EU-Wettbewerbskommissarin: "Zugang zu Daten entscheidend"
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In den USA sei sie als „die Steuer-Frau, die die USA hasst“ bekannt, heißt es. Doch davon will Margrethe Vestager nichts wissen. „Ich habe diesen Vorwurf geprüft, da ist nichts dran. Ich bin eine Frau, und ich arbeite mit dem Wettbewerbsrecht. Der Rest ist unwahr“, sagte sie auf der re:publica am Mittwoch vor mehr als tausend interessierten Zuhörern.
Fairness für die digitale Welt
Die Wettbewerbskommissarin nahm in den vergangenen fünf Jahren in ihrer Rolle als Wettbewerbskommissarin große Tech-Konzerne wie Google oder Amazon aber scharf ins Visier und erwirkte Milliardenstrafen, die in die Portokasse der EU-Staaten flossen. „Wir brauchen Fairness und Wettbewerb in der digitalen Welt“, so Vestager. „Doch wir alle haben völlig überschätzt, wie schnell die Entwicklung voran schreitet. Dabei beeinflusst die industrielle Tech-Revolution alles: Freundschaft, Demokratie, Staaten, und wie sich die Gesellschaft verändert.“
Diese Dinge könne man nicht in den Händen von Online-Monopolen legen, sondern wir müssen diese selbst bestimmen und unter demokratische Kontrolle bringen, so Vestager. Mit dem Wettbewerbsrecht könne man dies auf kreative Art und Weise umsetzen. „Wir haben bei Digitalkonzernen teilweise ähnliche Methoden angewandt wie bereits in den 1970er-Jahren“, erzählte Vestager.
„Entscheidend für die Zukunft wird sein, wer Zugang zu den Daten hat. Man kann das innovativste Produkt an den Start bringen, wenn man dabei keinen Zugang zu den Daten hat, wird man nicht erfolgreich sein“, sagte Vestager. Daten dürfen deshalb nicht nur in den Händen großer Konzerne liegen und um das zu erreichen, müsse man schnell handeln. Als Beispiel nannte sie etwa Amazon.
„Amazon ist für viele Firmen Host und Wettbewerber zugleich. Amazon bekommt durch diese Doppelrolle Zugriff auf Informationen, etwa was für Trends es gerade am Markt gibt. Das ist unfair“, sagte Vestager. Sie plädierte dafür, dass Amazon die Rolle einer „Sportunion“ einnehmen sollte und sich an ethische Richtlinien halten und nur dafür sorgen sollte, dass die Händler eine gute Infrastruktur haben, aber sich nicht selbst am Markt beteiligen.
China spielt noch keine Rolle
Auf die Frage von Journalisten, warum man bisher vor allem gegen US-Monopole vorgehe, sagte die Kommissarin, dass man gegen Tech-Unternehmen aus China bisher keine einzige Beschwerde erhalten habe. „Das liegt unter anderem daran, dass China im Vergleich zu US-Firmen oder europäischen Firmen in Europa noch nicht so dominant ist.“ Chinesische Firmen seien aber herzlich eingeladen, sich in Europa zu positionieren. „Sofern sie die europäischen Regeln beachten“, fügte Vestager hinzu.
Als sie vor fünf Jahren ihr Amt als Kommissarin angetreten habe, hätte man derartige Entwicklungen noch nicht so klar abschätzen können, sagte die Kommissarin vor Journalisten in einem Pressegespräch auf der re:publica. „Wenn wir wollen, dass sich unsere Demokratie ändert, müssen wir jetzt handeln. Jetzt ist die Zeit dazu“, sagte Vestager und forderte damit die Besucherinnen und Besucher dazu auf, sich am 26. Mai an der EU-Wahl zu beteiligen.
Verantwortung bei Algorithmen übernehmen
Neben Wettbewerb sprach Vestager auch über die Regulierung von künstlicher Intelligenz und Algorithmen. Auf eine Frage der futurezone, wie man mit künftigen Entwicklungen in diesem Bereich umgehen wolle, sagte die Kommissarin: „Jeder, der Algorithmen einsetzt, muss auch die Verantwortung für diese übernehmen. Algorithmen dürfen keine Blackbox sein und jeder, der solche schafft, muss dafür gerade stehen.“
Vestager sieht für Unternehmen zudem eine große Geschäftschance im Bereich „Privacy by design“. Für sie sei es oft frustrierend, wenn sie auf ihrem Smartphone selbst Einstellungen treffen müsse, um ihre Privatsphäre zu schützen. „Ich wünsche mir einen digitalen Assistenten, der das automatisch so für mich macht, damit das für mich passt. Zu Privacy by default ist noch ein weiter Weg“, so die EU-Kommissarin.
Auf die Frage, ob sie auch nach der EU-Wahl als EU-Kommissarin für Wettbewerbsrecht zuständig sein wolle, antwortete die Dänin: „Es sollte egal sein, wer dieses Amt nach mir antritt. Wichtig ist, dass zentrale Themen unserer Gesellschaft endlich in Angriff genommen werden. Klimakrise, globaler Fußabdruck sowie Wettbewerb. Das ist wichtiger als das Who-is-Who“, sagte sie. Sie habe ihrer Regierung in Dänemark allerdings zu verstehen gegeben, dass sie das Amt sehr gerne weiterhin ausüben wolle und zur Verfügung stehen würde, wenn man sie fragt.
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