Zickzack-Kurs bei Vorratsdatenspeicherung
Zickzack-Kurs bei Vorratsdatenspeicherung
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Vorratsdatenspeicherung

"Staat behandelt Bürger wie Terroristen"

„Wir werden unsere Grundrechte auch in der digitalen Welt verteidigen“, heißt es auf der Website gegenvds.at. Binnen zwei Wochen haben Peter Krammer, Andreas Demmelbauer, Alexander Bouz und David Müller eine parteiunabhängige Initiative ins Leben gerufen, die ihren Protest gegenüber der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich ausdrücken soll. Am Gründonnerstag werden in Linz (ab 17 Uhr) und in Graz (ab 16 Uhr) zwei Demonstrationen stattfinden.

„Wir wollen nicht dabei zusehen, wenn am 28. oder 29. April im Nationalrat still und heimlich der Gesetzesentwurf beschlossen wird“, erklärt Krammer der futurezone. So organisiert der 25-jährige Student des Masterlehrgangs Advanced Security Engineering an der FH Joanneum gemeinsam mit seinen Stammtisch-Kollegen kurzerhand eine Demo. Aktive Unterstützung bekommen die Studenten dabei bei der ÖH Graz, den Grünen, Realraum und Spektral. Auch die ÖVP Graz werde einen Vertreter zur Kundgebung vorbeischicken, heißt es. Denn so hat die ÖVP im Grazer Gemeinderat mit Unterstützung von SPÖ, Grünen, KPÖ und FPÖ am 17. März gar eine Petition (PDF) gegen die geplante nationale Umsetzung der EU-Richtlinie eingebracht.

„Es betrifft jeden“
In Linz ging die Initiative vom 21-jährigen Zivildiener Demmelbauer aus, wo er von Servus.at, dazu gehören auch das Freie Radio FRO, die Stadtwerkstatt und Funkfeuer, sowie der Piratenpartei, den Grünen, der GAJ OÖ und der KPÖ unterstützt wird. „Derzeit interessiert das Thema fast ausschließlich technisch versierte Menschen. Das finde ich schade, weil es eigentlich jeden betrifft“, meint Demmelbauer. Mit der Demo wolle man daher einerseits die Bevölkerung darauf aufmerksam machen und sensibilisieren, andererseits die Nationalratsabgeordneten dazu motivieren, gegen das Gesetz zu stimmen, so Demmelbauer.

Was ihn persönlich besonders an der Umsetzung der EU-Richtlinie stört? „Was man mit den Daten eines einzelnen anfangen kann, ist schon erschreckend genug. Aber wenn man die Daten aller Bürger miteinander vernetzt, kann man genaue Rückschlüsse über Gruppenbildungen und Strukturen ziehen. Das ist eine Macht, die ich niemanden - weder Staat noch Wirtschaft - in die Hände legen möchte“, so Demmelbauer.

„Bevölkerung unter Generalverdacht“
Ursprünglich sieht die EU-Richtlinie den Gesetzesentwurf als Schutz vor Terrorismus vor. „Davon abgesehen, dass dieses Gesetz keinen wirksamen Schutz gegen Terrorismus bieten kann, sieht der österreichische Entwurf eine wesentlich vielseitigere Verwendung der Datensätze vor. Ich möchte außerdem nicht wie ein potentieller Terrorist behandelt werden“, fügt er hinzu. Auch der Grazer Student Krammer sieht dies ähnlich. „Die Bevölkerung wird unter Generalverdacht gestellt. Dabei zeigen Auswertungen, dass die Daten zu zivilrechtlichen Verfolgungen wie Urheberrechtsverletzungen herangezogen werden“, so Krammer.

Am meisten stört Krammer aber, dass durch die Aufzeichnungen ein genaues Bewegungsprofil eines einzelnen Bürgers erstellt werden kann. „Wenn ich die Funkzelle wechsle, meldet sich das Handy automatisch um. Damit ist eine genaue Verfolgung, wo ich mich gerade aufhalte, möglich“, meint Krammer, der auch gleich ein paar praktische Beispiele liefert: „Der Besuch bei den Anonymen Alkoholikern ist damit nicht mehr anonym. Oder wenn jemand häufig die Telefonseelsorge anruft, kann ein Polizist falsche Schlüsse daraus ziehen. Hier gibt es zahlreiche Missbrauchsmöglichkeiten.“

Österreich soll warten
Krammer spricht sich daher dafür aus, dass Österreich mit der Umsetzung der Richtlinie weiter warten soll: „So wie die Richtlinie umgesetzt werden soll, ist sie außerdem verfassungswidrig. Das sollte sich Österreich nicht gefallen lassen, sondern vor den Europäischen Gerichtshof gehen.“ Denn obwohl aus einem am Montag veröffentlichten Bericht (PDF) von gravierenden Mängeln die Rede ist, will man in Österreich weiter an der Umsetzung festhalten. Der EU-Bericht werde sich auf die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich nicht auswirken, erklärte ein Sprecher des Infrastrukturministeriums am Montag.

Krammer hofft dennoch, dass die Demonstrationen zu einer weiteren Diskussion über die Umsetzung in Österreich führen wird. „Wir wollen ein Umreißen der Politik bewegen und zeigen, dass es sehr wohl auch aus der Bevölkerung Widerstand gibt“, so der Student. In weiterer Folge sei zudem eine Online-Petition bzw. eine E-Mail-Aktion an die Abgeordneten geplant. „Denn noch ist es nicht zu spät“.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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