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Interview

„IT-Lehre ist sinnvoller als Fachkräfte aus dem Ausland“

Martin Puaschitz ist IT-Experte und Obmann der Fachgruppe UBIT an der Wirtschaftskammer Wien. Die futurezone traf ihn, um mit ihm über den IT-Fachkräftemangel und die Ö-Cloud zu sprechen.

Die Wirtschaftskammer hat unlängst eine Kampagne gestartet, um mehr Lehrlinge zu gewinnen. Auch die IT-Lehre wurde im Herbst 2018 neugestaltet. Erfolgreich?
Martin Puaschitz: Die IT-Lehre hat einen neuen Lehrplan bekommen und wurde in drei Lehrberufe gesplittet: Programmieren, Systemadministration und Systemtechnik. Der Erfolg ist bisher überschaubar im Verhältnis zu anderen Lehrberufen, obwohl die Branche viele Fachkräfte braucht. Es reicht nicht, nur den Lehrplan zu überarbeiten, um die Ausbildung attraktiver zu gestalten.

Hat sich denn gar nichts getan?
Doch. Seit September gibt es einen spürbaren Anstieg der Lehrlinge. Es waren über zehn Prozent und das muss man sukzessive ausbauen. Allerdings gibt es nicht sofort riesige Auswirkungen, weil die neuen Lehrlinge nur einmal pro Jahr anfangen. Aus unserer Sicht ist es aber sinnvoller als IT-Fachkräfte aus dem Ausland herzuholen. Es ist nachhaltiger, wenn wir diese selbst ausbilden.

Löst die IT-Lehre wirklich das Problem mit dem Fachkräftemangel?
Unterschätzen Sie die Lehre nicht! Das sind Fachkräfte, die ihre Aufgaben lösen können. Man braucht auch keine studierten Schlosser. IT-Lehrlinge stehen dem Markt vier Jahre später zur Verfügung und derzeit gibt es viele offene Jobs. Aber prinzipiell gilt: Je diversifizierter Menschen in die Branche strömen, desto besser. Es gibt so viele Jobs und jeder bringt seine Erfahrungswerte mit ein.

Lässt sich garantieren, dass in einigen Jahren noch immer Programmierer gesucht werden, oder werden bis dahin gewisse Aufgaben von Computern durchgeführt?
Das kommt stark auf den Zeithorizont an. Ich glaube persönlich aber nicht, dass, wenn man heute eine IT-Lehre anfängt, man in vier Jahren keinen Job bekommt. Als die Dampfmaschine erfunden wurde, dachte man, man wird nie wieder Pferde brauchen. Die hat man aber noch lange gebraucht. Ich kenne keine Programmierfirma, die bereits Mitarbeiter abbaut. Es wird außerdem immer Menschen brauchen, die sich um IT-Systeme kümmern.

Martin Puaschitz, Wirtschaftskammer Österreich

Im neuen Regierungsprogramm ist von der Einführung einer „Ö-Cloud“ die Rede, bei der es darum geht, dass Daten in Österreich gespeichert werden. Mit dem von Ihnen ins Leben gerufenen „Austrian Cloud“ gibt es schon seit 2017 eine Art Gütesiegel für Server, die aus Österreich betrieben werden. Hat man hier seitens der Regierung mit Ihnen Kontakt aufgenommen?
Kontakt besteht laufend. Wir freuen uns, dass aus einer guten Idee ein schönes Projekt geworden ist, das im Regierungsprogramm steht. Die Arbeit ist auf fruchtbarem Boden gefallen und das motiviert, weiterzumachen.

Wie viele Firmen sind bereits Teil der „Austrian-Cloud“-Initiative?
Eine dreistellige Anzahl der Firmen. Wir sind sehr glücklich mit der Zahl der Anbieter.

Wie kann man Teil der „Austrian-Cloud“ werden?
Man kann sich auf der Seite registrieren und ein Formular mit Selbstauskunft ausfüllen. Daran anknüpfend, um das Gütesiegel zu erhalten, folgt eine Zertifizierung. Die war anfangs gefördert, jetzt kostet sie unter 500 Euro. Das ist eine Investition, die sich in der Regel auszahlt.

Wie groß ist die Nachfrage? Also wollen Firmen ihre Daten überhaupt in Österreich speichern?
Es gibt sehr viele, die sagen, dass sie die Daten nicht in den USA gespeichert und lieber einen lokalen Ansprechpartner haben möchten. Aber oftmals weiß der Markt gar nicht, dass es das gibt. Und viele Firmen fragen beide Varianten an. Am Ende soll es vor allem eine Wahl geben und der Kunde entscheidet, ob er das Produkt will, bei dem die Daten in Österreich gespeichert sind.

Was halten Sie eigentlich von einer Europa-Cloud statt einer Ö-Cloud oder Austrian-Cloud?
Ich stehe einer Europa-Cloud positiv gegenüber. Ich glaube nicht, dass es einen wesentlichen Unterschied gibt. Ob die Daten in Italien oder Deutschland liegen – die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen sind ähnlich. Es wäre daher begrüßenswert, wenn es eine europäische Strategie gäbe. Aber ich finde es auch gut, wenn die österreichische Regierung vorprescht und wir die Austria Cloud haben. Gerade viele Kleinunternehmen in Österreich sind sehr emotional, wenn es um ihre Daten geht.

Beim Breitband-Ausbau geht es 2020 voran. Doch mittlerweile nehmen viele private Unternehmen den Glasfaser-Ausbau selbst in die Hand….
Jeder Breitband-Ausbau ist zu begrüßen. Im ländlichen Raum sowie im städtischen. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass in Wien alles perfekt sei und wir in jedem Haushalt Super-Internet haben. Es gibt ganze Industriebereiche, die nicht erschlossen sind. Das sind langfristige Investitionen, die allerdings die Grundlagen für die digitale Gesellschaft bilden. Wir werden beides brauchen: Kabel und Mobilfunk.  

Warum geht der Ausbau so langsam voran?
Wir können nicht jede Straße aufreißen und Kabel reinlegen. Das braucht seine Zeit und kostet. Es gibt nicht eine zentrale Stelle, die Behördenwege sind abgekapselt, von der Genehmigung bis zur Verteilung ist es eine Herausforderung bei der Koordination. Aber alles, das wir heute tun, wird uns morgen freuen. Für kleine Orte, in denen man keine Cloud-Services nutzen kann, ist das innovationsbremsend ohne Ende.

Was muss getan werden?
Die Administration muss erleichtert werden. Außerdem muss man sich genau überlegen, wo man überall Glasfaser hinlegt. Auf eine Skihütte, damit Touristen Netflix schauen können, ist es wohl weniger sinnvoll. Diese letzte Meile schafft 5G auch. Aber die 5G-Antenne in der Talstation, die muss sehr wohl mit Glasfaser angebunden sein. Wir brauchen daher tatsächlich einen Hybrid-Betrieb aus Kabel und Funk, je nach Anwendungsfall.

Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung?
Wir werden uns konstruktiv und kritisch anschauen, was vom Regierungsprogramm eingehalten wird und wir stehen als Kooperationspartner gerne zur Verfügung und helfen dabei, über die ein oder andere Hürde drüber zu kommen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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