"Es gibt kein Recht auf Privatkopie"
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Laut einer aktuellen Erhebung, die von österreichischen Verwertungsgesellschaften in Auftrag gegeben wurde und für die 2000 Computernutzer befragt wurden, befinden sich auf den Festplatten der Österreicher im Schnitt mehr als 6300 urheberrechtlich geschützte Musiktitel und rund 100 Kopien von Filmen. "Man kann also sagen, es wird auf Festplatten urheberrechtlich geschütztes Material im nicht geringfügigen Ausmaß gespeichert", sagte Sandra Csillag, Geschäftsführerin der Literar-Mechana am Freitag bei einem Pressegespräch in Wien.
Die österreichischen Verwertungsgesellschaften sehen eine baldige Lösung im Streit um die Festplattenabgabe in Sicht. Die Weiterentwicklung und Anpassung der bestehenden Geräteabgabe ("Leerkassettenabgabe") auf Festplatten zur Vergütung privater Kopien sei ein logischer Schritt, sagte Franz Medwenitsch, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft LSG, die die Rechte von Interpreten und Produzenten von Tonträgern und Musikvideos vertritt.
Bestärkt fühlen sich die Vertreter der heimischen Verwertungsgesellschaften durch zwei vor kurzem ergangene Entscheidungen von österreichischen Gerichten, in denen die Vergütungspflicht von multifunktionalen Speichermedien grundsätzlich bejaht wurde. (OGH, OLG Wien) Auch die vergangene Woche getätigte Aussage des designierten Kulturministers Josef Ostermayer (SPÖ), wonach eine Festplattenabgabe momentan die "realistischte Variante" sei, macht den Verwertungsgesellschaften Hoffnung.
"Quellen für Privatkopien gibt es genug"
Darauf angesprochen, dass Privatkopien - etwa von DVDs und E-Books - in vielen Fällen gar nicht möglich sind, da der Kopierschutz umgangen werden müsste - was wiederum rechtlich nicht erlaubt ist - meinte Csillag. "Quellen für Privatkopien gibt es mehr als genug."
Kopierschutzbeschränkungen würden auch bei Tarifverhandlungen berücksichtigt, sagte Paul Fischer, Leiter der Abteilung Privatkopievergütung bei der austro mechana. Die Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu privaten Zwecken sei rechtlich zulässig, allerdings dürfte dies nicht gegen technische Kopierschutzmaßnahmen geschehen: "Es gibt kein Recht auf Privatkopie."
Gegen Haushaltsabgabe
Eine Ende Jänner von der von Industrie und Handel getragenen Plattform für ein modernes Urheberrecht vorgeschlagenen Haushaltsabgabe von 50 Cent pro Monat anstelle von Urheberrechtsabgaben auf Speicher- und Kopiermedien lehnen die Verwertungsgesellschaften ab. "Das wäre eine Massensteuer", sagte Medwenitsch. Die Verantwortung von rund 160 Firmen der milliardenschweren Geräteindustrie und des Elektrohandels würde damit auf 3,5 Millionen Haushalte abgewälzt. Den Verwertungsgesellschaften sei es auch wichtig, dass es eine direkten Bezug von Leermedien und der Vergütung von Privatkopien gebe.
Dass Nutzer zunehmend in die Cloud abwandern und Inhalte gar nicht mehr auf Festplatten speichern, sondern stattdessen Streaming-Dienste und Online-Speicher nutzen, ist auch für die Verwertungsgesellschaften Thema. "Hier müssten Regelungen mit Cloud-Anbietern getroffen werden", meinte Medwenitsch.
Einnahmen zurückgegangen
Die Einnahmen aus der "Leerkassettenvergütung", mit der Künstler für Privatkopien vergütet werden, und die auf CDs, DVDs, MP3-Player und USB-Sticks eingehoben werden, gingen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurück - von 17 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 6,5 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Von einer Festplattenabgabe erhoffen sich die Verwertungsgesellschaften jährlich Einnahmen von 20 bis 30 Millionen Euro. Es gehe nicht nur darum den Einnahmenentfall auszugleichen, sagte Csillag. Künstler müssten eine angemessene Vergütung für auf Festplatten gespeicherte Inhalte erhalten.
Tarifgestaltung
Und wie kommen die Tarife für die Leermedienabgabe zustande? Berücksichtigt werde die Spieldauer der Leermedien, so Fischer. Bei digitalen Speichermedien werde diese umgerechnet. So entspreche etwa eine DVD mit 4,7 Gigabyte Speicherplatz grob einer Spieldauer von zwei Stunden, wobei allerdings nicht 1:1 umgerechnet werde. Letztlich werden die Tarife dann mit der Wirtschaftskammer ausgehandelt. "Das habe bisher bestens geklappt", sagte Medwenitsch. Eine Tariffestlegung durch eine unabhängige Behörde, wie sie von Gegner der Abgabe gefordert wird, lehnen die Verwertungsgesellschaften ab: "Das System funktioniert."
2010 veranschlagte die Verwertungsgesellschaft austro mechana für Festplatten je nach Größe Tarife zwischen zwölf und 36 Euro (ohne Umsatzsteuer). Seither beschäftigt die Festplattenabgabe die Gerichte. Auch Interessensvertreter liegen sich in den Haaren.
Für und Wider
Arbeiterkammer (AK) und Wirtschaftskammer (WKÖ) lehnen die Abgabe ebenso wie Händler, Hersteller und Vertreter von Internet-Nutzern ab. Die Arbeiterkammer, Händler und Industrie sprechen sich für einen pauschalen Kulturbeitrag zur Abgeltung für Privatkopien aus: "Eine zusätzliche Abgabe auf noch mehr Speichermedien und Geräte versteht kein Konsument mehr", heißt es dazu in einer Aussendung der AK. Die Wirtschaftskammer warnt vor einer "Lawine finanzieller Belastungen" und befürchtet die Abwanderung von Konsumenten zu ausländischen Online-Händlern. Vertreter von Künstlern und Verlagen sowie Film- und Musikwirtschaft machen sich für die Abgabe stark.
In der Politik sind die Meinungen gespalten. Während die SPÖ zuletzt eine klare Tendenz zu der Abgabe erkennen ließ, ist die ÖVP skeptisch. Die FPÖ findet die Festplattenabgabe "nicht gut". Die Grünen sprechen sich für eine Breitbandabgabe aus. Die NEOS diskutieren noch über urheberrechtliche Fragen, tendieren aber zu einer Haushaltsabgabe. Für weitere Diskussionen ist jedenfalls gesorgt. Am Montag wollen Wirtschaftskammer und Elektrohändler in einer Pressekonferenz über ihre Sicht zu der umstrittenen Abgabe informieren. Das Thema: "Zahlen zur Arbeitsplatzbedrohung durch die Festplattenabgabe."
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