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Datenschutz-Negativpreis

Big Brother: Digilight statt ÖBB nominiert

Am 25. Oktober werden (

) die Big Brother Awards im Wiener Rabenhof-Theater vergeben. Die Negativpreise werden an Unternehmen, Institutionen, Personen und Behörden vergeben, die sich im Feld der Überwachung, Kontrolle und Bevormundung der Bürger "besonders verdient gemacht" haben. Der futurezone liegen nun die drei Nominierten in der Kategorie"Kommunikation und Marketing"vor.

1. Maria Vassilakou, Grüne Vizebürgermeisterin
In Wien darf man Gratis-WLAN nicht mit einem freien Internet-Zugang gleichsetzen. Die Stadt Wien setzt bei ihrem kostenlosen Drahtlos-Netzwerk auf der Donauinsel,

, sowie am Rathausplatz nämlich auf Registrierungszwang und Filter. Laut Angaben der MA33 geschieht dies, um "Missbrauch zu verhindern". Man muss sich zuerst per SMS registrieren und auf ein Passwort warten, das einem zugesendet wird, bevor man lossurfen kann.

Die Stadt Wien, die für die Umsetzung des Projekts nach einem zweistufigen EU-weiten Ausschreibungsverfahren A1 engagiert hat, setzt allerdings auch auf Filter und Firewalls, um Nutzer vor "sittenwidrigen Inhalten" zu bewahren. Auch die Bandbreiten und Datenmengen werden beschränkt, um den Dienst möglichst vielen Benutzern mit gleicher Qualität zur Verfügung stellen zu können. Was bei einem Hotel vielleicht noch in Ordnung geht, weil das kostenlose WLAN ein Zusatz-Service ist, ist bei einer Stadt im "Open Government"-Zeitalter fragwürdig. Für den Big Brother Award nominiert ist die Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.

2. Kurt Schügerl, Digilight Werbe- und Netzwerk GmbH
Seit Anfang des Jahres gibt es in sieben Wiener ÖBB-Bahnhöfen eine digitale Fahndung nach Straftätern und Vermissten auf eigens dafür angeschafften 46-Zoll großen Bildschirmen. Diese gehören der Firma DIGILIGHT. Neben Informationen und Werbung sehen die Bahnreisenden dann quasi im Vorbeigehen auch Fotos von Verbrechern und Vermissten. Damit soll der "Fahndungsdruck erhöht werden", so Polizeipräsident Gerhard Pürstl. Bisher wurde auf diesem Weg allerdings noch kein einziger Straftäter gefasst. Für das Big Brother Awards-Team sind das "Wild Wild West-Sitten".

Der Einsatz dieser Art von Fahndung ist aus zweierlei Gründen problematisch: Einerseits werden Bilder von unschuldigen Bürgern - Vermissten - gezeigt, andererseits Verbrecher. Die Reisenden bringen also Unschuldige mit Verbrechern durcheinander und unschuldigen vermissten Personen wird das Image eines Verbrechers aufs Auge aufgedrückt. Andererseits ist die digitale Fahndung per TV-Bildschirm auch deshalb problematisch, weil hundertausende Bahnreisende den Eindruck bekommen, dass Österreich ein unsicheres Land sein muss - schließlich sieht man ja praktisch überall Verbrecher. Dadurch steigt automatisch der Wunsch nach mehr Sicherheit und Überwachung - und die geht zu Lasten unserer Freiheiten. Für den Big Brother Award nominiert ist nun nach internen Diskussionen des Vereins quintessenz, der für die Big Brother Awards-Nominierungen verantwortlich ist, Kurt Schügerl, Geschäftsführer der Digilight Werbe- und Netzwerk GmbH.

Stellungnahme der ÖBB und Digilight
Ursprünglich waren die ÖBB nominiert. Diese wiesen die Nominierung für den Big Brother Award mit folgenden Argumenten zurück: Die LCD-Screens an den Bahnhöhen würden nicht der ÖBB, sondern der Firma DIGILIGHT gehören. "Die Bespielung der Bildschirme liegt somit nicht in der Verantwortung der ÖBB, sondern ausschließlich beim Eigentümer DIGILIGHT. Die ÖBB haben keinen Einfluss auf die Vermarktung der nicht in ihrem Eigentum befindlichen Werbeflächen. Ähnliche Vereinbarungen wie bei DIGILIGHT gibt es auch mit den großen Werbeflächenvermarktern EPAMEDIA und GEWISTA, auch bei diesen haben wir keinen Einfluss auf deren verkauften Inhalte. Die von Ihrem Award nominierte Veröffentlichung ist eine Kooperation zwischen DIGILIGHT und der Wiener Polizei/Bundesministerium für Inneres (BMI), auf die die ÖBB weder rechtlich noch inhaltlich einen Einfluss haben." Digilight bestätigte zudem, alleinig für die Inhalte der LCD-Bildschirme verantwortlich zu sein.

3. Alexander Erhart und Michael Pucher von mietnomadencheck.at
Seit August gibt es die österreichische Webseite mietnomadencheck.at, betrieben von den zwei Grazern Alexander Erhart und Michael Pucher. Vermieter können über die Seite Mieter mit Name und Adresse eintragen und bewerten. Auch zwar auch jene Mieter, die sich als "vorsätzliche Mietbetrüger" herauskristallisiert haben. Die Betreiber der Plattform erhoffen sich dadurch, dass andere Vermieter "vor eventuellen Schäden" bewahrt werden können.

Dass eine Website dieser Art nicht ganz unbedenklich ist, liegt auf der Hand. Mietervereinigungs-Präsident Georg Niedermühlbichler spricht von einer "Vernaderung hoch drei". "Wer garantiert, dass hier nur Leute eingetragen werden, die beispielsweise ein Jahr lang ihre Miete nicht bezahlen?" Prinzipiell könnten auch Mieter, die sich über Missstände der Hausverwaltung beschweren, als "unbequem" gelten und auf mietnomadencheck.at negativ bewertet werden. Auch wenn jeder Eingetragene prinzipiell das Recht besitzt, dagegen zivil- oder strafrechtlich vorzugehen, ist der Schaden zuerst einmal da: Er wird, wenn er auf Wohnungssuche ist, wohl vom potentiellen Vermieter abgelehnt. Für die geschaffene "Vernaderungsplattform" gibt es für Alexander Erhart und Michael Pucher eine Nominierung für den Big Brother Award.

Wer bisher nominiert wurde
Auch die Nominierten der Kategorien

,
sowie
stehen bereits fest. Neben Innenministerin Johanna Mikl-Leitner für ihren Einsatz, "Clean IT" nach Österreich zu holen, wurde beispielsweise auch die Nationalratspräsidentin Barbara Prammer für den Einsatz von Google-Captchas und der IFPI-Vertreter Franz Medwentisch für die Forderung nach Netzsperren nominiert. Am 24. Oktober folgen noch die Nominierten der in diesem Jahr neu geschaffene Kategorie "Weltweiter Datenhunger". Die Gewinner werden am 25. Oktober bei der Gala im Rabenhoftheater bekannt gegeben.

Bei der Gala werden neben Showacts wie dot.matrix vs. Gon mit einer Performance rund um "Gameboy vs. iPhone" sowie einer Band auch internationale Gäste wie z.B. der Programmierer Jacob Appelbaum aus den USA erwartet.

Der Eintritt zur Big Brother Awards-Gala ist kostenfrei. Solange das Kontingent reicht, kann man sich Karten online reservieren. Die futurezone verlost zudem 5 x 2 fixe Tickets für die Gala. Wer an der Verlosung teilnehmen möchte, schickt bis inklusive 24.10. eine E-Mail mit dem Betreff: BBA-Gala 2012 an redaktion@futurezone.at - die Auslosung erfolgt nach dem Zufallsprinzip.  

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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