ÖAMTC-Chef: "Auto-Daten gehören dem Konsumenten"
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Autos werden in Zukunft immer häufiger vernetzt. Immer mehr Auto-Modelle sind über eine SIM-Karte ans Internet angebunden. Bei jeder Fahrt werden unzählige Daten an den Autohersteller übertragen. Künftig könnten damit Fahrerprofile erstellt werden, die von Versicherungen zum Aussieben unrentabler Autolenker verwendet werden könnten. Auch eine permanente Kontrolle von Tempolimits wäre denkbar. Das Geschäft mit diesen Daten könnte lukrativ werden – kein Wunder also, dass hier auch die Autohersteller mitschneiden wollen. Doch wem gehören diese Daten eigentlich? Die futurezone hat mit ÖAMTC-Verbandsdirektor Oliver Schmerold über die Datensammelwut der Autohersteller gesprochen.
Oliver Schmerold: Wir haben zwei aktuelle Modelle eines Herstellers auf Herz und Nieren geprüft (siehe hier) und geschaut, welche Daten diese Fahrzeuge über das Mobilfunknetz an den Hersteller übertragen. Da sind wir draufgekommen, dass deutlich mehr Daten übertragen werden als wir angenommen haben.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Es werden sämtliche personenbezogenen Daten bis hin zu den Kontakten im Smartphone übertragen. In dem Moment, in dem ich mein Smartphone mit dem Auto kopple und einen Anruf tätige, werden diese Verbindungdaten über das Interface im Auto gespeichert und auch mitübertragen. Das geht bei weitem über das hinaus, was mit dem technischen Zustandes des Fahrzeugs zu tun hat.
Was könnte das in der Praxis bedeuten?
Wenn ich auf meinem Smartphone einen Kalender mit meinen Terminen habe, werden diese Daten beim Anstecken ebenso wie meine Kontaktdaten automatisch ans Auto übertragen und mit den anderen Daten des Fahrzeugs vermischt. Dann weiß der Autohersteller künftig, wann und wo sich Herr Maier mit Herrn Müller an Ort X getroffen hat und der Herr Maier fünf Minuten zu spät kam, weil er keinen Parkplatz gefunden hat. Da stellt sich dann natürlich die Frage: Wer darf mit diesen Daten Geschäfte machen?
Die großen Internet-Player setzen sich da drauf und machen mit diesen Daten auch Geschäfte. Auf einmal kriege ich dann als Konsument Angebote, nur weil das Auto diese Informationen von mir zentral abliefert und dort die entsprechenden, intelligenten Algorithmen sitzen, die daraus entsprechende Services ableiten.
Wird der Auto-Hersteller durch die Vernetzung zu einem ähnlichen Datensammler wie Google?
Das ist eine spannende Frage. Die Autohersteller sind natürlich in einer Zwickmühle. Sie wollen nicht, dass diese Wertschöpfung, die es geben kann, an ihnen vorbei geht, wie es der Telekombranche passiert ist. Aber am Ende muss es der Konsument sein, der entscheiden soll, was mit seinen Daten passiert.
Dazu hat der ÖAMTC mit „mein Auto, meine Daten“ unlängst eine Kampagne gestartet. Warum tritt ein Automobilclub für Datenschutz ein?
In einer Mitglieder-Umfrage hat die überwiegende Mehrheit von 90 Prozent gesagt, dass sie die Verfügungsgewalt über ihre Daten haben möchte, die von ihrem Auto produziert werden. Dabei handelt es sich ganz klar um personenbezogene Daten und deshalb gehören diese in die Hände der Autobesitzer. Das heißt nicht, dass die Automobilhersteller die Daten nicht bekommen sollen, aber es muss transparent sein. Und es muss klar definiert sein, welche Daten der Hersteller wann und zu welchem Zwecke bekommt.
Das ist derzeit, wie Ihre Studie zeigt, klar nicht der Fall. Was sind die Argumente der Autohersteller?
Dass es die Daten ihrer Produkte sind und sie diese für die Service-Leistung und Gewährleistung brauchen. Die Daten gehören aber dem Konsumenten.
Wie wollen Sie das erreichen?
Durch Gesetze. Auf europäischer Ebene wird es bald die EU-Datenschutzreform geben. Wir sind aber auch mit den nationalen Stellen wie dem Bundeskanzleramt und dem Verkehrsministerium in Kontakt. Unser Ansatz ist so: Sollte sich auf EU-Ebene wenig tun oder zu langsam gehen, möchten wir im Konsumentenschutzgesetz einmal feststellen, dass die Eigentümer der Daten die Fahrzeughalter sind. Es gibt aber auch immer mehr namhafte Persönlichkeiten aus der Automobilindustrie, die zumindest in den Medien ebenfalls sagen, dass die Daten dem Konsumenten gehören. Wir werden diese Aussagen in den nächsten Wochen prüfen.
Geht es Ihnen dabei wirklich nur um Datenschutz, oder gibt es auch wirtschaftliche Gründe für Ihre Kampagne?
Es geht natürlich auch um freien Wettbewerb. Natürlich ist es auch so, dass es nicht sein kann, dass, wenn heute mein Fahrzeug eine Fehlfunktion detektiert, ich quasi automatisch in die Werkstätte der Herstelle gelotst werde und es angedrohte Gewährleistungseinschränkungen gibt. Der Konsument soll mit so einer Fehlermeldung selbst entscheiden können, was er mit so einer Fehlermeldung macht. Das betrifft freie Werkstätten und auch den ÖAMTC direkt. Da hängt ein ganzer Wirtschaftsbereich daran.
Das heißt, der Konsument soll auch frei entscheiden können, wo er seinen Wagen reparieren lässt?
Ja. Wo er das Auto herrichten lässt, wo er es in laufender Betreuung hat, wo er sich eine zweite Meinung einholt, bevor er sich entscheidet. Überall anders gibt es eine Deregulierung der Märkte, wie etwa bei Strom- und Energiemärkten, alles ist liberalisiert worden. Jeder Konsument kann monatlich seinen Energielieferanten wechseln. Also muss es genauso möglich sein, dass sich jeder Konsument frei entscheiden kann, wo er seine Mobilitätsservices in Anspruch nehmen kann.
Der Automobilclub ADAC hat sich das Datensammeln anhand des Elektroautos BMW i3 (wie bereits berichtet) näher angeschaut und dabei Erstaunliches festgestellt: Der BMW i3 speichert nicht nur die Positionsdaten der zuletzt benutzten Ladestationen, sondern auch die rund 100 letzten Abstellpositionen des Fahrzeugs, betreibt also eine Art „Vorratsdatenspeicherung“ für Autos.
Was übertragen wird
Außerdem gibt es den Vorgang „Last State Call“. Dabei werden automatisch Daten über den technischen Zustand des Fahrzeugs sowie über die letzten Ladepositionen und den gewählten Fahrmodus an die BMW-Server übertragen. Dadurch weiß BMW etwa, wann das Auto in der Früh gestartet wird, wie viel Strom es gebraucht hat und wie schnell es im Durchschnitt unterwegs war.
BMW selbst sagt auf futurezone-Anfrage, dass der Konzern die Daten „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“ nutzen würde. „Allgemein werden Daten, soweit sie zur Wartung, Fehlerdiagnose und Fehlerbehebung notwendig sind, in jeder Werkstatt mit einem Diagnosesystem ausgelesen. Nach Abwicklung des Auftrags werden diese Daten im Fahrzeug gelöscht oder zyklisch überschrieben“, so BMW.
Ja dürfen die das überhaupt?
Laut ersten Einschätzungen von Experten dürfte diese Praxis aber spätestens mit Inkrafttreten der EU-Datenschutzreform im Jahr 2018 illegal werden. Eine derartige Zustimmung zum Datensammeln darf dann nicht mehr im Kaufvertrag versteckt werden, es darf auch keinen Zwang dazu geben. Neben diesem Kopplungsverbot würde die derzeitige Praxis aber auch gegen das Prinzip der Datensparsamkeit verstoßen, so die Experten. Dem Datensammeln wird dann ab 2018 also Einhalt geboten - zumindest am Papier. Wie es in der Praxis weitergehen wird, wird sich zeigen.
Kommentare