© Max Vozicky

Meinung

Unsinn soll man nicht verbieten

Warum ist dieser Unsinn eigentlich erlaubt? Astrologen erstellen Horoskope, Flacherdler-Vereine behaupten, die Erde sei eine Scheibe, und Verschwörungstheoretiker reden den Leuten Angst vor Reptilien-Aliens ein. Sollte man das nicht einfach alles verbieten? Lasst uns doch ein Anti-Dummheits-Gesetz beschließen, und der Ärger ist vorbei!

Nein, das wäre völlig falsch. In einer freien, offenen Gesellschaft ist nun einmal nicht alles verboten, was schlecht ist, und es ist nicht alles gut, was erlaubt ist. Selbst wenn wir etwas aus wohldurchdachten Gründen für unsinnig, gefährlich und schädlich halten, sollten wir nicht gleich ein Verbot fordern. Freie Menschen haben auch das Recht, Unrecht zu haben.

Der Verbots-Reflex

Jeden Tag ärgern wir uns über irgendetwas. Die einen ärgern sich über Esoterikmessen, bei denen gutgläubigen Menschen Geld für magische Heilungs-Quanten abgeknöpft wird, die anderen ärgern sich über zu viel Gewalt im Fernsehprogramm. Die einen finden es schlimm, in der U-Bahn von Kebab-Gerüchen belästigt zu werden, die anderen fühlen sich durch Wörter provoziert, die sie für politisch inkorrekt halten.

Wenn sich der Ärger immer tiefer durch unser Hirn bohrt, dann kommt uns rasch die Idee, Gesetze, Vorschriften und Verbote zu fordern. Diesen Verbots-Reflex müssen wir zügeln – alleine schon deshalb, weil sich nicht immer genau sagen lässt, ob wir tatsächlich richtig liegen. Oft haben wir sehr ausgeprägte Meinungen über Fragen, die mit Stil, Gewohnheit und persönlichem Geschmack zu tun haben, und über die man genauso gut auch anderer Ansicht sein kann.

Aber was ist mit den Fragen, die sich klar und eindeutig mit wissenschaftlicher Präzision beantworten lassen? An der Wirkungslosigkeit von Homöopathie gibt es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Zweifel mehr. Sollen wir sie verbieten? Wünschelrutengeher verdienen Geld mit dem Aufspüren von Erdstrahlen, die gar nicht existieren. Sollte man sie dafür bestrafen? Einseitige Ernährung ist eindeutig schlecht für die Gesundheit. Sollen wir eine jährliche Maximaldosis für Fast Food festlegen?

Schlecht, aber nicht verboten

Nein. Eine Gesellschaft, in der nur das Gute, Schöne und Wahre erlaubt ist, wäre unerträglich. Wir brauchen den breiten Graubereich zwischen dem Korrekten und dem Illegalen. In einer freien, offenen Gesellschaft muss es notwendigerweise Dinge geben, die wir zwar falsch, unmoralisch oder dumm finden, die aber trotzdem nicht verboten werden.

Natürlich wäre ein Zusammenleben ganz ohne Verbote unmöglich. Aber in einem freien Land muss zunächst grundsätzlich alles erlaubt sein, solange nicht starke Argumente dagegen sprechen. Verbote sind erst das allerletzte Mittel, mit dem man sehr sparsam umgehen soll. Die rote Linie zwischen legal und illegal dürfen wir nicht dort ziehen, wo wir die Grenze zwischen gut und weniger gut vermuten. Verbote darf es erst an der Grenze zwischen schlecht und inakzeptabel geben.

Die meisten Fragen des täglichen Lebens klären wir nicht durch Verbote, sondern durch Rücksichtnahme. Das kann bedeuten, auf Dinge zu verzichten, die andere Leute aufregen. Es kann auch bedeuten, sich weniger über Dinge aufzuregen, auf die andere Leute nicht verzichten wollen.

Erlaubt, aber trotzdem schlecht

Umgekehrt betrachtet bedeutet das natürlich auch, dass nicht alles gut, schön und richtig ist, was vom Gesetz erlaubt wird. Das beliebte Argument „reg dich nicht auf, ich mache nichts Verbotenes!“ zählt nicht. Wenn jemand einen geschmacklosen Witz über Minderheiten erzählt, wird er deshalb nicht strafrechtlich belangt, aber man sollte ihm klarmachen, dass er ein Idiot ist. Wenn jemand Kristall-Amulette zum Aufladen der Chakren-Energie verkaufen will, dann verstößt er gegen kein Gesetz, aber man sollte entschieden darauf hinweisen, dass seine Behauptungen naturwissenschaftlich völlig unhaltbar sind.  Wenn jemand in exotischen Inselstaaten kreative Finanzkonstruktionen errichtet, um sein Geld an der Steuer vorbeizuschwindeln, dann mag das legal sein, aber sein Verhalten ist trotzdem unmoralisch und schädlich.

Zwischen dem Verbotenen und dem Erstrebenswerten liegt ein weites Feld, in dem wir uns gemeinsam zurechtfinden müssen, mit Toleranz, Feingefühl und Moral. Das ist manchmal anstrengend, aber es ist zweifellos besser, als in einem totalitären Vorschriftsstaat zu leben, in dem das Leben durch religiöse oder gesetzliche Regelwerke detailliert vorgegeben ist.

Um richtig zu handeln brauchen wir mehr als Gesetze, Vorschriften und Verbote. Wir müssen unseren rationalen Verstand, unsere menschliche Erfahrung und unser moralisches Feingefühl einsetzen. Und das ist gut so.

Der Autor

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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