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Interview

"Open Data kann Vertrauen in Politik stärken"

futurezone: Der Großteil der Bevölkerung kann mit dem Begriff Open Governement Data vermutlich wenig anfangen. Wie erklären Sie Bürgern die Vorteile von Open Data?
Roland Ledinger: Für Bürger bietet es die Chance, auf Datenbestände zuzugreifen, die der Verwaltung zur Verfügung stehen. Es ist eine Dreierbeziehung. Die Verwaltung stellt Rohdaten zur Verfügung, die Community und die Wirtschaft verweten sie in Form von Anwendungen und Apps und der Bürger kann die dann nutzen. Es ist für Bürger also primär nicht interessant auf Rohdaten zuzugreifen, sondern auf Anwendungen, die von der Community und Wirtschaft erstellt werden. Das Excel-Sheet oder das CSV-File mit den Toilettendaten wäre also nicht der Renner, aber die App - etwa die Toilet Map Vienna - , die dem Bürger bereitgestellt wird, bringt dann die Visualisierung dieser Information.

Eine

Umfrage
des Open Knowledge Forum Österreich und der futurezone hat ergeben, dass Bürger sich vor allem Daten zur politischen Transparenz wünschen, etwa Daten zur Parteienfinanzierung oder zu Förderungen. Solche Daten finden sich in den österreichischen Open-Data-Katalogen aber nicht. Braucht es dazu gesetzliche Rahmenbedingungen?
Wir haben jetzt einmal einen ersten Schub, bei dem es darum geht, die Verwaltungskultur dorthin zu bringen. Dies ist ein Prozess, den wir einmal gestartet haben, aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Natürlich muss man auch gesetzliche Grundlagen und Regulative schaffen. Das Medientransparenz, das österreichische Rechtsträger verpflichtet, ihre Aufwendungen für Werbung und Informationsschaltungen zu melden, ist beispielsweise schon so eine gesetzliche Grundlage. Im Dezember sollen erstmals die Daten bereitgestellt werden, auch in Form von Open Government Data. Diese Prozesse sind ganz wichtig. Vor fünf Jahren hätte es vielleicht ein Gesetz gegeben, es hätte einen Bericht gegeben, aber es hätte niemand daran gedacht, die Rohdaten bereitzustellen. Heute wird es langsam zur Selbstverständlichkeit.

Können Open Government Data dazu beitragen, das Vertrauen in die Politik zu stärken?
Das glaube ich auf jeden Fall. In Wirklichkeit geht es aber um Open Government. Es geht darum, dass Entscheidungsprozesse transparent dargestellt werden. Beim Gesetzwerdungsprozess sind wir in Österreich schon sehr weit. Sie haben, mit der Begutachtung beginnend, den ganzen Gesetzwerdungsprozess transparent dargestellt und können sich ein Bild machen, wie dieser Prozess gelaufen ist. Diese Kette ist Open Government und derartige Umsetzungen brauchen wir verstärkt auch in anderen Disziplinen. Das wird vielleicht auch bei Förderungen und bei anderen Prozessen notwendig sein diese Transparenz zu schaffen.

In den USA oder Großbritannien war die Freigabe von Verwaltungsdaten Chefsache und wurde von höchster politischer Ebene unterstützt. In Österreich ist zumindest mir keine Äußerung eines Spitzenpolitikers bekannt, die darauf schließen lässt. Fehlt es an politischem Willen?
Aufgrund des Föderalismus haben wir die meisten Datenbestände auf der kommunalen Ebene. Dort habe ich konkrete Daten, die den Bürger interessieren, wie zum Beispiel Verkehrsdaten und Geodaten, auch die Häusln hab ich dort, die hat kein Ministerium. Der politische Prioritätsfaktor ist eher auf der kommunalen Ebene, nicht auf der Bundesebene.

Es gibt das Schlagwort vom "Kulturwandel" in der Verwaltung. Ist davon schon etwa zu merken? Hat es Widerstände gegen die Freigabe von Daten gegeben?
Die österreichische Verwaltung ist schon sehr weit. Wir sind schon in vielen Bereichen, darüber hinweg, dass Verwaltungseinheiten auf ihren Daten sitzen und sagen: "Ich geb die Informationen nicht weiter." Das Teilen innerhalb der Verwaltung ist ein zentrales Thema. Der nächste Schritt wird es sein, diese Daten nach außen zur Verfügung zu stellen. Wir haben sehr viele Leute in der Verwaltung, die begeistert sind. Nur ganz wenige lehnen das ab, meist aus Datenschutzgründen.

Bedenken hinsichtlich eines Kontrollverlustes gibt es keine?
Wir haben eher Bedenken im Bereich der Haftung. Wenn ich diese Daten zur Verfügung stelle, muss die Verwaltung die Haftung und die Verantwortung für die Qualität übernehmen. 

Open Data bringt vor allem auch der Verwaltung Vorteile. Gibt es da heute schon Erfahrungen?
Wir haben keine konkreten Zahlen, aber das Potenzial ist natürlich gegeben. Wir haben noch in vielen Bereichen die Kultur, das Informationen nur sektoral zur Verfügung gestellt werden. Durch die Öffnung wird der Zugriff von Verwaltungsabteilungen auf Informationen aus anderen Abteilungen möglich. Da gibt es Synergieeffekte etwa zwischen Kommunen, Ländern und Bund. Wir können das nicht messen, aber wir glauben, dass es ein großes Potenzial gibt.

Das Open-Datenportal des Bundes, data.gv.at, ist im April online gegangen. Wie sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?
Wir sind sehr zufrieden. Es ist ein Kooperationsprojekt, auf dem Bund, Länder, Kommunen und Städte ihr Angebot eigenständig präsentieren. Das Portal ist lediglich ein Indexverzeichnis der Bestände. Ich bin sehr froh, dass es die einzelnen Anbieter von OGD heute als selbstverständlich empfinden, sich an dem Portal zu beteiligen und ihre Datenbestände bereitstellen. Wir haben heute weit über 300 Datensätze dort publiziert

Was sind die nächsten Schritte?
In der zweiten Phase setzen wir auf verstärkte Automatisierung und Selbstverwaltung. Die einzelnen Stellen können die Datensätze dann selbst verwalten und eintragen. Wir wollen uns auch in Richtung einer Cloud entwickeln, damit etwa Gemeinden ihre Datenbestände auch auf data.gv.at publizieren können.

Wie hoch sind eigentlich die Kosten für ein solches Portal?
Wir haben die Entwicklung und den Betrieb des Portals jetzt einmal gemeinsam mit dem Finanzministerium und dem Bundesrechenzentrum (BRZ) finanziert. Der Finanzierungsanteil des BKA lag beim Erstinvestment bei unter 50.000 Euro. Für den laufenden Betrieb und die Weiterentwicklung wird es schon größere Summen bedürfen. Jetzt sind wir dabei zu überlegen, wie wir die Finanzierungsmodelle für nächstes Jahr aufsetzen. Dazu suchen wir Partner. Wir werden uns auch mit der Wirtschaft zusammenschließen.

Welche wirtschaftlichen Nutzungen haben Sie bei Open Data in Österreich vor Augen?
Ich halte nichts von volkswirtschaftlich hochtrabenden Zahlen. Die Frage ist immer, wer merkt es in der Geldbörse. Österreich ist ein kleines Land. Die wirtschaftliche Dimension von Open Data sehe ich hier eher in der Innovationsschmiede. Wir werden Entwicklungs-Knowhow-Punkte schaffen können. Open Data bereitet dazu die Grundlage, die von der Community augegriffen werden kann. Außerdem ist es eine Frage des Wirtschaftsstandortes, eine innovative und offene Verwaltung hilft in der Entscheidungsfindung von Unternehmensniederlassungen.

Die EU hat die Überarbeitung der Richtlinie für die Weiterverwendung von Daten des öffentlichen Sektors angekündigt. Mitgliedsstaaten werden damit verpflichtet, die von ihnen veröffentlichten Daten auch zur Weiterverwendung freizugeben. Wie ist die österreichische Position dazu?
Wir sind grundsätzlich für die Öffnung dieser Datenbestände. Die Frage ist nur, wie wir die Freigabe finanzieren. Die Kommission sieht ein Potenzial im Milliardenbereich für die europäische Wirtschaft. Aber die Verwaltung muss die Budgets aufstellen, um diese Datenbestände freizugeben. Wenn Sie die österreichische Budgetsituation ansehen, dann ist das viel Geld. Sollte es die Verpflichtung zur Freischaltung geben, dann muss man auch über die Finanzierbarkeit reden. Das wird von der EU-Kommission nicht wirklich fokussiert.

Welche der aus Open Data bislang entstandenen Apps nutzen Sie persönlich?
Ich selbst nutze die RIS-App. Der Zugang zum Recht ist für mich Tagesgeschäft. Auf meinem privaten Handy werde ich wohl auch die eine oder andere App haben, wo mir gar nicht bewusst ist, dass sie auf OGD aufbaut - etwa Kurzparkzonen-Apps für Wien.

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Roland Ledinger ist Leiter des Bereichs IKT-Strategie des Bundes und im Bundeskanzleramt für das im April gestartete Open-Data-Portal data.gv.at verantwortlich.

Open Data
Als offene Daten oder "Open Data" werden unter anderem jene nicht personenbezogenen Daten bezeichnet, die von der Verwaltung zur freien Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Die Daten sollen die Verwaltung transparenter machen und auch Bürger zu mehr Beteiligung an demokratischen Prozessen bewegen. Auch der Wirtschaft sollen die Daten zugute kommen. Für die Entwicklung innovativer Anwendungen oder um auf Basis der öffentlichen Daten bessere Entscheidungen treffen zu können.

Verwaltung im Wandel
"Die Verwaltung ist noch nach den Effizienzkriterien des vergangenen Jahrhunderts organisiert und muss sich wandeln, um für die Gesellschaft relevant zu bleiben", meint der niederländische Open-Government-Experte und Betreuer der von der EU-Kommission finanzierten ePSI-Plattform Ton Zijlstra. Durch die Freigabe von Daten der öffentlichen Hand komme eine Welle der Veränderung auf die Verwaltung zu, sagte Zijlstra im vergangenen Jahr zur futurezone.

EU-Richtlinie
Die für die digitale Agenda zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes hat im vergangenen Dezember ihre Pläne für Open Government Data in der EU

präsentiert
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Patrick Dax

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Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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