Europäische Vielfalt bei Netzneutralität
Europäische Vielfalt bei Netzneutralität
© Michael Wesseng

EU-Parlament

Ringen um Netzneutralität in Europa geht weiter

Die Netzneutralität, also die Gleichbehandlung aller Daten und Dienste im Netz, steht neben den USA auch in Europa auf der Kippe. Sie sollte bereits am Montagabend praktisch als "Geschenk" an die Telekom-Lobby geopfert werden, die dafür das Ende der Roaming-Gebühren akzeptieren müsse, wie es seitens mehrerer EU-Parlamentarier hieß. "Partikularinteressen der Telekommunikationslobby dürfen nicht auf
dem Rücken der Konsumenten ausgetragen werden", forderte deswegen der österreichische SPÖ-EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer, der der Meinung ist: "Gegen die Einführung eines Zwei-Klassen-Internets müssen wir uns wehren."

Entscheidung vertagt

Im Industrieausschuss (ITRE) des EU-Parlaments hätte die Vorabentscheidung über den Entwurf einer Verordnung für einen "gemeinsamen Markt in der elektronischen Kommunikation" am Montag fallen sollen, doch diese wurde kurzerhand aufgrund fehlender Übersetzungen um zwei Wochen verschoben.

Im ITRE-Ausschuss wurde zuletzt in Kompromiss-Vorschlägen heftig um die Details des Verordnungstexts gerungen. Zuletzt sah es so aus, als würde sich eine Mehrheit für den Vorschlag von Berichterstatterin Pilar del Castillo Vera von der Europäischen Volkspartei (EPP) finden. Der Vorschlag von Castillo Vera würde Netzneutralität in Europa nicht bindend, sondern optional machen und zudem Internet Service Providern über Schlupflöcher ermöglichen, dass Zusatzpakete wie Spotify als "Specialised Service" verkauft werden dürfen.

Bestimmte Services, sei es YouTube, Netflix, Spotify oder Facebook würden dann beim Kunden schneller ankommen, andere Services würden langsamer ankommen. So könnte etwa Musik via Spotify schnell an die mobilen Hörer kommen, wenn entweder User oder die Unternehmen Extra-Geld dafür zahlen, Musik via Napster oder andere Streaming-Dienste nur langsam.

"Die Auswirkungen einer solchen Regelung wären katastrophal. Das würde nicht nur ein Zwei-Klassen-Internet schaffen, sondern durch die Manipulation von Datenpaketen auch die Privatsphäre aller User weiter eingrenzen", erklärte der Abgeordnete Weidenholzer.

Vage Formulierungen

Möglich würde das durch einige Formulierungen im Kompromiss von Castillo Vero, die sich als Schlupflöcher für die Telekom-Unternehmen herausstellen könnten. Der Entwurf liegt futurezone.at vor. Ein Beispiel für die vage Formulierungskunst im Entwurf ist etwa Folgendes: "Das Prinzip Netzneutralität im offenen Internet bedeutet, dass der Datenverkehr gleichbehandelt werden soll." Durch den Zusatz "im offenen Internet" wird ein Geltungsbereich definiert, und zwar der, des "offenen Internets". Das setzt aber auch voraus, dass es einen anderen Geltungsbereich, nämlich den des "geschlossenen Internets" geben muss.

Doch die Entscheidung über die Zukunft der Netzneutralität in Europa wurde nun erst einmal vertagt. Der Beschluss des ITRE-Ausschusses wird, wenn die Abstimmung in rund zwei Wochen nachgeholt wird, die Grundlage für die voraussichtlich im April 2014 stattfindende Schlussabstimmung im Plenum des EU-Parlaments sein.

USA bereits mit "Zwei Klassen"

Die USA zeigt bereits vor, was auf Europa nach einer entsprechenden Abstimmung im EU-Parlament zukommen könnte. Gegen die von der US-Regulierungsbehörde FCC aufgestellten Regeln zur Sicherung der Netzneutralität wurde vom Provider Verizon erfolgreich geklagt. Ein US-Bundesberufungsgericht in Washington kippte die FCC-Regeln, durch die in den USA ein offenes Internet gewährleistet werden soll: Anbieter dürfen keine legalen Webinhalte blockieren und Datenpakete dürfen nicht „unangemessen“ diskriminiert werden.

In den USA startete der Telekom-Anbieter AT&T mit „Sponsored Data“ ein Programm, bei dem der Datenverbrauch werbefinanziert wird. Bereits dieser Eingriff wird von Bürgerrechtsorganisationen als Bruch der Netzneutralität eingestuft. Ein fairer Wettbewerb sei nicht möglich, weil sich vor allem große Unternehmen, die die finanziellen Möglichkeiten haben, einkaufen könnten, warnte die Organisation Public Knowledge.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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