© Florian Kondert

Live aus Sunnyvale

Valley Blog: Zeitverschiebung

Superkurz und Superprominent
Das Präsentationsfeuerwerk, bei der „EcoSummit Lounge" Abendveranstaltung letzte Woche, habe ich für mich vorzeitig noch vor der großen 13-fachen Präsentationsalve abgebrochen. Denn man lernt hier seine Aufnahmefähigkeit zu strapazieren, aber eben doch nicht bis in alle Ewigkeit. Es gilt Fitness zu behalten, schließlich steht bei mir diese Woche neben dem Alltag auch die FallEXPO auf dem Plan. Mein 3-Minuten-Pitch ist nun fertig. Nach gefühlten 1000 ColdRuns flaniere ich nun galant zwischen 2:35 und 2:45 Minuten durch die Powerpoint-Folien. Mein persönlicher BRM (Business Relationship Manager) im Plug and Play Tech Center nickt bei der Generalprobe zufrieden und lässt mich gönnerhaft wissen „Good stuff, you`re ready to go!". Er ist gar der Meinung, dass ich mich mit meinem Auftritt locker bei der Techcrunch DISRUPT hätte sehen lassen können – als eine der guten Präsentationen, versteht sich.

Ich treffe mittags auf der Dachterrasse des Plug and Play Tech Center noch weitere 3-Minuten-Experten, die wie ich der Expo entgegenfiebern - mit kritisch hoher Temperatur. Folien werden hin und her geschoben, Texte auswendig gelernt und heiß diskutiert, wie nun welcher rhetorische Schliff an welcher Stelle am besten passt. Richtig lustig wird das, wenn man sich dazu noch vorstellt, dass die Diskutanten aus Luxemburg, Spanien und Japan kommen. Ein bisschen erinnert mich das an die Atmosphäre in den Schulgängen, kurz bevor eine wichtige Klassenarbeit beginnt.

Ich erhalte am Tag vor der FallEXPO vom BRM eine Email, worin ich freundlich mit vier Vertretern des Unternehmens NTT bekannt gemacht werde, verbunden mit dem Vorschlag, man möge sich doch morgen auf der FallEXPO persönlich treffen um gemeinsame Interessen zu diskutieren. Ich replye mit einem feundlichen "natürlich" und befrage erst mal Google, wer NTT ist – man kann ja nicht alles wissen. Meine linke Augenbraue zuckt bewundernd nach oben, denn NTT ist die Nr. 29 der Fortune Global 500 Unternehmen. Mein Interesse jedenfalls ist geweckt. Zeit, sich die Teilnehmerliste näher anzusehen (leider nur mit Name und Firma). Und prompt zuckt meine rechte Augenbraue hinterher... über 570 Personen haben sich mittlerweile angemeldet. Die FallEXPO scheint also wirklich ein besonderer Event zu sein, denn einige wohlbekannte Firmennamen lächeln mir entgegen. IBM, Samsung, Google, BMW, Ebay, Intel, Evernote, SAP und viele weitere geben sich am Donnerstag die Ehre, meist in mehrfacher Besetzung. Apple fehlt entweder oder lässt sich nur (wie meist) inkognito blicken.

Schnell, hektisch und trotzdem unverbindlich
Nach tendenziell nicht mehr vorhandener Hoffnung auf Erfolg und meinem letzten Versuch via Email meldet sich in der Zwischenzeit auch einer meiner wichtigsten neu gewonnenen Kontakte wieder: „Sorry for the delayed response. It`s been a bit hectic on our side.". Macht nix. Hier habe ich gelernt, dass man geduldig sein, aber dann auch schnell bereit sein muss. Ich schmeiße meinen Tagesplan über den Haufen und setze ein Meeting an. Was tut man nicht alles, um den Fuß ein Stückchen weiter in die Türe zu schieben. Zeit hat mein Kontakt nicht viel, nachdem der Termin 15 Minuten zu spät beginnt und früher endet. In den bleibenden 15 Minuten werden also rasch „Details" besprochen, wie wir möglichst schnell einen PoC (Proof of Concept) hin bekommen. Und nein, für die Vorbereitung bekommen wir ausser den besprochenen Punkten keine weiteren Auskünfte von der Firma mit 200.000 Angestellten, denn es werden keine Ressourcen für die Evaluation neuer Ansätze zur Verfügung gestellt. Ah ha.

Von Küken, Nachteulen und frühen Vögeln
Ich habe hier vor einigen Tagen einen Informatikprofessor der Fachhochschule Luzern getroffen, der einen Gastaufenthalt an der Santa Clara University in San José arrangiert hat und mit 20 seiner Studenten 6 Wochen lang das Silicon Valley erkundet. Mich beeindruckt die Vorstellung, bereits als Fünftsemester diese Welt kennenlernen zu können. In ihrer Zeit im Valley arbeiten die angehenden Wirtschaftsinformatiker intensiv an acht verschiedenen Projekten, quasi als Simulation eines Kurzzeit-Startups. Und wenn sie das nicht tun, besuchen sie mich im Büro und andere "sehenswerte" Orte. Ich treffe jenen Professor abends in San José Downtown (mein erster Abend-Ausflug dorthin) wieder, wir lassen uns das Weißbier schmecken (ja, richtig gehört) und betreiben gepflegte Konversation. Kurzentschlossen lädt er mich zu einem Gastreferat ein, um den aufflammenden Valley-Enthusiasmus seiner Studis mit meinen eigenen Erfahrungen in Kontrast zu setzen. Ich bin selbst auf mein Referat gespannt, vielleicht sollten sie einfach diesen Blog lesen. Oder aber sie sollten einen Blick auf das Founder Institute werfen. Ich war im Rahmen meiner Vorbereitungen für die Expo am Montag Abend auf einem Pitch-Workshop desselben in Palo Alto und bin zwar müde, aber begeistert nach hause gekommen. Bislang habe ich noch nirgends so eine ansteckende Atmosphäre, gepaart mit so sinnvollen Tipps, erlebt. Ganz zu schweigen von dem Erlebnis, Stuhl neben Stuhl inmitten von 20 parallelen Kurzpräsentationen zu stecken – mit 8facher Wiederholung jeweils einen Stuhl weiter. Klingt komisch und ist es auch.

Derart animiert habe ich für Mittwoch den Wecker auf halb sechs gestellt. Fast pünktlich bin ich dann auch auf dem Weg ins Plug and Play Tech Center gewesen, denn dort fand ab 7 Uhr morgens das regelmäßige Toastmasters-Treffen statt. Eine weitere Option, an meinen US-kompatiblen Präsentationsfähigkeiten zu schleifen, wenn auch zu ungewohnter Stunde. Das allein schien mir schon ein vielversprechendes Happening. Am besten beschreibe ich dieses (hoffentlich) einmalige Erlebnis am besten so: Manchmal lohnt sich früh aufstehen doch nicht.

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Florian Kondert, COO beim heimischen Softwareunternehmen Semantic Web Company, bloggt drei Monate lang für die futurezone aus dem Silicon Valley. Einmal pro Woche gibt es News darüber, was man als Jungunternehmer dort lernt, wie das Valley tickt und welche Chancen österreichische Start-ups in der Welt von Google, Apple und Co. haben.

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