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Datenschutz-Negativpreis

Big Brother Awards für wachsenden Datenhunger

Das Motto des diesjährigen Big Brother Awards lautet: "Du hast die Wahl." Niemand wird heutzutage dazu gezwungen, ein Handy oder einen Laptop zu nutzen, eine bestimmte App oder ein Computer-Programm zu installieren, sich bei Facebook oder Google+ einzuloggen, die U-Bahn zu nutzen, oder mit dem Flugzeug zu verreisen. Doch fast alle tun es. Auf Facebook bekommt man sein ganzes Online-Leben in einer "Timeline" präsentiert - nach Zustimmung der Nutzungsbedingungen, die dem User einen Haufen Rechte nehmen. Smartphone-Apps fragen nach der Erlaubnis, den Aufenthaltsort und viele weitere sensible Informationen über einen speichern zu dürfen - und es wird akzeptiert ohne zu hinterfragen.

"Druck auf uns ist viel stärker geworden"
Doch genau dieser freiwillige Daten-Striptease (wir stimmen ja schließlich zu und unterwerfen uns den Bedingungen der Unternehmen) führt dazu, dass der Schutz der Privatsphäre als unser Grundrecht immer mehr an Bedeutung verliert und von Unternehmen sowie vom Staat ausgehöhlt zu werden droht. "Seit dem Big Brother Award im Jahr 2011 hat sich diese Entwicklung enorm beschleunigt. Der Druck auf uns ist viel stärker geworden, weil es für Unternehmen viel einfacher geworden ist, an unsere Daten heranzukommen", sagt Georg Markus Kainz, Organisator der Big Brother Awards Austria, zur futurezone.

"Vor ein paar Jahren hätte sich Google nie getraut, alle seine Dienste zusammenzulegen. Da wäre das noch eine große Unverschämtheit gewesen, die niemals akzeptiert worden wäre", nennt Kainz als Beispiel. Genau das hat Google jedoch im Jahr 2012 getan. Mit der Zusammenlegung der Richtlinien für 70 Google-Dienste ist es möglich geworden, Nutzerprofile über die verschiedenen Dienste hinweg anzulegen. Deshalb haben die Organisatoren des Big Brother Awards auch beschlossen, dieses Jahr eine eigene Nominierungskategorie für den "weltweiten Datenhunger" einzuführen.

Spionierende Apps geben Daten an Dritte weiter
Doch Google ist noch lange nicht das einzige Unternehmen, das diese angebliche Wahlfreiheit ausnützt. Mehr als die Hälfte der Smartphone-Apps spionieren persönliche Daten aus und teilen diese mit Dritten (die futurezone

). Sie schlagen aus den Daten ihrer User Gewinn, weil sie diese weiter verkaufen - und wir haben per AGB
.

Auch Apps von Regierungseinrichtungen erheben oft mehr Informationen von ihren Nutzern, als sie eigentlichen brauchen. Es gibt etwa eine App vom Außenministerium, die uns zeigen soll, welche Länder unsicher sind. Um die App nutzen zu können, muss man zustimmen, dass unser aktueller Aufenthaltsort erfasst werden darf. "Auf meine Frage, weshalb das Außenministerium diese Information braucht, kam als Antwort zurück, dass man den Nutzern im Ernstfall den schnellsten Weg zur Botschaft anzeigen kann", erzählt Kainz. "Die Daten werden aber für den eigentlichen Betrieb der App gar nicht gebraucht", fügt der Datenschützer hinzu.

Überwachungsmaßnahmen nehmen zu
Doch wir stimmen nicht nur freiwillig zu: In der U-Bahn wird man beim Ein- und Aussteigen von Überwachungskameras gefilmt, beim Fliegen werden sämtliche Passagierdaten - auch die Essensvorlieben und Kreditkartennummer - für Jahre gespeichert. Seit 1. April können Behörden im Zuge der Vorratsdatenspeicherung sechs Monate im Nachhinein auf unsere Kommunikationsdaten zugreifen. Von jedem Telefonat wird gespeichert wer, wann und wo, wen anruft oder von wem angerufen wird. Das gleiche gilt für SMS und E-Mail. Durch die Einführung der "erweiterten Gefahrenforschung" im Rahmen des

kann zudem jeder einzelne Bürger durch unbedachte Äußerungen zum potentiellen Überwachungsobjekt werden. Observationen, auch mit Peilsender, oder der Einsatz verdeckter Ermittler mit Ton- und Bildaufnahmegeräten, sind zulässig.

Weil die Sicherung der Privatsphäre im Zeitalter der globalen Kommunikation zu einer zunehmenden demokratischen Herausforderung wird, gibt es seit 14 Jahren in Österreich die Big Brother Awards. Die Negativpreise, die an Unternehmen, Institutionen, Personen und Behörden vergeben werden, die sich im Feld der Überwachung, Kontrolle und Bevormundung der Bürger "besonders verdient gemacht" haben, werden alljährlich am 25. Oktober im Wiener Rabenhoftheater verliehen - auch dieses Jahr. Diese Gewinner werden zuvor aus insgesamt fünf verschiedenen Kategorien von einer unabhängigen Jury ausgewählt.

Volkswahl: Vorschläge einbringen
Doch nicht nur die Jury kommt beim Big Brother Award zu Wort: Jeder hat die Möglichkeit, seinen ganzen persönlichen Favoriten für die Volkswahl der "schlimmsten Datenkrake" zu nominieren. Bis zum 17. Oktober können über ein Web-Formular Vorschläge eingebracht werden. "Wir werden über viele Kanäle mit Datenmissbräuchen konfrontiert. Es geht darum, den letzten Datenmissbrauch, von dem man sich massiv gestört gefühlt hat, einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren", erklärt Kainz. Von 18. bis 24. Oktober werden dann die besten Vorschläge zur Wahl gestellt - der Gewinner der Volkswahl wird ebenfalls auf der Gala präsentiert.

Gala im Rabenhof-Theater
Dieses Jahr findet die Gala, bei der die Gewinner der Negativpreise bekannt gegeben werden, am 25.10. wieder im Rabenhof-Theater (Rabengasse 3, 1030 Wien) ab 20 Uhr (Einlass ab 19 Uhr) statt. "Es ist wichtig zu kommen, um ein öffentliches Statement des Protests zu setzen und zu zeigen, dass wir nicht bereit sind, unsere Rechte kampflos herzugeben und auf bürgerliche Freiheiten zu verzichten, nur weil es dem Eintreiben von Gewinn dienlich ist", sagt Kainz.

Auf der Gala werden neben Showacts wie dot.matrix vs. Gon mit einem Gameboy vs. iPhone-Act, einer Kärntner Band namens Naked Lunch auch internationale Gäste wie z.B. der Programmierer Jacob Appelbaum aus den USA erwartet. Der Eintritt zur Big Brother Awards-Gala ist kostenfrei. Solange das Kontingent reicht, kann man sich Karten online reservieren. Diese müssen am 25.10. bis 19 Uhr abgeholt werden. Die futurezone verlost zudem 5 x 2 fixe Tickets für die Gala. Wer an der Verlosung teilnehmen möchte, schickt bis inklusive 24.10. eine E-Mail mit dem Betreff: BBA-Gala 2012 an redaktion@futurezone.at - die Auslosung erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Wer sich unter den diesjährigen Nominierten befindet, erfahren futurezone-Leser demnächst.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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