, hat das von ihm geführte Unternehmen lange Zeit so sehr auf seine Person ausgerichtet, dass man sich manchmal schon an Berthold Brecht erinnert fühlte, der schrieb: „Cäsar schlug die Gallier - hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?" Und das vermeintliche Ringen Bill Gates gegen Steve Jobs vulgo Microsoft gegen Apple hätte sich Shakespeare nicht besser ausdenken können. Auf der einen Seite ein knallharter Programmierer, der damit so reich geworden ist, dass er dem Sultan von Brunei zum Geburtstag die Schweiz schenken könnte - Bill Gates. Auf der anderen Seite Steve Jobs, der Innovator von technologischer Eleganz. Diese Art des scheinbaren Kampfs hat viel mit unserer Freude an vereinfachten Welten zu tun, aber wenig mit der Realität - ein Unternehmen wie Microsoft lässt sich ebensowenig auf eine Person reduzieren wie Apple.

Es ist nicht der erste Generationswechsel in der IT
Stars aber brauchen wir immer noch – auch in der Computerwelt. Sie verkörpern Images und Gefühlsbotschaften und machen die immer ununterscheidbarere Technik für uns unterscheidbar. Ihr individueller Einfluss tritt aber immer mehr hinter die Technologie zurück, die sie auf den Weg gebracht haben. Es ist nicht der erste Generationswechsel, den die Informationstechnologie erlebt. 1961 bekam das Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen PDP-1-Rechner und der MIT-Modelleisenbahnbastlerclub machte ihn zu seinem Lieblingsspielzeug. Mit eleganten Programmierwerkzeugen, einem eigenen Slang, einer ganzen Kultur wurde die Maschine umgeben. Es war die Zeit der "Echten Programmierer", der Ur-Hacker.

Von Männern wie Joseph Weizenbaum oder Seymour Cray, dem späteren Vater der Supercomputer. Die Legende erzählt, Cray habe einmal ein von ihm entwickeltes Betriebssystem im Oktalsystem per Kippschalter fehlerlos in den Rechner eingegeben. Steve Russel programmierte auf der PDP-1 “Spacewar”, das erste Computerspiel. Große Hacks. Die jungen Leute, die in den siebziger Jahren nachfolgten – Steve Jobs war einer von ihnen –, galten den "Echten Programmierern" bereits als verweichlichte Müslifresser. Die Grünschnäbel benutzten kleine, persönliche Computer und erfanden eine fahrbare Hilfetaste namens Maus.

Selbstverständliche Maschinen
Computer sind unspektakulär geworden. Sie sehen inzwischen aus wie Mobiltelefone oder wie Winzgeräte, mit denen man Musik hört (danke, Steve). Längst wächst eine Generation heran, für die diese Maschinen ganz selbstverständlich sind. Aber auch die Altnutzer sehen, dass sich ihre technischen Träume realisiert haben, oft schneller und großartiger als sie es sich hätten vorstellen können. Leistungsfähige Rechner zeigen Spiele in einer Qualität, die vor ein paar Jahren noch Militärsimulatoren vorbehalten waren.

Auf schlanken Macbooks liegen Spielfilme und Musikbibliotheken. Und mit dem Internet hat eine friedliche Revolution in den zurückliegenden 20 Jahren die ganze Welt auf erstaunlich tiefgreifende und vielfältige Weise verändert - und tut es immer noch. Allerdings werden große Innovationen spärlicher. Nun geht es in die Details. Die Welt der IT wird kleinteiliger und komplexer, aber auch die Instrumente zum Umgang mit Komplexitäten werden immer besser.

Ständig vom Neuen fasziniert zu sein, ist nicht möglich
Die Aufregung, mit der die neue Ära begonnen hatte, ist verklungen. Rechner stürzen immer noch ab, aber wir haben uns daran gewöhnt, wie an digitale Schlechtwetterlagen. Nach wie vor folgt die Hardware brav dem Mooreschen Gesetz und wird kleiner, schneller, billiger, smarter. Manches Gadget ist inzwischen so winzig, dass man Angst haben muss, es versehentlich einzuatmen. Aber ständig vom Neuen fasziniert zu sein, ist nicht möglich. Erstaunlichkeit ist keine Qualität, sondern immer nur ein Augenblick der Verwandlung. Das Neue erhebt sich für ein paar Momente aus der langweiligen Unendlichkeit des Beständigen, dann verschwindet es wieder oder es wird alltäglich.

Viele der Pioniere haben sich im Übrigen nicht zur Ruhe gesetzt, sie stehen bloß nicht mehr im Rampenlicht. Während die Maschinen und der Umgang mit dem Netz sich immer standardisierter und ähnlicher anfühlen - was ja sein Gutes hat - gehen die Menschen, die der technologischen Entwicklung wichtige Impulse gegeben haben, ihre persönlichen Wege.

Tom Jennings, der 1984 mit FidoNet das erste weltweite Amateur-Computernetzwerk ins Leben gerufen hatte, übernahm in den Neunziger-Jahren den Internet-Provider „The Little Garden” in San Francisco und arbeitet heute in einem Programm für Kunst und Informatik der Universität von Kalifornien. Steward Brand, der 1985 in San Francisco „The Well” ans Netz brachte, den Prototypen aller Online-Communities, kümmert sich heute um das Global Business Network - eine Art Müttergenesungswerk für verdiente Digerati - und die „Long Now Foundation“, die eine Uhr bauen will, die einmal im Jahr tickt und 10.000 Jahre lang läuft. Marc Andreessen, von dem der erste grafische Browser stammt, hat das Meta-Social Network Ning mit angeschoben. Und Louis Rossetto, der gemeinsam mit Jane Metcalf und dem MIT-Vordenker Nicholas Negroponte 1993 das Magazin „Wired” aus der Taufe gehoben und zum Zentralorgan der digitalen Kultur gemacht hatte, verkaufte das Blatt 1998 - und gründete eine Schokoladefirma.

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass Steve Jobs sich jetzt ausschließlicher mit Menschen befassen möchte und weniger mit Maschinen, auch wenn sie noch so schön sind.

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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