EuGH-Urteil

Kein "allgemeiner Löschanspruch" bei Google

Seit wenigen Wochen können Internet-Nutzer bei Google die Löschung unliebsamer Daten via Formular beantragen. Das haben, laut Informationen von Google Österreich, auch schon einige gemacht. Wie viele genau, war allerdings nicht in Erfahrung zu bringen. Dem vorangegangen ist ein EuGH-Urteil, das das sogenannte „Recht auf Vergessen“ im Internet gestärkt hat.

Doch, entgegen dem Irrglauben vieler, können jetzt nicht alle alles über sich aus der Google-Suchmaschine verschwinden lassen. „Man kann aus dem EuGH-Urteil keinen allgemeinen Löschungsanspruch ableiten“, erklärt Rechtsanwalt Rainer Lassl beim Mediengespräch der Rechtsanwaltskanzlei LGP in Wien.

bei den LGP MediaTalks v.l.n.r.: Franz Lippe, Max Schrems, Gerald Ganzger, Hans Zeger und Rainer Lassl.

Einzelfallentscheidung

„Es ist entscheidend, wie alt der ursprüngliche Beitrag im Netz ist, ob er wahr ist und es gibt noch zahlreiche andere Kriterien. Es ist daher immer eine Einzelfallentscheidung und es besteht kein automatischer Löschanspruch“, so Lassl. Das Löschformular von Google, das der Konzern für die Internet-Nutzer zur Verfügung stellt, bezeichnet der Rechtsanwalt als „praktikabel und sinnvoll“.

Der Datenschutz-Experte Hans Zeger von der ARGE Daten sieht dies freilich ein wenig anders. „Das Online-Formular von Google dient ausschließlich dazu, Zeit zu gewinnen. In Österreich gibt es außerdem ein Widerspruchsrecht für alle nicht gesetzlich angeordneten öffentlichen Daten“. Google müsse bis zur Beantwortung der Löschanfrage eine Frist von acht Wochen einhalten. Falls der Konzern die Löschanfragen nicht binnen dieser Zeit beantworten sollte, will Zeger vor Gericht ziehen. „Wir freuen uns, bald vor Gericht gehen zu können“, so der Experte.

Rache im Netz

Die ARGE Daten wurde bereits von zahlreichen Internet-Nutzern mit Anfragen zum Löschvorgang konfrontiert. Als klassisches Beispiel, wie Dinge im Netz sich unangenehm auswirken können, nennt er den Ex-Freund, der die Telefonnummer seiner ehemaligen Freundin im Netz veröffentlicht und sie im selben Atemzug als Prostituierte bezeichnet. „Das ist wohl sehr unangenehm. Vor allem dann, wenn man jemand neuen kennenlernt, oder der Arbeitgeber sich über die Person im Netz informiert“.

Auch für Kleinst-Unternehmen, die vor zehn, fünfzehn Jahren kurzfristig ins Straucheln gekommen sind und Konkurs anmelden mussten, ist eine Löschung dieser Informationen möglicherweise ein gangbarer Weg – sofern Google der Löschanfrage nachkommt und man nicht etwa vor Gericht ziehen muss. „Das Paradoxe ist nämlich, dass sonst die Causa, wegen der man vor Gericht zieht, wieder ins öffentliche Interesse gerückt wird“, erklärt Max Schrems, Datenschutz-Aktivist der Initiative europe-vs-facebook.org.

Das ist beispielsweise dem Spanier passiert, dessen Fall der Anlass für das EuGH-Urteil war. Mario Costeja Gonzales Haus wurde vor 15 Jahren zwangsversteigert – genau diese Information wollte er aus dem Netz löschen lassen. Jetzt weiß diese Tatsache, die er selbst heutzutage für „irrelevant“ hält, die ganze Welt. Ähnliches droht jedem, der wegen des Löschanspruchs bei Google vor Gericht geht.

Kein Promi-Bonus

Anders als bei Privatpersonen und in Österreich auch bei „juristischen Personen“ haben Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, keinen Anspruch auf Löschung ihrer Daten. „Ein Herr Faymann oder ein Herr Spindelegger brauchen nicht glauben, dass irgendeine ihrer Aussagen als Politiker aus dem Netz gelöscht werden können“, sagt Zeger, der hinzufügt: „Es ist nicht abschätzbar, wie die Gerichte in Österreich urteilen werden. Das schwierigste wird wohl die Frage der Zuständigkeit sein“.

Für Zeger ist das EuGH-Urteil zur Löschung ein „erster Schritt, sich mit Datenschutz auseinanderzusehen“. Mit künftigen hohen Strafen, wie sie etwa in der neuen EU-Datenschutzverordnung vorgesehen seien, könne man die Zukunft des Datenschutzes in Europa bestreiten. Auch Schrems hofft, dass US-Unternehmen künftig die „Abstrusitäten der Europäer“ akzeptieren werden und sich an die europäischen Gesetze halten werden. Gemeint ist damit freilich das Recht auf Privatsphäre, das in den USA anders ausgelegt wird und eine andere Bedeutung hat.

„Die kulturellen Unterschiede sind tief. Aber das derzeitige Problem ist, dass Europa seine Grundrechte nicht durchsetzt. Das ist nicht mehr tragbar“, so Schrems. "Das Urteil hat aber auf jeden Fall für eine neue Dimension in der transatlantischen Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz gesorgt."

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

mehr lesen
Barbara Wimmer

Kommentare