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EU-Wahl: Netzneutralität ade?

EU-Wahl: Netzneutralität ade?

Anfang April stimmte das EU-Parlament für den Erhalt der Netzneutralität. Die Abgeordneten erteilten der bevorzugten Behandlung bestimmter Dienste im Internet eine Absage. Ob die Netzneutralität in der EU dauerhaft gesichert wird, entscheidet sich in der nächsten Legislaturperiode. Auch beim Urheberrecht wird es zu Reformen kommen. Im zweiten Teil der futrezone-Serie zur am Sonntag stattfindenden EU-Wahl stellen die Spitzenkandidaten österreichischer Parteien ihre Positionen zu Netzneutraltiät, Urheberrecht und IT-Förderung vor.

Soll es Telekomanbietern erlaubt sein, bestimmte Dienste - etwa Netflix oder YouTube gegen Bezahlung bevorzugt zu behandeln?

Eugen Freund, SPÖ: Wir fordern Maßnahmen zum Schutz und die gesetzliche Verankerung von Netzneutralität, nur so ist ein wirksamer Wettbewerb, die Chance auf Innovation und die Freiheit des Internets gegeben. Alle Datenpakete im Internet sind gleich zu behandeln, der Netzanbieter darf nicht diskriminieren. Wir wehren uns auch gegen alle Maßnahmen zur privatisierten Rechtsdurchsetzung außerhalb der Rechtsstaatlichkeit und lehnen daher Netzsperren ab. Eine Kappung des Internetanschlusses als Folge von Urheberrechtsverstößen lehnen wir als unverhältnismäßig ab.

Othmar Karas, ÖVP: Ich spreche mich klar für das Prinzip der Netzneutralität aus. Datenverkehr soll ohne Diskriminierung, Einschränkung oder Beeinträchtigung und unabhängig von Absender, Empfänger, Art, Inhalt, Gerät, Dienst oder Anwendung gleich behandelt werden. Ich will aber auch Verkehrsregeln. Es ist notwendig für Dienste, die ohne bestimmte Bandbreiten gar nicht funktionieren, oder die wie Operationen in der Telemedizin störungsfreie Übertragungen brauchen, Regeln festzulegen.

Harald Vilimsky, FPÖ: Nein. Wir sprechen uns für die Netzneutralität aus, da es keine Bevorzugung oder Benachteiligung durch Provider geben darf. Es darf nicht sein, dass es eine „Business Class“ für das Internet errichtet werden soll und damit kleine Nischenanbieter sozusagen vom Markt gedrängt werden.

Ulrike Lunacek, Grüne: Nein. Diese Bevorzugung sogenannter "specialised services" widerspricht klar der Netzneutralität.

Angelika Milnar, NEOS: Ein klares Nein. Das widerspräche dem Grundsatz der Netzneutralität.

Angelika Werthmann, BZÖ: Wir bekennen uns zum Prinzip der Netzneutralität. Die Sicherung des offenen, gleichberechtigten Zugangs zum Internet und die Gleichbehandlung aller Daten, die auf den Datenhighway geschickt werden, muss weiterverfolgt und gefördert werden. Daher sollten Telekomanbieter nicht über derartige Befugnisse verfügen dürfen.

Martin Ehrenhauser, Europa Anders: Nein. Die Gleichbehandlung aller Datenpakete unabhängig von Inhalt, Absender oder Empfänger ist ein grundlegendes Prinzip des Internets, ohne das viele technologische und in weiterer Folge gesellschaftliche Innovationen nicht möglich gewesen wären. Die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität verhindert Überholspuren für Konzerne und ist eine Voraussetzung dafür, dass das Netz uns allen gehört und althergebrachten Machtverhältnissen entgegenwirken kann, statt sie einzuzementieren.

Ewald Stadler, REKOS: -

Robert Marschall, EU-Stop: Das ist für uns kein Thema für die EU-Wahl. Das sollte das österreichische Parlament entscheiden, falls eine gesetzliche Regelung überhaupt notwendig ist.

Welche drei Punkte sind für Sie bei einer anstehenden Reform des Urheberrechts in der EU zentral?

Eugen Freund, SPÖ:

  • Urheberrecht soll Kreativität fördern und nicht behindern
  • Recht auf Kommunikationsfreiheit und Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben. Werke, die mit Hilfe öffentlicher Mittel hergestellt wurden, müssen auch öffentlich zugänglich sein
  • Reform für Ausnahmeregelungen im Urheberrecht für öffentliche Einrichtungen und gemeinnützige Organisationen, etwa aus den Bereichen Kultur, Geschichte und Bildung

Othmar Karas, ÖVP:

  • Einheitliches Urheberrecht - kein Fleckerlteppich mit 28 verschiedenen Lösungen
  • Ausgleich zwischen starkem Urheberrecht und sicherem Datenschutz und Schutz der Grundrechte
  • Rechtsrahmen muss Innovationen fördern

Harald Vilimsky, FPÖ:

  • Zum einen die Privatkopie-Abgaben, da es hier einer rechtlichen Klärung bedarf, ob diese von den EU-Staaten weiter im nationalen, wie die Rechteinhaber dies wollen, oder im europäischen Sinne, wie von den Herstellern verlangt, gelöst werden soll
  • Zum anderen halte ich die automatisierte Informationsgewinnung aus Daten und Texten sowie den Online-Zugang zu Filmen und Serien für wichtig
  • Trotz der Schwierigkeit der rechtlichen Kompatibilität innerhalb der EU wollen wir keine Rechtsverschmelzungen im Sinne eines juristischen Zentralismus

Ulrike Lunacek, Grüne:

  • Faire, nachvollziehbare Vergütung der KünstlerInnen/UrheberInnen
  • Rechtssicherheit für die KonsumentInnen
  • Transparenz bei den Verwertungsgesellschaften

Angelika Milnar, NEOS:

  • Wichtig ist uns, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einerseits wieder Monetarisieringsmöglichkeiten für geistige Schöpfung im 21. Jhdt. ermöglichen, andererseits die mittlerweile gängigen Praktiken des Sharing, Streaming und Sampling nicht kriminalisiert
  • Dazu muss zunächst die legistische Grundlage für einen funktionierenden Markt, der auch Rechtssicherheit bietet, geschaffen werden
  • Bei der Frage der Festplattenabgabe vs. Haushaltsabgabe plädieren wir für technologieneutrale, aber auch nutzungsbezogene Regelungen. Dadurch scheidet eigentlich beides aus und wir versuchen daher Alternativen zum Recht auf Vergütung der Privatkopie zu entwickeln

Angelika Werthmann, BZÖ:

  • Die Märkte sind von ständigem Wandel durch neue digitale Innovationen und neue Geschäftsgelegenheiten beeinflusst. Das Urheberrecht muss daher nicht nur an die Realwirtschaft sondern vor allem auch an den digitalen Binnenmarkt angepasst werden
  • Ein weiterer wichtiger Punkt sind neue und legale Nutzungsfreiheiten, besonders für eingeschränkte oder schutzbedürftige Verbraucher, wie ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und auch Kinder

Martin Ehrenhauser, Europa Anders: Es geht um die Balance zweier Ziele:

  • Zugang zu vielfältiger Kunst und Kultur für möglichst viele Menschen. Dafür muss das nicht-kommerzielle Teilen legalisiert werden. Sie sollen damit emanzipiert umgehen können: Recht auf Remix usw.
  • Kreative Leistungen sollen wertgeschätzt werden, man soll damit den Lebensunterhalt bestreiten können. Ein UrheberInnenvertragsrecht stellt KünstlerInnen gegenüber Verwertern besser. Transparenz für Verwertungsgesellschaften. Neue Modelle wie Crowdfunding fördern

Ewald Stadler, REKOS:

  • Falls es in der neuen Legislaturperiode im Zuge der Reformen rund um das Urheberrecht einen wiederholten Anlauf zu ACTA geben sollte, werde ich mit allen Mitteln dagegen ankämpfen
  • Die Freiheit der Ideen muss gewahrt werden, ohne dass astronomische Kosten auf Kunden zukommen
  • Der Schutz des geistigen Eigentums muss so ausgestaltet sein, dass die Rechte des Schöpfers des Werkes gesichert sind

Robert Marschall, EU-Stop:

  • Österreich sollte aus der EU austreten und das Urheberrecht für Österreich selbst regeln

Welche Maßnahmen zur Förderung europäischer IT-Infrastrutkur und Software halten Sie für notwendig?

Eugen Freund, SPÖ: Zentral dafür ist der Ausbau der Breitbandmöglichkeiten bzw. -qualitäten nach den europäischen Vorgaben. Die Digital Agenda der EU sieht diesen Ausbau auch vor. Uns SozialdemokratInnen geht es dabei um einen möglichst einfachen Zugang aller sozialen Schichten zu IT-Infrastruktur.

Othmar Karas, ÖVP: Eine wettbewerbsfähige, eigenständige und vor allem unabhängige IT-Industrie ist in Europa ist wichtiger denn je. Ich will nicht, dass E-Mails von in Europa erst eine Schleife über die USA machen, sondern in Europa bleiben – nur damit können wir die Anwendung des Europäischen Datenschutzrechts garantieren. Dazu möchte ich eine IT-Offensive starten. Wir müssen von amerikanischer IT-Infrastruktur unabhängig werden. Ich möchte, dass europäische Daten auf europäischen Servern liegen.

Harald Vilimsky, FPÖ: Eine der wichtigsten Wege, den die Europäische Union, auch im Sinne einer erfolgreichen Außen- und Sicherheitspolitik, beschreiten sollte, ist die Ablöse der amerikanischen Dominanz im IT-Bereich. Wir brauchen massive Investitionen in eigene europäische IT-Kapazität, die auch dementsprechend subventioniert werden soll.

Ulrike Lunacek, Grüne: Der Breitbandausbau, auch in ländlichen Regionen, ist hier von Nöten. Der Erhalt der Netzneutralität ist notwendig um auch kleineren Unternehmen und Start-ups dieselben Voraussetzungen zu bieten wie den großen Internetkonzernen.

Angelika Milnar, NEOS: Ein innovatives Europa braucht vor allem zwei Dinge: Möglichst flächendeckendes Hochgeschwindigkeitsinternet für alle. Dazu einen einfachen Zugang zu Eigenkapital für Jungunternehmen (Start-ups). Eine Förderung für internationale Markterschließung wäre beispielsweise wichtiger als die Förderung der Softwareentwicklung selbst.

Angelika Werthmann, BZÖ: Aufgrund der stetig voranschreitenden Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie, muss die dazugehörige Infrastruktur und Software auch finanziell gefördert werden; hier bietet sich die gezielte Unterstützung bereichsnaher KMU (kleinerer und mittlerer Unternehmen) an. Vor allem der Zugang zu schnellem Breitband-Datenverkehr für alle BürgerInnen sollte im Vordergrund stehen, ohne jedoch den Verbraucherschutz im Bereich der digitalen Versorgungsdienstleistungen außer Acht zu lassen.

Martin Ehrenhauser, Europa Anders: Zugang für alle: Zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist heutzutage ein schneller Internetzugang unumgänglich, daher europaweiter Ausbau von Glasfasernetzen und Grundrecht auf Zugang. Open Source fördern: Vor allem Technologien, die die Privatsphäre schützen, müssen gefördert werden. Überwachungsförderung (z.B. INDECT) stoppen. Anreize für IT-Startups.

Ewald Stadler, REKOS: Fördermittel aus den Regionalfonds zum Ausbau des Internets sind dringend notwendig, es muss in allen EU-Ländern ein schnelles und für die ganze Bevölkerung verfügbares Internet geben.

Robert Marschall, EU-Stop: Mit österreichischem Steuergeld sollte die österreichische IT-Infrastruktur gefördert werden und nicht die "europäische". Die Telekom Austria sollte ein 100% österreichisches Unternehmen bleiben bzw. wieder werden. Der Staat Österreich sollte in österreichische Intelligenz & Infrastruktur investieren und nicht in Pleitebanken & Pleitestaaten.

Im letzten Teil der futurezone-Serie zur EU-Wahl, der morgen Mittwoch erscheint, haben wir die neun Spitzenkandidaten der österreichischen Parteien zur Wahl des EU-Parlaments zum Word-Rap geladen. Die Stichwörter: Edward Snowden, Schengen-Cloud, Privatkopie, Lobbyismus, Datenkraken.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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