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Die Politik sollte nicht in Google-Panik verfallen

"Die Politik sollte nicht in Google-Panik verfallen"

Das Europäische Parlament hat am Donnerstag für eine Resolution zur strengeren Kontrolle des Suchmaschinengeschäfts gestimmt. Der Antrag, der sich vor allem gegen Google richtet, sieht vor, dass Internetplattformen ihr Suchmaschinengeschäft von anderen Dienstleistungen trennen sollen.Die futurezone hat den Medienforscher und Netzaktivisten Konrad Becker zur Marktmacht von Google befragt.

Soll Google entflechtet werden? Mir erscheint das ein bisschen panisch. Das es mit der Marktmacht von Google ein Problem gibt, ist seit Jahren bekannt. Der Ruf nach der Entflechtung von Google scheint mir aber ein bisschen unüberlegt zu sein.

Wie könnte eine Lösung aussehen? Die Politik sollte nicht in Google-Panik verfallen, sondern Rahmenbedingungen für die Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts schaffen, die nicht anlassbezogen sind. Es gibt seit Jahren die Forderung, Google dazu zu zwingen, seinen Index freizugeben, um alternative Formen von Suchalgorithmen und somit mehr Vielfalt zu ermöglichen.

Politische Regulierung ist notwendig? Definitiv. Dass die US-Vertretung bei der Europäischen Union davor gewarnt hat, die Frage zu "politisieren", finde ich lustig. Die Marktmacht von Google ist eine imminent politische Frage. Politiker werden auch dazu gewählt, sich mit den Effekten der Informationsgesellschaft auseinanderzusetzen.

Interview mit Konrad Becker

Wie viel Macht haben Suchmaschinen?Suchmaschinen klassifizieren Informationen. Die Bedeutung dessen, wie bestimmte Dinge für uns sichtbar und andere unsichtbar gemacht werden, wird aber unterschätzt. Denis Diderot, der mit seiner französischen Enzyklopäadie im 18. Jahrhundert die erste systematische Erfassung von Wissen in der Neuzeit geleistet hat, hat dies erkannt. Er hat gesagt, er wolle mit seiner Enzyklopädie das Denken der Menschen verändern. Die Klassifizierung von Wissen beeinflusst, wie wir die Welt sehen und wie wir denken.

Was hat Google so erfolgreich gemacht? Eines der Erfolgsgeheimnisse war, dass es Google geschafft hat, uns glauben zu machen, das Suchergebnisse etwas Objektives sind. Die leere, weiße Seite beim Aufrufen von Google unterstützt diesen Eindruck. Die Wege, die zu einem Suchergebnis führen, sind aber verschlungen. Wir sind einer Informationsflut ausgeliefert und Google macht es uns einfach damit umzugehen. Alles was nicht auf den ersten drei Seiten aufscheint, existiert aber nicht. So entsteht eine trügerische Sicht der Dinge. Der Zugang zu Informationen ist in unserer Gesellschaft grundlegend. Ein Fastmonopol in diesem Bereich hat nicht nur marktwirtschaftliche sondern auch demokratiepolitische Implikationen.

Google verfügt ja auch über eine Unmenge an Nutzerdaten. Bei Google geht es schon lange nicht mehr nur um die Suchmaschine. Google hat ja auch Nest gekauft, seinen Hersteller von Sensoren im Wohnbereich. Es kann feststellen, wer sie wie lange in welchem Raum aufgehalten hat. Das sind Informationen auf die nicht einmal die Polizei Zugriff haben dürfte. Viele Daten werden, wie die Snowden-Enthüllungen gezeigt haben, auch von Geheimdiensten genutzt. Hier verschneiden sich auf anrüchige Art und Weise wirtschaftliche, geheimdienstliche und politische Interessen.

Es gibt eine Reihe von alternativen Suchmaschinen. Warum haben sie es so schwer, sich gegen Google durchzusetzen? Wir haben es mit grundsätzlichen strukturellen Gesetzen der Marktkonzentration zu tun, mit Netzwerkeffekten. Wo Geld ist, fließt Geld zu. Marktkonzentrationen bilden sich im Internet stärker ab. Man muss aber auch sagen, dass Google den Bogen raus hat und enorme Ressourcen investiert. Es werden ganze Flüsse umgeleitet, um die Rechenzentren zu kühlen. Damit zu konkurrieren, wird nicht so schnell gelingen.

Der Medienforscher, Aktivist und Künstler Konrad Becker ist Gründer der mittlerweile eingestellten Wiener Netzkulturinstituion Public Netbase und des Word-Information Institute, das sich mit der Konferenzreihe “Deep Search” mit der Macht von Suchmaschinen auseinandersetzte.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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