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Entscheidung

EuGH: WLAN-Hotspots gegen Ausweis

Wer seinen drahtlosen Internetzugang für die Allgemeinheit öffnet, haftet nicht für Rechtsverletzungen, die Nutzerinnen und Nutzer über diesen Zugang begehen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg entschieden. Nach Ansicht des Gerichts kann der Betreiber eines offenen WLAN wegen von Dritten verübter Rechtsverletzungen weder auf Schadensersatz noch auf Ersatz der Kosten eines gerichtlichen Verfahrens in Anspruch genommen werden. In einem solchen Fall soll der Betreiber auch nicht verpflichtet sein, die Kosten einer Abmahnung zu tragen.

Passwort gegen Ausweis

Das gilt allerdings nur beim ersten Mal. Bei wiederholten Rechtsverletzungen hält es der EuGH es nämlich für möglich, von dem Betreiber per gerichtlicher Verfügung zu verlangen, den Netzzugang mit einem Passwort zu sichern. Um an dieses Passwort zu gelangen, müssten Nutzer ihre Identität offenlegen, so der EuGH. Damit soll einen „Abschreckungseffekt“ erzielt werden.

„Das ist ein herber Rückschlag für eine flächendeckende Versorgung mit offenen Netzen. Völlig unklar bleibt nämlich, wie diese Identitätsfeststellung erfolgen soll und wie lange und in welcher Weise die Daten aufbewahrt werden müssen. Muss ich im Café demnächst meinen Ausweis vorlegen und einscannen lassen, um an das WLAN-Passwort zu gelangen?“, fragt sich Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Rechtsunsicherheiten für Betreiber

Für Betreiber offener Funknetze stellt dieses EuGH-Urteil eine massive Hürde da. Wie sollte etwa in Kontexten mit hohem Publikumsverkehr, beispielsweise Cafés, Einkaufszentren oder Flughäfen, verhindert werden, dass Nutzer ein einmal erlangtes Passwort untereinander weitergeben? Wie soll darüber hinaus ein WLAN-Betreiber die Identität der Nutzer sicher feststellen und dokumentieren? Wie lange muss der Betreiber diese Informationen vorhalten und welche Vorkehrungen zum Datenschutz und zur Datensicherheit hat er zu treffen? Für die Digitale Gesellschaft schafft das Urteil neue Rechtsunsicherheiten und gefährdet eine flächendeckende Versorgung mit offenen Netzzugängen.

„Das Urteil ist vergleichbar mit einem Fahrtenbuch, zu dem WLAN-Betreiber gezwungen werden können. Konkret bedeutet das, dass die Identität eines Nutzers etwa in Form einer Ausweiskopie oder ähnlichem erfasst werden muss“, sagt Maximilian Pohl, Geschäftsführer und Mitgründer bei MeinHotspot in Berlin. Betreiber, die dies umgehen und sich auch halbwegs absichern wollen, sollten nicht nur einzelne Geräte im Netz voneinander isolieren, sondern sollten laut Pohl vor allem dafür zu sorgen, dass die IP-Adresse des eigenen Betreiberanschlusses verschlüsselt wird. „So kann der Hotspot-Anbieter bei Rechtsverletzungen durch Dritte grundsätzlich nicht ermittelt werden und minimiert die Gefahr von Unannehmlichkeiten“, sagt der MeinHotspot-Experte.

Netzaktivist vs. Sony

Hintergrund für die EuGH-Entscheidung ist ein deutscher Fall. Tobias McFadden, Betreiber eines Geschäfts für Licht- und Tontechnik aus München, bot einen ungesicherten WLAN-Hotspot an. Der Musikkonzern Sony Music mahnte den Geschäftsmann ab, über dessen Internetzugang ein Album der Gruppe „Wir sind Helden“ zum Herunterladen angeboten worden sein soll. Das Landgericht München bat den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht.

Für McFadden, der zugleich Netzaktivist und Mitglied der Piratenpartei ist, ist die EuGH-Entscheidung lediglich ein Teilerfolg. Er rechnet nicht damit, dass sich freie WLAN-Hotspots nach dieser Entscheidung in Europa weiterverbreiten. „Wenn ich rumlaufen muss und nach einem Passwort betteln muss, dann ist damit genau das Gegenteil erreicht.“ Der Branchenverband Bitkom sieht dies freilich ganz anders. „Die EuGH-Entscheidung schafft mehr Rechtssicherheit und führt damit zu spürbaren Erleichterungen für die Betreiber öffentlicher WLAN-Netze“, sagt Nick Kriegeskotte.

Die Europaabgeordnete der Piraten-Partei, Julia Reda, verweist auf die Folgen der EuGH-Entscheidung für die Nutzung durch Besucher und Flüchtlinge. Wenn auch für sie freie Hotspots zugänglich sein sollten, „kann ein Passwortschutz keine Lösung sein“. Außerdem merkt sie an: „Noch gestern hat EU-Kommissionspräsident Juncker uns versprochen, bis 2020 werden alle europäischen Städte und Dörfer mit freiem WLAN versorgt. Heute macht die Komplexität des Urheberrechts diesem Ziel bereits einen Strich durch die Rechnung.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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