Selbstversuch: Der Fitnesstracker und ich
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Vor 30 Jahren bin ich um zwei Uhr morgens über die Mauer des Wiener Augartens geklettert, um im Kinderfreibad mit Freunden Bier zu trinken und zu baden. Heute klettere ich um sechs Uhr morgens über die Mauer des Parks, um zu laufen. Warum ich das mache? Weil der Augarten erst um 6:30 Uhr öffnet, und weil ich es kann. Besser gesagt, weil ich wissen wollte, ob ich es noch kann. Denn mein letzter Versuch, den Augarten laufend zu umrunden, endete vor etwas mehr als einem Jahrzehnt im Desaster. Ich gab auf halber Strecke auf und musste mich den Rest des Tages auf dem Sofa erholen.
Das Ziel
Diesmal war es anders. Ich begann langsam, wurde noch langsamer, erreichte aber das Ziel. Etwas mehr als 2,2 Kilometer, sagt die Parkverwaltung, misst eine Runde in dem Wiener Park. Gefühlt sind es fünf Kilometer, mein Fitnesstracker sagt 3,1 Kilometer. Womit wir bei einem weiteren Grund für meinen sportlichen Ehrgeiz sind. Ich wollte verstehen, worin der Reiz besteht, seine Aktivitätsdaten zu sammeln und – in besonders würdelosen Fällen – auch über Twitter oder Facebook zu verbreiten.
Das Gadget
Damit wollte ich nichts zu tun haben. Ich entschied mich schließlich für die Withings Go. Die kostet nur etwas mehr als 50 Euro, hat ein sympathisch altmodisches E-Ink-Display und kann am Schlüsselbund in der Hosentasche ebenso getragen werden wie am Handgelenk. Man legt ein Schritt-, Schlaf- und Gewichtsziel fest und lässt sich dann von dem Gerät unauffällig beobachten. Auf dem Display wird jeder Schritt vermerkt, ist das Tagesziel – in meinem Fall 10.000 Schritte – erreicht, schließt sich ein Kreis auf dem Bildschirm, ein neuer tut sich auf. Ein Mal in der Woche schickt mir die Go ein E-Mail, in dem sie mich über meine Aktivitäten informiert und macht mir Komplimente („Sie scheinen das Ziel, immer aktiv zu werden, gut zu meistern.“) oder ruft mir aufmunternd zu: „Beharrlichkeit ist der Schlüssel zum Erfolg.“ Wenn es einmal nicht so gut läuft, heißt es: „Nicht aufgeben!“
Die Bilanz
Meine Bilanz kann sich sehen lassen. Ich legte bis zu 75 Kilometer oder 90.000 Schritte pro Woche zurück und verlor in knapp eineinhalb Monaten fünf Kilogramm an Gewicht. Nach dem Laufen ertappte ich mich öfters dabei, wie ich erschöpft, aber glücklich auf meine Fitnessdaten starrte. Während die Gewichtskurve nach unten zeigte, schossen die Aktivitätsbalken nach oben. Ich machte offenbar alles richtig und dachte darüber nach, wie sich auch meine tägliche Fahrradfahrt zur Arbeit in Aktivitätsdaten übersetzen ließe. Die Withings Go ist dazu nämlich nicht in der Lage, denn sie registriert zwar Schwimmbewegungen, Radfahren nimmt sie aber nicht wahr. Sollte ich mir vielleicht doch eine Apple Watch kaufen?
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