fiber optical cables
© Getty Images/iStockphoto / kynny/IStockphoto.com

Netzpolitik

Voucher-Modell: 800-Euro-Gutschein für Glasfaseranschluss

Österreich hinkt bei Glasfaseranschlüssen anderen europäischen Ländern hinterher. Lediglich 2,1 Prozent der Haushalte nutzen laut einer Statistik des FTTH Council Europe einen Glasfaseranschluss. Etwas mehr als 20 Prozent der österreichischen Haushalte würde ein Glasfaseranschluss in die Wohnung (FTTH) oder ins Gebäude (FTTB) prinzipiell zur Verfügung stehen. Im Vergleich dazu beträgt die Nutzungsrate im EU-Schnitt knapp über 20 Prozent, bei der Verfügbarkeit sind es fast 44 Prozent.

"Österreich ist ein Mobilfunkland", sagt der deutsche Telekommunikationsexperte Karl-Heinz Neumann. Die Nutzung von Mobilfunk für den Datenverkehr sei viel verbreiteter als anderswo, auch das Festnetz sei gut ausgebaut. Der Nachfragedruck nach Glasfaser sei deshalb nicht so groß wie in anderen Ländern. "Vielen Nutzer*innen reichen erst einmal Geschwindigkeiten von 50 oder 100 Mbit", meint Neumann: "In anderen Ländern gibt es die Mentalität, dass man das Beste will, das es gibt."

Voucher-Modell

Seine Beratungsfirma Wik Consult hat ein Modell für ein Förderprogramm erarbeitet, mit dem die Nachfrage nach schnellem Internet und der Glasfaseraubau gesteigert werden soll. Für ein solches Voucher-Modell hatte sich auch bereits die Internetoffensive Österreich, der die großen heimischen Telekommunikationsunternehmen angehören, ausgesprochen. Neumann war auf Einladung des Marktführers A1 in Wien.

Die Idee: Haushalte in Gebieten, in denen es noch keine Glasfaserleitungen gibt, sollen einen Gutschein in der Höhe von maximal 800 Euro erhalten, den sie dann einem Netzbetreiber für den Glasfaserausbau geben können. Mit dem Fördergeld für private Haushalte sollen laut Neumann einerseits die Kosten für den Anschluss und andererseits die Kostendifferenz eines Glasfaseranschlusses, mit zumindest 250 Mbit/s Downloadgeschwindigkeit, zum alten Anschluss über 2 Jahre hinweg ausgeglichen werden.

Wie funktioniert das Modell konkret?

In förderfähigen Gemeinden, die von der Bundesregierung benannt werden, würden von der Verwaltung Voucher an die Bevölkerung ausgegeben. Telekombetreiber könnten dann um Verträge werben. Vorstellbar sei auch, dass die Gemeinde aktiv auf die Betreiber zugehen. "Die Betreiber brauchen ein Mindeststartniveau und investieren natürlich lieber in Gemeinden, in denen sie mit vielen Kund*innen rechnen könnten", sagt Neumann.

Die Anbieter würden dabei durchaus im Wettbewerb miteinander stehen. "Wer die meisten Kunden gewinnt, baut die Leitung." Dass es zu Parallelstrukturen kommt, sei sehr unwahrscheinlich, da sich der Aufbau mehrerer Netze nicht rechnen könne, sagt der Experte.

Ergänzend zu Infrastrukturprogrammen

Das Modell soll Förderungen für den Infrastrukturausbau in Gebieten, wo er nicht rentabel ist, nicht ersetzen, sondern komplementär dazu zum Einsatz kommen. Das gilt für Gegenden, in denen ein Glasfaseranschluss für Betreiber zwar potenziell wirtschaftlich darstellbar ist, aber die Nachfrage dafür noch zu gering sei.

Angeboten werden soll das Voucher-Modell in Gebieten, in denen es keine Infrastrukturförderung gibt. Da das Förderprogramm aber jeweils über die Fläche einer Katastralgemeinde gelten soll, würden sich Überschneidungen mit der kleinteiligeren Infrastrukturförderung nicht gänzlich vermeiden lassen, sagt Neumann.

Karl-Heinz Neummann schlägt ein Voucher-Modell vor, um die Nachfrage nach Glasfaser zu steigern

900.000 Haushalte 

Mit einem solchen Voucher-Modell könnten nach Berechnungen Neumanns bis zu 1,24 Millionen Haushalte mit Glasfaserinternet versorgt werden. Die Glasfaserabdeckung in Österreich würde dadurch um fast 32 Prozentpunkte ansteigen, heißt es in einem Papier von Wik Consult.

Damit sich der Ausbau für die Betreiber rechne, müssten sich je nach Gebiet 50 bis 100 Prozent der in Frage kommenden Haushalte für einen Glasfaseranschluss entscheiden, so der Experte. Er geht in einer Modellrechnung davon aus, dass die Quote bis zu 70 Prozent betragen könnte. Das würde in etwa 900.000 Haushalten entsprechen.

Im Vergleich dazu seien durch die jüngsten Breitbandinitiativen der Bundesregierung lediglich 200.000 Haushalte mit Glasfaserinternet versorgt worden, sagt Neumann. Ein solches Voucher-Modell biete einen großen Hebel, um viele Anschlüsse zu bauen und gleichzeitig die Penetrationsrate von Glasfaseranschlüssen zu erhöhen. Die Kosten für ein solches Programm beziffert Neumann mit rund 500 Millionen Euro.  

Zum Einsatz kommen solche Nachfragefördermodelle bereits vereinzelt in Deutschland und sehr zielgerichtet seit längerem in Großbritannien. Auch in Griechenland, wo sie flächiger angewandt werden, seien sie gut angenommen worden, sagt Neumann, der sich hierzulande mehr Raum für ein solches Fördermodell wünscht: "Warum soll Österreich nicht einmal voranschreiten?"

Rahmenbedingungen 

Ein Voucher-System für den Glasfaserausbau sei grundsätzlich sinnvoll, meint Igor Brusic, Präsident des Vereins Open Fibre Austria (OFAA). Allerdings müssten daran Bedingungen geknüpft sein. Zentral sei, dass weder Netzerrichter noch Netzbetreiber Endkundendienste auf den Netzen erbringen dürften, sondern ihr Netz Diensteanbietern zu den selben Konditionen zur Verfügung stellen müssten. "Je mehr Diensteanbieter ich habe, desto attraktiver ist das Netz für Endkunden", sagt Brusic unter Verweis auf Schweden, wo über 60 Prozent der Bevölkerung Glasfasernetze nutzen und bis zu 30 Diensteanbieter ihre Services in einem Netz anbieten.
 
Infrastrukturbesitzer, die auch selbst Endkundendienste anbieten, hätten naturgemäß das Interesse möglichst wenige Marktanteile zu verlieren, meint der OFAA-Präsident. Dass Regulierung daran wenig ändere, hätten die vergangenen 25 Jahre in Österreich gezeigt. Werde von Anfang an zwischen Infrastruktur und Diensterbringung getrennt bzw. auf offenen Netzen ausschließlich Vorleistungsprodukte angeboten, gebe es automatisch eine viel größere Anzahl an Serviceanbietern und somit tatsächliche Wahlfreiheit für Endkunden.

Laufende Evaluierung neuer Fördermodelle

Wie realistisch ist die Einführung eines Modells, bei dem neben dem Infrastrukturausbau auch die Nachfrage nach Glasfaser gefördert wird? Die Regierung evaluiere laufend neue Fördermöglichkeiten, um nationale und europäische Zielsetzungen beim Breitbandausbau zu erreichen, heißt es aus dem Staatssekretariat für Digitalisierung und Breitband im Finanzministerium. Sie müssten aber mit EU-rechtlichen Bestimmungen im Einklang stehen.   

Die Leitlinien der EU für den Breitbandausbau würden derzeit überarbeitet. Neben der Infrastrukturförderung werde es darin auch einen Fokus der Nachfrageförderung geben, so ein Sprecher des Staatssekretariats. Veröffentlicht werden sie voraussichtlich im Herbst. Abgestimmt darauf könnte ein Nachfragefördermodell wegen der dazu notwendigen Notifikation durch die EU-Kommission frühestens 12 bis 18 Monate danach in Kraft treten.

Skepsis bei Netflix-Infrastrukturabgabe

Die Beteiligung von Streaminganbietern, wie Netflix, an den Kosten des Infrastrukturausbaus in Form einer Abgabe, den etwa die großen heimischen Netzbetreiber fordern, sieht Telekommunikationsexperte Neumann skeptisch: Das höre sich wie eine Steuer an und sei nicht systemgerecht: "Wenn die Telekommunikationsunternehmen mit den Streaming-Plattformen etwas vereinbaren, habe ich kein Problem damit, sehr wohl aber, wenn man das regulatorisch erzwingen würde."

Dass Breitbandförderungen überhaupt nicht mehr notwendig seien, wie vor kurzem Magenta-Chef Andreas Bierwirth meinte, der von einer Goldgräberstimmung bei Glasfaserausbau sprach, glaubt Neumann nicht. In der ganz langen Sicht sei er zwar überzeugt, dass Glasfaser fast überall rentabel sein werde, sagt der Experte: "Wir wollen aber erreichen, dass der Prozess in diesem Jahrzehnt abgeschlossen wird und nicht erst 2040."

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

mehr lesen
Patrick Dax

Kommentare