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Kreditkarten

Plastikgeld mit Blinklicht

Jeffrey Mullen blättert drei Kreditkarten auf einen Dokumentenprojektor. "Als der Technologiechef von Visa unsere Technologie sah, fing er gleich bei uns an", erzählt der Gründer und CEO des US-Unternehmens Dynamics. Jetzt dreht er die transparente der drei Karten zwischen seinen Fingern. Die darauf aufgebrachten elektronischen Komponenten ergeben zusammen einen Minicomputer: "Dennoch ist sie genauso dünn wie jede andere Kreditkarte", erklärt er, biegt die Karte ein paar Mal ("genauso biegsam") und versenkt sie in einem Wasserglas ("nicht einmal die Waschmaschine kann ihr etwas anhaben").


Dynamics, 2007 gegründet und mit Sitz in Pittsburgh, verbaut eine Technik in Kreditkarten, mit der sich ein neuer, "elektronischer" Magnetsteifen umprogrammieren lässt und zwar, so Mullen, "sämtliche 1200 Bit darin". Dazu war es nötig gut 70 Einzelteile inklusive einer Batterie auf 1,6 Kubikmillimetern unterzubringen. Die dickste Komponente ist mit rund 0,4 Millimetern dünn genug, damit die Karte trotz Plastikumhüllung nicht die Standardmaße von 0,76 Millimetern Dicke überschreitet. Das Ergebnis ist eine Kreditkarte, der sich zusätzliche Funktionen verpassen lassen. "Wir sind die Innovationsabteilung einer Industrie, die nie eine hatte", verkündet Mullen. Eine Risikofinanzierung über 5,7 Mio. Dollar aus dem Jahr 2009 gibt seiner Strategie zumindest vorerst Recht.

Citigroup erster Kunde

Als erste Bank testet Citigroup eine Dynamics-Karte, die über zwei Kontrolllichter sowie eine Taste verfügt und den Benutzer auswählen lässt, ob er seine Rechnung mit Bonuspunkten oder konventionell bezahlen möchte. Typischerweise lassen sich in den USA je nach Kreditkartentyp und ausgegebenem Beträgen Punkte ansparen, die die Kunden zumeist in Flugmeilen, Hotelgutscheine oder Bargeld umwandeln. Nach Tests in der ersten Jahreshälfte erweitert Citigroup seit Anfang November seine Pilotphase und bindet weitere Kunden ein.


Im Durchschnitt tragen Amerikaner vier Kreditkarten mit sich herum. "Die Kunden wollen es aber nicht mit vier verschiedenen Banken zu tun haben, sie wollen bloß die Vorteile von vier Karten", ist Mullen überzeugt. Entsprechend bietet das Unternehmen ein weiteres Kartenmodell an, das zwei Konten auf einer Karte vereint. Mittels Tastendruck lässt sich festlegen, über welche Nummer die Abrechnung erfolgen soll. Daraufhin wird der Magnetstreifen mit der Zahlenkombination des jeweiligen Kontos beschrieben. Dass die Kreditkartenlesegeräte keinen Unterschied zu herkömmlichen Magnetstreifen erkennen, ist die wichtigste Voraussetzung für Dynamics Produktstrategie.

Never change a running system

Magnetstreifenkarten sind seit den 1970ern auf dem Markt, gelten aber seit langem als leicht zu fälschen. Warum also einer veralteten Technologie zur Renaissance verhelfen, wenn international längst Chip-und-PIN-Karten verbreitet sind? Für amerikanische Kreditkartenunternehmen zählt die Verbreitung. Diese ist in den USA größer als irgendwo sonst. Allerdings ist auch die Infrastruktur eine der ältesten. Neun von zehn aller Kreditkarten- und Bankomat-Transaktionen innerhalb des Landes erfolgen über 60 Mio. Lesegeräte, die noch aus den 70ern stammen. Diese flächendeckend auszutauschen kostet weit mehr als die Banken bereit sind auszugeben.

Technologiefeindlichkeit will man sich freilich nicht nachsagen lassen. In Europa, so das Argument der Banken, sei der Druck für einen Technologiewechsel ungleich größer gewesen. Die vielen Imprinter (Ritschratsch-Geräte) leisten dem Betrug geradezu Vorschub. Auch hätten Kreditkartenunternehmen in Europa mehr Mitspracherecht dabei, welche Lesegeräte der Einzelhandel bei sich aufzustellen hat. In den USA existieren Kreditkartenausgabe und Abrechnung als voneinander getrennte Systeme. Tenor: Man könne den ganzen kleinen Tankstellen und Imbissläden im Land nicht einfach eine neue Technik aufzwingen.

Die Sicherheitsmängel von Magnetstreifen will Dynamics indes mit seiner Karte "Hidden" ausgleichen, deren vollständige Kontonummer erst nach Eingabe eines Codes direkt auf der Karte erscheint. Dazu notwendig sind sechs kleine Tasten, ein Minidisplay und ein Kontrolllicht. Nach Ausschalten der Karte bzw. nach Inaktivität werden die Zahlen am Display samt Infos am Magnetstreifen gelöscht. "Es bleibt nur ein totes Stück Plastik übrig", so Mullen.

Wie der Markt die neuen Karten aufnimmt, bleibt abzuwarten. Aus Sicht der Kreditkartenunternehmen müssen sich die Mehrkosten erst einmal lohnen, zumal die Herstellung der computerisierten Karten kostspieliger ist. Um wieviel teurer, darüber hält sich Dynamics bedeckt.

(Alexandra Riegler)

Dynamics-CEO Jeffrey Mullen

Der Kreditkarte geht ein Licht auf...

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