Verwirrung um ÖAMTC-Position zu Abbiegeassistenten
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In der nach dem Unfalltod eines Neunjährigen in Wien ausgelösten Debatte über Lkw-Abbiegeassistenten hat der ÖAMTC am Donnerstag bei einem Medientermin ein entsprechendes Kamerasystem demonstriert. Die von Eltern gestartete Petition, die eine verpflichtende Nachrüstung, Druck auf die EU-Kommission und Durchfahrtsverbote für ausländische LKW ohne Assistenzsysteme fordert, wird vom Club prinzipiell unterstützt, ÖAMTC-Direktor Oliver Schmerold sprach sich aber gegen die darin geforderte verpflichtende Nachrüstung von Lkw mit Abbiegeassistenten aus. Der ÖAMTC setze vielmehr auf Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmer und Weiterbildung von Lkw-Lenkern.
Vor kurzem hatte sich Schmerold auf der ÖAMTC-Webseite im Rahmen eines Aufrufs zur Unterzeichnung der Petition "mein #aufstehn" noch für eine Abbiegeassistentenpflicht eingesetzt: "Diese Systeme werden in Zukunft noch viele Menschenleben retten. Deshalb setzen auch wir uns dafür ein, dass Lkw in Zukunft verpflichtend damit ausgestattet werden. Die Technik ist bereits seit einigen Jahren reif dafür", wird der Direktor in dem Text zitiert. Helge Fahrnberger, der Initiator von mein #aufstehn, vermutet via Twitter, dass die Regierung - die durch Verkehrsminister Hofer selbst eine verpflichtende Nachrüstung von LKW gefordert hat - Druck auf den ÖAMTC ausgeübt haben könnte, um die Position aufzuweichen.
Der ÖAMTC erklärte daraufhin in einer Aussendung, dass man immer noch pro Abbiegeassistent sei: „Damit in Österreich so bald wie möglich verpflichtende Lkw-Abbiege-Assistenten eingeführt werden können, braucht es rasch eine entsprechende EU-Richtlinie. Wir unterstützen sämtliche Maßnahmen, die Druck auf die handelnden Personen und Institutionen ausüben - dazu gehört auch die Petition 'Leben retten im Toten Winkel'. Die Technik steht zur Verfügung. Jeder Unternehmer, der seine Flotte bereits heute nachrüstet, leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit“, wird Schmerold darin zitiert.
Beim Pressetermin am Donnerstag schlug Schmerold jedenfalls alternative Maßnahmen vor: "Wir wollen den toten Winkel sichtbar machen", sagte Schmerold. In der Pflicht sieht er jedenfalls nicht die Lenker allein, sondern "auch die übrigen Verkehrsteilnehmer". Gerade das Aufeinandertreffen von Lkw und Bussen mit anderen Verkehrsteilnehmern wie Fußgänger oder Radfahrer in urbanen Kreuzungsbereichen führt immer wieder zu gefährlichen Situationen, sagte Schmerold. Obwohl der tote Winkel das Sichtfeld der Fahrer extrem einschränkt, sind sich andere Verkehrsteilnehmer dessen oft gar nicht bewusst. Diesbezüglich müssen Radfahrer und Fußgänger sensibilisiert werden, forderte der ÖAMTC.
EU-Regelung
Die von Eltern gestartete Petition für ein verpflichtende Nachrüstung von Lkw mit Abbiegeassistenten wurde bis Donnerstagmittag bereits von mehr als 53.000 Personen unterzeichnet. Der ÖAMTC unterstütze nicht "jeden Punkt der Petition". Für eine verpflichtende Nachrüstung seien etwa "die Systeme noch zu unterschiedlich". Schmerold forderte eine rasche Regelung auf EU-Ebene, "wir wollen keinen Alleingang Österreichs". Vielmehr müssen Abbiegesysteme zunächst technisch spezifiziert und dann über die Typengenehmigung vorgeschrieben werden. Jetzt gehe es primär um Aufklärung, auch die Weiterbildung von Lkw-Fahrern müsse bezüglich des toten Winkels forciert werden.
Finanzielle Anreize für Frächter, damit diese ihre Lkw mit Abbiegeassistenten nachrüsten, sind für Schmerold nicht erforderlich. Derartige Systeme kosten zwischen 2.000 und 3.000 Euro, umgerechnet auf die durchschnittlich fünfjährige Verwendung von Fahrzeugen könnten diese Beträge von den Unternehmen selbst finanziert werden. Lkws sind mit sechs Außenspiegel ausgerüstet, zwei auf der linken Seite, vier rechts. Viele Lenker seien mit "nicht optimalen Spiegelsystemen" unterwegs, sagte Schmerold. Trotz der sechs Spiegel lässt sich der tote Winkel nicht völlig vermeiden. Lkw-Experte Gerhard Blümel schilderte, dass Lenker insbesondere in kritischen Situationen nicht so sorgfältig in die vorhandenen Spiegel schauen würden. Problematisch sei auch, wenn sich Personen rund um das Fahrzeug weiterbewegen und somit für den Lenker von einem Spiegel in den anderen wechseln.
Blümel demonstrierte bei dem Pressetermin ein bereits vorhandenes Abbiegesystem. Dieses ist mit einer Kamera unter dem rechten Außenspiegel ausgestattet. Wird der Blinker gesetzt, wird sie aktiviert. Befindet sich eine Person im toten Winkel, ertönt in der Fahrerkabine ein akustischer Alarm, außerdem wird ein Bildschirm aktiviert, der die Bilder der Kamera zeigt.
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