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© APA/AFP/PAU BARRENA / PAU BARRENA

Netzpolitik

Google Fonts: Abmahnanwalt klagt über aufgestochene Reifen

Der niederösterreichische Anwalt Marcus Hohenecker, der im Auftrag einer Mandantin zehntausende Abmahnbriefe an Webseitenbetreiber, die Google Fonts verwenden haben, verschickt hatte, hat in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ Angriffe auf seine Person beklagt. „Dieser Shitstorm hat dazu geführt, dass vor meiner Kanzlei randaliert wurde, dass mir mehrfach die Reifen aufgestochen wurden“, sagte Hohenecker in der Sendung am Samstag.

Drohanrufe und "Schlägertypen"

Auch Drohbriefe und Drohanrufe habe er erhalten und „Schlägertypen“ hätten ihn an seiner Privatadresse aufgesucht. „Ich konnte mein Handy über ein Monat nicht verwenden, weil ich ständig angerufen wurde und wieder aufgelegt wurde“, schilderte Hohenecker. Sein Webhoster habe ihm gekündigt, ebenso sein Steuerberater und seine Bank.

Massenhaft Abmahnschreiben

Hohenecker hatte vergangenes Jahr massenhaft Abmahnschreiben an Webseitenbetreiber verschickt, die Google Fonts, also von Google bereitgestellte Schriftarten, verwendet haben. Eine Mandantin von Hohenecker sah laut ihrem Anwalt darin einen Kontrollverlust über ihre Daten und machte einen Gefühlsschaden geltend. Pro Brief forderte Hohenecker 190 Euro. Diese Forderungen dürften inzwischen obsolet sein. Danach gefragt, ob er das weiter verfolge, sagte Hohenecker im ORF: „Ich habe genug von der Sache“.

Insgesamt hatte Hohenecker mehr als 26.000 Abmahnbriefe verschickt. Anwälte, die betroffene Webseitenbetreiber vertreten, argumentieren, dass Hoheneckers Mandantin gar keinen Gefühlsschaden erlitten haben könne, weil es unrealistisch sei, dass sie derart viele Webseiten eigenhändig angesurft habe. Vermutet wird, dass ein Programm zum Einsatz kam, dass im Internet nach Webseiten suchte, die Google Fonts verwenden.

WKStA ermittelt

Der Fall beschäftigt mittlerweile auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Ermittelt wird gegen Hohenecker und eine zweite Person wegen gewerbsmäßiger Erpressung und schwerem gewerbsmäßigen Betrug. Auf diese Delikte steht im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Auf Anfrage erklärte die WKStA am Montag: „Die genaue Anzahl der Abmahnschreiben ist ebenso wie die Schadenshöhe Gegenstand der Ermittlungen. Wir gehen aber derzeit von mehreren zehntausend Abmahnschreiben aus.“

Disziplinarverfahren

Gegen Hohenecker läuft bei der Rechtsanwaltskammer auch ein Disziplinarverfahren. Hohenecker beklagte am Samstag in der ORF-Sendung, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und das Verfahren der Kammer seien zunächst eingestellt, wegen der „Macht der Medien“ und der großen Anzahl der Abmahnbriefe aber wieder aufgenommen worden.

„Ab einer gewissen Anzahl war es für uns hinterfragenswert“, sagte dazu Florian Knotek von der niederösterreichischen Rechtsanwaltskammer beim „Bürgeranwalt“. Drei oder vier Abmahnungen seien anders zu beurteilen als 400 oder 26.000. Die Standesvertretung will im Disziplinarverfahren aber das Ergebnis der ordentlichen Gerichte abwarten.

Zur Frage, ob die Verwendung von Schriftarten, die von einem Google-Server abgerufen werden, datenschutzkonform ist oder ob dabei die IP-Adresse des Webseitenbesuchers datenschutzwidrig an Google übertragen wird, findet am 3. März in Wien am Landesgericht für Zivilrechtssachen eine erste Tagsatzung in einem Muster-Verfahren der Wirtschaftskammer statt. Prozessbeteiligt ist neben einem Friseur aus Amstetten auch Google Ireland Ltd.

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