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Österreich

Politiker-Transparenzdatenbank gestartet

Welchen Nebenbeschäftigungen gehen österreichische Volksvertreter nach? Wofür engagieren sie sich? Welche Interessen vertreten heimische Abgeordnete? Antworten auf diese Fragen gibt seit Montag die Transparenzdatenbank Meine Abgeordneten. In dem vom Verein Respekt.net gestarteten Informationsportal werden öffentlich verfügbare Informationen zu allen österreichischen Nationalratsabgeordneten, Mitgliedern des Bundesrats, EU-Abgeordneten und Regierungsmitgliedern gesammelt und zusammengeführt. "Transparenz ist in vielen Demokratien eine Selbstverständlichkeit", sagt Martin Winkler, Präsident von Respekt.net: "In Österreich herrscht diesbezüglich aber noch immer viel Geheimniskrämerei."

In übersichtlich zusammengestellten Dossiers zu 280 österreichischen Spitzenpolitikern lässt sich in der Transparenzdatenbank etwa abrufen, welche Parlamentarier welche Nebentätigkeiten ausüben, welchen Interessensvertretungen und Vereinen sie angehören und in welchen Ausschüssen sie sitzen. Daneben werden auch Parlementsreden und Aussendungen der Volksvertreter zugänglich gemacht.

Unternehmensbeteiligungen und Firmengeflechte
In der Transparenzdatenbank werden Unternehmensbeteiligungen oder Firmengeflechte, samt inner- und überparteilicher Vernetzungen, sichtbar und in Form einer interaktiven Grafik dargestellt. Insgesamt 240 Positionen in Aufsichtsräten, Geschäftsführungen, Vorständen und Beteiligungen an Unternehmen wurden ausfindig gemacht.

"Vorbeugungsmaßnahme"
Spitzenreiter bei Nebentätigkeiten ist der oberösterreichische ÖVP-Abgeordnete Jakob Auer, der zehn außerparlamentarische Funktionen ausübt, gefolgt von Peter Wittmann (SPÖ), mit neun Nebentätigkeiten, und Ferdinand Maier (ÖVP, acht Nebentätigkeiten). Politische und wirtschaftliche Verflechtungen seien nicht unzulässig", sagt Winkler: "Es braucht aber umfassende Transparenz darüber, damit Bürger wissen wie politische Forderungen zustande kommen oder einzuschätzen sind."

Die Transparanzdatenbank sei auch eine Vorbeugungsmaßnahme, sagt Winkler: "Damit wir nicht weiter in Richtung Bananenrepublik abgleiten." Sie leiste einen Beitrag zur besseren Transparenz in der Politik und lege auch ein Fundament, auf dem Vertrauen in die Politik wieder wachsen kann. "Bei einer im September 2010 im Auftrag von Respekt.net durchgeführten Umfrage waren 50 Prozent der Befragten der Meinung, dass sich der österreichische Staat zuwenig um Korruption kümmert", sagt Winkler: "Heute wäre diese Zahl noch höher."

"Öffentliche Verwaltung unterstützt Recherche nicht"
Drei Monate lang hat das Team von Meine Abgeordneten von der Parlamentswebsite, den Homepages der Abgeordneten, aus dem Firmenbuch und aus Vereinsregistern und anderen Quellen Informationen zusammengetragen. Internationale Firmendaten wurden von einem Dienstleister zur Verfügung gestellt. "Die Recherche war nicht einfach", sagt Marion Breitschopf vom Umsetzungspartner Mediaclan, der die Transparenzdatenbank konzipierte. Die Angaben hätten sich oft widersprochen. Nicht alle Nebentätigkeiten, die im Firmenbuch gefunden wurden, seien von den Abgeordneten auch deklariert worden. "Bei Unklarheiten haben wir bei den Abgeordneten nachgefragt", sagt Breitschopf. Ärgerlich sei auch, dass  über die Parlaments-Website keine maschinenlesbaren Daten zur Verfügung gestellt würden: "Die öffentliche Verwaltung unterstützt zeitgemäße Recherche nicht."

Anregungen und Löschanträge
Die Reaktionen der Volksvertreter auf die Transparenzdatenbank waren laut Breitschopf überwiegend positiv. Insgesamt haben sich 46 Abgeordnete per E-Mail gemeldet, fast 150 Volksvertreter haben sich auf ihr Dossier auf der Seite eingeloggt. "Wir haben auch viele Anregungen bekommen", so die Redaktionsleiterin von Meine Abgeordneten. Vereinzelt habe es auch Interventionen und Löschanträge gegeben. "Dem sind wir natürlich nicht nachgekommen."

Forderung nach Daten
Von der Politik fordert die die zivilgesellschaftliche Plattform nun das Bereitstellen strutkurierter, standardisierter und normierter Daten zum politischen Prozess. Dass es nicht möglich sei, Parlamentsrede im Jahr 2011 technisch auszuwerten, sei eine "Schande", sagte Winkler. Es gebe auch kaum Informationen zum Abstimmungsverhalten der einzelnen Parlamentarier. Auch eine zeitgemäße Regelung für das "Amtsgeheimnis" und die Umsetzung eines "Freedom of Information Act", ähnlich wie in den USA, seien notwendig, so Winkler. Er will auch eine breite Diskussion über die Bezahlung von Volksvertretern auslösen: "Die Politik drückt sich vor einer offenen Diskussion. Stattdessen werden die Bezüge der Abgeordneten über eine Fülle von Zusatzbrötchen aufgefettet."

Auf der Suche nach Spendern
22.000 Euro hat das Projekt bisher gekostet. Sie stammen von privaten Spendern. Öffentliche Förderungen wurden für die Datenbank nicht in Anspruch genommen. 5.000 Euro pro Monat kostet der laufende Betrieb. Dafür werden nun Spender gesucht. "Wir gleichen ein jahrzehntelanges Versäumnis der österreichischen Politik durch eine private Initiative aus", sagte Respekt.net-Vorstand Winkler: "Wir freuen uns auch auf Vorschläge bezüglich einer öffentlichen Finanzierung."

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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