"Das Internet in Afghanistan kam mit dem Smartphone"
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Mein Name ist Hamed Reza Qarizada, ich bin 30 Jahre alt und komme aus Kabul, Afghanistan. Ich bin seit 2014 in Österreich und ich besitze hier den Asylstatus auf Grund politischer Verfolgung. Ich bin nach Österreich gekommen um ein besseres Leben zu führen und eine gute Zukunft zu haben. Meine Muttersprache ist Farsi, ich spreche aber auch Deutsch, Englisch, Paschto, Urdu und ein bisschen Französisch.
Nach der High School habe ich begonnen zu arbeiten. Ich war bei einer Baufirma angestellt, danach Beamter beim Kulturministerium und habe dann als Journalist in einer Presseagentur gearbeitet. Nebenbei habe ich das Studium der Kunstgeschichte auf der Kabul Universität abgeschlossen.
Journalistische Tätigkeit
Die Presseagentur, bei der ich in Kabul drei Jahre lang gearbeitet hatte, war ein privates Unternehmen. Wir waren also unabhängig von der Regierung. Ich habe dort über Soziales, Kunst und Kultur, Literatur, Politik und Sport berichtet. Jede Meldung wurde in den Sprachen Englisch, Farsi, und Paschto verfasst. Meine Arbeit als Journalist hatte eine große Bedeutung für mich. Freedom of Speech bedeutet mir viel, deshalb habe ich die Verantwortung als Journalist sehr ernst genommen.
Leider kann ich meine Tätigkeit als Journalist in Österreich nun nicht mehr ausüben, da mir die nötigen Sprachkenntnisse fehlen. Trotzdem verfolge ich natürlich noch immer den politischen Diskurs in Afghanistan. Deshalb sind das Internet und moderne Technologien sehr wichtig für mich.
Technologie und Internet in Afghanistan
Unter der Herrschaft der Taliban waren Internet und die meisten modernen Technologien verboten. 2002 begann dann die Verbreitung von PCs mit Internetanschluss, jedoch hauptsächlich in den großen Städten. Damals hatten nur Büros Computer, weil sich die meisten Menschen keinen PC leisten konnten. Der Durchbruch des Internets in Afghanistan kam dann etwa 2012 mit den Smartphones. Heutzutage ist die junge Generation viel mit dem Smartphone im Internet, hauptsächlich junge Menschen aus der Mittel- und Oberschicht.
Sie verwenden es vor allem für Social Media, Facebook, WhatsApp oder YouTube. Manche lesen auch Onlinenachrichten. Nur wenige Menschen haben Internet über Kabel zu Hause, die meisten gehen in Internetcafes oder verwenden ihre Smartphones. Ich schätze, dass 25 Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet haben. Durch das Internet können Informationen leichter verbreitet werden und die Menschen kommunizieren nun anders.
Die meisten Afghanen verwenden Samsung-Handys, ich vermute 80 Prozent aller Smartphones sind von Samsung. Die Preise liegen im Durchschnitt zwischen 300 und 500 Euro. Internet wird über 3G übertragen, 4G gibt es noch nicht in Afghanistan. Es ist meiner Meinung nach genauso schnell wie in Österreich und auch in den ländlichen Regionen verbreitet. Für etwa zwanzig US-Dollar bekommt man drei Gigabyte mobiles Datenvolumen. Für eine Minute telefonieren zahlt man etwa 10 Eurocent.
Medien in Afghanistan
Für mich ist die Information der Menschen die wichtigste Aufgabe der Medien, also das Aussprechen der Meinung des Volkes und dass die Infos nicht zensiert werden. Prinzipiell gilt in Afghanistan Meinungsfreiheit und Pressefreiheit, der Journalismus ist aber auch in Gefahr. Taliban oder andere Gruppen bedrohen Reporter. Afghanistan liegt deswegen nur auf Platz 124 des Pressefreiheit-Index von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Leider gibt es immer wieder Attacken auf Journalisten.
Im Iran gibt es starke Zensur der Medien, das gibt es in Afghanistan nicht. Hier geht die Einschränkung der Medien von der Bedrohung der Journalisten aus. Der Staat unterstützt auch einige Medien, in diesen wird aber nie von schlechter Politik oder Korruption zu hören sein. In Afghanistan gibt es trotzdem eine sehr breite Medienlandschaft. Unter dem Taliban-Regime hat es nur wenige Zeitungen gegeben, einen einzigen Radiosender „Radio Sharia“ und kein Fernsehen. Im Vergleich zu Onlinemedien lesen mehr Menschen gedruckte Zeitung. Hauptsächlich in den großen Städten. Die Zeitungen berichten über Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport und vieles mehr. Die meisten sind gratis.
Wir haben mehrere hundert Radiosender in verschiedenen Sprachen, Farsi/Dari, Paschto, Uzbaki und Englisch. Es wird vor allem in den großen Städten viel Radio gemacht. Radio ist sehr wichtig für die Menschen, weil es am Land oft Probleme mit dem Strom gibt. Dann kann man mit Batterien Radio hören. Viele Afghanen können nicht lesen oder schreiben und sind nicht gebildet, Radio ist leicht zu verstehen und gibt den Menschen Informationen in ihrer Sprache. Die Sender spielen viel Musik und nur die wichtigsten Nachrichten. Fernsehen ist meiner Meinung nach besser, die TV-Sender berichten mehr über die Probleme im Land. Es gibt über 50 Fernsehsender in den verschiedenen Regionen des Landes. Aber nur die Reichen können sich einen Fernseher leisten, die Armen brauchen deswegen das Radio.
Technologie in meinem Leben
Das Internet und vor allem mein Smartphone sind ein bedeutender Teil meines Lebens, weil damit die Kommunikation erleichtert wird. Über Social Media wie Facebook oder WhatsApp kann ich in Kontakt mit meiner Familie und meinen Freunden auf der ganzen Welt bleiben. Facebook ermöglicht es, anderen meine private Meinung zu sagen und an Diskussionen teilzunehmen. Man kann auch Kritik über die Politik loswerden und gibt seiner Stimme Kraft. Viele Informationen und Material zu allen Themen können über das Internet erlangt werden.
WhatsApp ist sehr wichtig für mich, weil ich schnell kurze Nachrichten an meine Freunde und Familie schicken kann. Man kann auch gratis telefonieren, normal zu telefonieren ist mir zu teuer, erst recht ins Ausland. Wörterbuch-Apps haben eine große Bedeutung in meinem Alltag. Wenn ich auf der Straße oder in einem Text etwas lese, was ich nicht verstehe, verwende ich das Wörterbuch auf meinem Smartphone. Einzelne Wörter lassen sich damit schnell nachschlagen. Bei längeren Phrasen oder ganzen Sätzen benutze ich Google-Übersetzer. Meistens übersetze ich deutsche Texte ins Englische, denn mit Farsi funktioniert es nicht gut. Hin und wieder lasse ich meine eigenen Sätze, zum Beispiel aus E-Mails, auf Englisch übersetzen, um zu kontrollieren, ob alles stimmt.
Goople Maps und Qando
Mit Google Maps kann ich leicht nachschauen, wo etwas ist. Oft höre ich den Namen einer Straße oder Gasse in einem Gespräch, ich weiß aber nicht wo sie sich befindet. Mit der App finde ich schnell den richtigen Bezirk oder Ort. Apps wie Scotty und Qando helfen mir, den Fahrplan von Bus und Bahn zu checken. Auf meinem Smartphone lese ich oft BBC Online, Euronews oder Deutsche Welle. Diese Nachrichtenseiten bieten auch Artikel auf Farsi an. Auch Fernsehen kann ich im Internet, zum Beispiel Euronews oder afghanische Sender.
Ich habe auch einen Laptop. Den verwende ich zum Verfassen von längeren Texten und für die zugehörige Recherche. Mit dem Laptop suche ich im Internet nach Jobs und per Email verschicke ich auch meine Bewerbungsschreiben. Man merkt, dass das Internet und moderne Technologien sehr wichtig in unserem Leben in Österreich sind. Der Unterschied zu Afghanistan ist aber gar nicht so groß. Auch dort haben Medien und Internet eine große Bedeutung.
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