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Initiative

Max Schrems: "Facebook muss noch viel lernen"

"Ich möchte Facebook endlich wieder ohne Kopfweh nützen können", sagte Max Schrems, Jus-Student und Gründer der Initiative europe-v-facebook, am Dienstag bei einem Pressegespräch in Wien. Er kämpft seit mehr als einem halben Jahr dafür, dass das soziale Netzwerk das Thema Datenschutz ernst nimmt und mit seinen Richtlinien und Praktiken dabei nicht gegen europäische Gesetze verstößt. "Nutzer sollten die Möglichkeit haben, dem Netzwerk zu vertrauen und dazu muss Facebook erkennen, dass Datenschutz sich nicht gegen Technologie richtet", mahnt Schrems.

Der engagierte Jus-Student hatte im Sommer des Vorjahres 22 Anzeigen gegen Facebook wegen diverser Datenschutzverletzungen in Irland eingebracht. Das soziale Netzwerk hat dort seinen europäischen Hauptsitz. Laut den Nutzungsbedingungen von Facebook haben alle User außerhalb der USA und Kanada einen Vertrag mit Facebook Ireland, gleichzeitig wird so auch europäisches Datenschutzrecht anwendbar. Davon hat Facebook aber laut Schrems bisher nur wenig Ahnung.

"Hochgradig unprofessionell"
"Facebook wirkt hochgradig unprofessionell", sagte der Jus-Student nach einem Treffen mit Facebook-Vertretern aus den USA in Wien. Diese waren extra angereist, um mit ihm über die Inhalte der 22 Anzeigen, die sich alle mit Datenschutzverletzungen des sozialen Netzwerks befassen, zu sprechen und zu einer "einvernehmlichen Lösung" zu kommen. Bei dem Treffen in einem Wiener Hotel am Flughafen Schwechat nahmen neben Schrems und einer US-Vertreterin von Facebook auch der Europa-Chef von Facebook, Richard Allen, sowie ein protokollführender Jurist teil. "Dabei ging es um viele, kleine Details", erklärte Schrems.

Einer der Streitpunkte, der in den Gesprächen geklärt werden sollte, war, was man unter der "Zustimmung der Nutzer" versteht. "Hier hat Facebook die europäischen Gesetze neu interpretiert und behauptet, solange keiner nein sage, sei es eine Zustimmung", erklärte Schrems. Diese Ansicht teilt Schrems nicht. Es gebe zudem einen "Sumpf von Unzuständigkeiten" bei Facebook, kritisierte Schrems.

US-Kollegin "völlig überrascht"
Die US-Kollegin aus dem Team, das das Regelwerk von Facebook entwickelt hat, sei zum Beispiel völlig überrascht gewesen, als Schrems ihr mitgeteilt habe, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Facebook in Europa nicht durchsetzbar seien.

Zu der vor allem von den irischen Datenschutzbehörden erhofften "einvernehmlichen Lösung" kam es bei dem Treffen daher nicht. "Es war von Anfang an vor allem zum Austausch von Informationen gedacht. Wir haben nicht erwartet, dass man dabei alle Punkte erledigen kann", erklärte Schrems. Auch Facebook sprach im Anschluss von "konstruktiven Gesprächen" in Wien. Tatsächlich könne das Netzwerk viel dabei lernen, sagt Schrems, der als einer der wenigen Österreicher mit dem irischen Datenschutzrecht vertraut ist.

In Hinblick auf den geplanten Börsengang ist dies auch dringend notwendig. Dieser soll laut Schrems auch das Gesprächsklima und die Herausgabe von versprochenen Informationen beeinträchtigt haben. So habe Facebook beispielsweise nicht alle Informationen, die im Vorfeld des Treffens angekündigt hatte, herausgerückt.

Die Initiative europe-v-facebook, die neben Schrems von weiteren zehn Menschen ehrenamtlich betreut wird, plant nun als nächsten Schritt einen Antrag auf eine formelle Entscheidung in Irland.„Aus demokratischer Sicht ist es absurd, dass ein Student stellvertretend für alle anderen Nutzer mit einem Multi verhandelt", betonte Schrems erneut. Falls Irland sich den Schneid abkaufen lässt, möchte Schrems (wie bereits berichtet) die EU-Kommission mit dem Fall befassen und ein Vertragsverletzungsverfahren anregen.

"Endlich Rechtssicherheit"
Laut Schrems ist auch Facebook nicht an einer außergerichtlichen Entscheidung interessiert. "Auch Facebook will endlich Rechtssicherheit haben und schwarz auf weiß vorliegen haben, was legal ist und was nicht."

Neben dem Grundverfahren, das durch die Initiative facebook-v-europe ausgelöst wurde, gibt es auch ein zweites Verfahren, nämlich das Betriebsprüfungsverfahren. Im Dezember hatte die irische Datenschutzbehörde nach einer Prüfung der irischen Facebook-Zentrale einen 149-seitigen Bericht veröffentlicht, in dem diverse Nachbesserungen gefordert, gröbere Verstöße jedoch nicht gefunden wurden.

Irischer Bericht "nicht ausreichend"
Die Gruppe rund um Schrems bezeichnete den Bericht nach einer anfänglichen Euphorie als „nicht ausreichend“, er beinhalte „keine stringente rechtliche Analyse“ des Netzwerks und viele der 22 Anzeigen würden nur teilweise abgehandelt. Die Umsetzung der Empfehlungen der irischen Datenschutzbehörde an Facebook sollen großteils bis Ende März erfolgen und im Juli 2012 erneut überprüft werden.

"Der Bericht befindet sich unter dem europäischen Datenschutz-Level", so Schrems. Allerdings sei es löblich, dass Facebook der Veröffentlichung zugestimmt habe, denn normalerweise befänden sich solche Berichte unter Verschluss. "Facebook sagt immer wieder, dass ein Soziales Netzwerk mit diesen Gesetzen nicht möglich ist. Ich glaube aber sehr wohl daran, dass das geht", fügt Schrems hinzu. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg - und Schrems wird wohl noch einige Zeit Kopfweh haben, wenn er Facebook nutzt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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