© Thomas Peters, reuters

Deutschland

Piratenpartei gelingt in Berlin Sensationscoup

Die Piratenpartei hat bei der Berlin-Wahl einen Überraschungscoup gelandet. Den Berliner Piratenpartei gelang am Sonntag auf Anhieb der Sprung ins Abgeordnetenhaus - sie erreichten laut dem vorläufigen Endergebnis 8,9 Prozent der Stimmen. „Das ist ein historischer Tag für die Piratenpartei und für Deutschland“, sagte der jubelnde Bundesvorsitzende Sebastian Nerz und verglich den Erfolg mit dem der Grünen vor 30 Jahren. Allen Warnungen der etablierten Parteien zum Trotz eroberten die Piraten fünf Jahre nach ihrer Gründung zum ersten Mal ein deutsches Landesparlament.

Damit wirbeln die Newcomer, deren Schwerpunkte bei Internet-Themen liegen, auch die Parteienlandschaft durcheinander, zumal die FDP den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus verpasste. Stärkste Partei wurde die SPD mit 28,3 Prozent (minus 2,5 Prozentpunkte) vor der CDU (23,4 Prozent, plus 2,1 Punkte) und den Grünen, die 4,5 Prozentpunkte auf 17,6 Prozent zulegten. Die bisher mit der SPD regierende Linke landete bei 11,7 Prozent (-1,7 Punkte).

"Gehen in die Arbeit rein"
Bei der Wahlparty in einem Club in Berlin-Kreuzberg war die Überraschung und die Freude bei der Piratenpartei riesengroß. Zwei Piraten feierten sich überschwänglich mit den Worten: „We made it - Wir haben es geschafft“ und umarmten sich.

Der Berliner Spitzenkandidat der Piratenpartei, Andreas Baum (33) sagte nach den Hochrechnungen lässig: „Wir gehen jetzt in die Arbeit rein. Wir werden von uns hören lassen.“ Die Piraten wollen sich für mehr Mitsprachrechte der Bürger einsetzen. Baum sagte „das drängendste Thema für uns ist die Beteiligung. Wie schafft man es, diesen Wunsch der Berliner, sich aktiv in die Politik einzubringen, auch stärker ins Abgeordnetenhaus mitzunehmen?“

"Protestventil"
Die aus der „Generation Internet“ entstandene Partei ist politisch unerfahren. Sie traf aber offenbar den Nerv vieler junger Wähler und konnte nach der Einschätzung von Meinungsforschern auch bei den bisherigen Nicht-Wählern und im linken Lager punkten. Die Kandidaten sind selber um die 30 Jahre alt, was zu einer Verjüngung im Abgeordnetenhaus führen könnte. Politikwissenschaftler sprachen den Piraten bei der Wahl auch eine Art „Protestventil“ zu. Sie kämen angesichts der Politikverdrossenheit mit ihrem Image als noch unverbrauchte Jungpolitiker an.

Wie überrascht die Piraten selber von ihrem Erfolg waren, macht der Blick auf ihre Landesliste deutlich. Die Partei gewann 15 Sitze im Abgeordnetenhaus, genau soviele Kandidaten umfasst die schmale Liste der Partei. Auch bei der Wahlparty schienen die Piraten auf den großen Andrang nicht eingestellt. Viele Sympathisanten der Partei mussten aus Sicherheitsgründen draußen bleiben, denn gegen 18.00 Uhr war das Limit von 1000 Gästen erreicht.

"Bombastisch"
„Das ist bombastisch“, sagte Oliver Höfinghoff, der mit Platz fünf auf der Piratenliste ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde. „Mit diesem Ergebnis hätten wir nie gerechnet.“ Die meisten Piraten bei der Wahlparty an diesem Abend sind männlich, jung und computeraffin. Doch auch einige Frauen tummeln sich in dem festlich geschmückten Raum in einem Hinterhof eines alten Backstein-Industriegebäudes. Viele Unterstützer seien mal Anhänger der Liberalen gewesen, meinte ein neues Mitglied strahlend. Er sei Unternehmer in der Finanzbranche, aber mit dieser FDP könne er nichts mehr anfangen.

Die Piraten - bisher nur in einigen Kommunalparlamenten vertreten - wollen den eingefahrenen Politikbetrieb aufmischen. Zwar räumen die Neulinge auch Nachholbedarf offen ein, sie wollen aber vor allem anders Politik machen. Ihre Anliegen: Mehr Transparenz im Parlament, mehr Bürgerbeteiligung und keine „Geheimverträge“ mehr, forderten die Piraten, denen Parteitaktik und Lagerdenken bislang fremd sind.

Die Neulinge müssen sich nun vom Image der reinen Internet-Partei lösen. Ihr Wahlprogramm wies etliche Lücken auf, wenngleich sie auch sozialpolitische Themen aufnahmen. Dazu gehören Mindestlöhne und ein gesichertes Grundeinkommen, aber auch eine Liberalisierung beim Umgang mit Cannabis und einen kostenlosen Nahverkehr.

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