SPÖ zu Überwachungspaket: "Können nicht zustimmen"
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Es sei „absolut nicht vorstellbar“, dass die SPÖ dem Entwurf in der vorliegenden Fassung zustimmt, sagte der Justizsprecher. Jarolim hat den Verdacht, dass es die ÖVP auch genau darauf angelegt hat. Denn das von der ÖVP in Begutachtung gegebene Paket gehe weit über das hinaus, was in koalitionsinternen Vorgesprächen diskutiert wurde - und verstoße in „erschreckender Weise“ gegen Rechtsschutz- und rechtsstaatliche Maßstäbe.
Jarolim kann „nicht das geringste Anzeichen erkennen, dass ein Interesse an Konsens gegeben ist“. Im Gegenteil: Offenbar habe es die ÖVP auf Konflikt angelegt, der Entwurf enthalte „lauter inakzeptable Vorschläge, denen niemand zustimmen kann“.
Sicherheitspaket als Taktik?
Als Grund für dieses „politisch unverschämte“ Vorgehen vermutet Jarolim Wahlkampftaktik des neuen ÖVP-Chefs Sebastian Kurz: Offenbar sei die ÖVP von der Zustimmung der FPÖ (die bereits abgewunken hat, Anm.) ausgegangen, um „einen Konflikt in der Regierung zu provozieren und sich selbst als Sicherheitsapostel inszenieren zu können“.
Überrascht ist Jarolim darüber, dass in Brandstetters Entwurf die WhatsApp- und Skype-Überwachung nicht nur für Verdächtige, sondern auch für all jene vorgesehen ist, „mit denen der Verdächtige in Kontakt treten könnte“. Das sei eine „enorme und nicht akzeptable“ Ausweitung der Zielpersonen. Außerdem breche der Justizminister sein Versprechen, dass kein Bundestrojaner kommt.
Der Entwurf erlaubt den Einsatz von Schadsoftware. Vereinbart gewesen sei, andere Wege für die - auch aus Jarolims Sicht sinnvolle - Überwachung von Internettelefonie bei schwerer oder organisierter Kriminalität oder Terrorverdacht zu suchen.
Lauschangriff im Fahrzeug
Ebenfalls erstaunt ist Jarolim, dass die ÖVP das Abhören von Gesprächen in Fahrzeugen schon ab einer Strafdrohung von einem Jahr erlauben will. Der Lauschangriff - und um einen solchen handle es sich hier - sei erst beim Verdacht einer Straftat mit zehn Jahren Haft-Drohung zulässig.
Angesichts der großen Rechtsschutz-Lücken - vor allem im Innenministeriums-Entwurf - fordert Jarolim eine neue, effiziente Rechtsschutz-Instanz. Anstelle der „antiquierten Form“ des Rechtsschutzbeauftragten sollte ein Spezialsenat im Bundesverwaltungsgericht eingerichtet werden. Dieser sollte von jeder Überwachungsmaßnahme im vorab informiert werden müssen und speziell die Interessen unbeteiligter Überwachter - gegen die nicht ermittelt wird - wahren.
Insgesamt wundert den SPÖ-Justizsprecher, dass Brandstetter „seinen guten Ruf aufs Spiel setzt“ und ein Paket mitträgt, das rechtsstaatliche und Rechtsschutz-Maßstäbe nicht erfüllt. Offenbar, vermutet Jarolim, „führt ihm Sebastian Kurz die Hand“ - der wiederum gar nicht zuständig sei. Aber Kurz falle schon lange damit auf, dass er sich „als zweiter Innenminister, das schöne Gesicht Sobotkas“ gebe.
Neben FPÖ, Grüne hat sich nun also auch die SPÖ gegen das Sicherheitspaket gestellt. Auch aus der Bevölkerung gibt es massive Proteste dagegen. Bürgerrechtsorganisationen machen gegen das Paket mobil, rund 7000 Bürger haben bereits Stellungnahmen zum Überwachungspaket im Parlament eingebracht.
ÖVP will ein Machtwort von Kern
UPDATE (27.7. 12.30 Uhr): Die ÖVP will die Kritik des Justizsprechers der SPÖ nicht auf sich sitzen lassen. Die ÖVP-Minister Wolfgang Brandstetter und Wolfgang Sobotka weisen die „Attacken“ von Hannes Jarolim in Sachen Sicherheitspaket zurück - und geben ihm den Vorwurf des „Wahlkampfmodus“ zurück. Sobotka vermisst eine klare Linie in der SPÖ und stellte deren Paktfähigkeit infrage. Brandstetter geht davon aus, dass Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) „hier für Ordnung sorgen wird“.
Denn er könne sich, so der Justizminister in einer Stellungnahme, nicht vorstellen, dass Jarolims Vorstoß mit den maßgeblichen Kräften der SPÖ akkordiert ist. Schließlich habe sich die Koalition „bewusst für eine gemeinsame Begutachtung durch beide Regierungsparteien“ entschlossen. Er sei „verwundert und enttäuscht“ über Jarolims Attacken. In der Sache ließen sich alle Argumente des SPÖ-Justizsprechers Punkt für Punkt widerlegen.
"Gemeinsam verhandelt"
Innerhalb der SPÖ fehle „eine klare Linie, die für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Regierungsarbeit aber nötig wäre“, meinte Innenminister Sobotka ebenfalls in einer schriftlichen Stellungnahme. Das Sicherheitspaket sei über Monate hinweg verhandelt worden, am Ende sei man „gemeinsam mit der SPÖ“ in Begutachtung gegangen. Wenn nur wenige Wochen später die Ablehnung des Koalitionspartners folge, dann lasse „ein derartiges Vorgehen jeden Funken an Paktfähigkeit vermissen. Vereinbarungen zuzustimmen, um sie später aus Wahlkampfgründen wieder abzulehnen, halte ich für bedenklich.“
Experten des Justizministeriums, des Innenressorts und auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) hätten auf notwendigen Veränderungsbedarf im Sicherheitsbereich hingewiesen. Er, Sobotka, sei es „leid, dass man hier ständig versucht, ein völlig falsches Bild zu zeichnen“. Um „Kriminelle im Fall eines begründeten Verdachts rasch aus dem Verkehr ziehen zu können“, seien entsprechende Gesetze nötig. „Nur Verbrecher haben etwas zu befürchten, niemand sonst“, beteuerte der ÖVP-Innenminister.
Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) meldete sich zu Wort. Er wirft der SPÖ in Sachen Sicherheitspaket eine Flip-Flop-Mentalität vor. „Sowohl Bundeskanzler Kern, als auch Verteidigungsminister Doskozil (beide SPÖ) hatten sich im Vorfeld klar zur Begutachtung des Pakets bekannt“, meinte Platter.
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