Telefondaten-Sammlung der NSA verfassungswidrig
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Es ist der erste massive richterliche Einspruch gegen die Daten-Sammelwut der US-Geheimdienste: Ein US-Bundesgericht hat das millionenfache Abspeichern von Telefondaten in den USA als im Kern verfassungswidrig bezeichnet. Die Datenüberwachung der NSA verstoße gegen den verfassungsmäßig verankerten Schutz vor unbegründeten Durchsuchungen, urteilte das Gericht in Washington.
Dennoch dürfte die weltweit kritisierte Überwachung des NSA vorerst weitergehen. Denn es handelt sich zunächst lediglich um eine vorläufige Entscheidung. Das Gericht erklärte zwar, eine Klage gegen die Praxis habe „eine erhebliche Wahrscheinlichkeit auf Erfolg“. Doch zugleich fügte Richter Richard Leon hinzu, das Gericht erwarte einen Einspruch der Regierung. Es stünden in diesem Fall „erhebliche nationale Sicherheitsinteressen auf dem Spiel“.
Willkürliche Praxis
Mit ungewöhnlicher Schärfe kritisierte das Gericht in seiner fast 70 Seiten langen Erklärung die millionenfache Überwachung von US-Telefondaten. Es bezeichnete die Praxis als willkürlich. Wörtlich meinte der Richter: „Ich kann mir keine rücksichtslosere und willkürlichere Invasion als diese Speicherung persönlicher Daten von praktisch jedem einzelnen Bürger (...) ohne vorherige richterliche Erlaubnis vorstellen.“
Das Weiße Haus wollte zu dem Richterspruch zunächst nicht Stellung nehmen. Regierungssprecher Jay Carney meinte vor der Presse, man müsse den Text zunächst prüfen.
Genugtuung für Snowden
Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden, der die Überwachung im Sommer enthüllt hatte, begrüßte den Richterspruch. „Ich habe im Glauben gehandelt, dass die NSA-Massenüberwachung einer Verfassungsprüfung nicht standhalten würde“, zitiert ihn die „New York Times“. Der Entscheidung des Washingtoner Richter sei erst der Anfang, meinte Snowden, der derzeit in Russland politisches Asyl gefunden hat.
Zugleich wies das Weiße Haus am Montag Spekulationen zurück, nach denen die Regierung mit Snowden einen „Deal“ aushandeln könnte, falls dieser bereit sei, auf weitere Enthüllungen zu verzichten. Snowden habe mit der Weitergabe von Geheimdienstinformationen ein Verbrechen begangen, er solle sobald wie möglich in die USA gebracht werden, sagte Regierungssprecher Carney.
Obama deutet Korrekturen an
Die US-Regierung betont stets, das Datensammeln sei zulässig. Zudem bekräftigen Geheimdienste und Regierung immer wieder, das Vorgehen führe zur Ergreifung von Terroristen. Allerdings hat Präsident Barack Obama eine Untersuchung der Praxis angeordnet und mögliche Korrekturen angedeutet.
Dabei geht es aber vor allem um die Überwachung und das Datensammeln in den USA. Dies müsse im Einklang mit den Gesetzen stehen. Dagegen hatten die Geheimdienste und Obama deutlich gemacht, im Ausland bestünden solche Einschränkungen nicht.
Nach dem Willen einer von der Regierung eingesetzten Expertenkommission solle die NSA künftig schärferen Beschränkungen und Kontrollen unterzogen werden. Das Gremium legte Obama jüngst entsprechende Vorschlägen vor. Zu den Kernpunkten gehört nach Medienberichten, dass das Programm zum Sammeln der Telefondaten der US-Bürger weitergehen, aber die NSA die Informationen nicht mehr selbst speichern darf. Das sollen künftig die Telefongesellschaften oder eine andere dritte Partei übernehmen. Obama will im Januar seine Entscheidung über schärfe Kontrollen bekanntgeben.
Keine Amnestie für Snowden
Bei der Strafverfolgung des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden bleibt das Weiße Haus hart: Nachdem ein ranghoher Vertreter des Geheimdienstes NSA eine Amnestieregelung ins Gespräch gebracht hatte, forderte die Regierung von Präsident Barack Obama am Montag erneut eine Auslieferung Snowdens. „Unsere Position hat sich überhaupt nicht verändert“, sagte Obamas Sprecher Jay Carney.
Der Leiter der für den Fall zuständigen NSA-Ermittlergruppe, Rick Ledgett, hatte sich im Fernsehsender CBS offen für eine Straffreiheit von Snowden gezeigt, wenn dieser die Veröffentlichung weiterer Geheimdienstdokumente stoppe. „Meine persönliche Meinung ist, ja, es ist ein Gespräch wert“, sagte Ledgett in der am Sonntag ausgestrahlten Sendung "60 Minutes", in der Snowden als eine Art trickreicher Bösewicht dargestellt wurde.
NSA-Chef Keith Alexander lehnte Gnade für Snowden dagegen ab. In der CBS-Sendung sagte er, eine Amnestie für den Ex-Geheimdienstmitarbeiter wäre dasselbe wie bei einem Geiselnehmer, der „50 Menschen in seine Gewalt bringt, zehn niederschießt und dann sagt: 'Ihr gebt mir volle Straffreiheit und ich lasse die anderen 40 gehen'“.
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