© Felix Kästle, apa

Diskussion

"Transparenz? In der Realität spielt es das nicht"

"Transparenz? In der Realität spielt es das nicht", sagte der Wiener Jurist und Gründer der Initiative europe-v-facebook, Max Schrems, beim Internet Governance Forum (IGF) Austria, das am Donnerstag an der TU Wien stattfand und sich der Frage "Was geschieht mit unseren Daten?" widmete. Warum erläuterte Schrems an einem Beispiel. Vor kurzem kaufte er sich in einem Online-Shop ein Paar Schuhe. Weil er wissen wollte, wie die Kreditbewertung bei der Transaktion zustande kam, musste er rund 20 Auskunftsersuchen stellen, vier Datenschutzverfahren sind deshalb mittlerweile anhängig. Zwar habe jeder Bürger das Recht auf Auskunft darüber, was mit seinen Daten passiere, in Wahrheit brauche man aber einen Anwalt, um es durchzusetzen, kritisierte Schrems.

Auch die Zustimmung der Nutzer zur Weiterverarbeitung ihrer Daten durch Website-Betreiber und Werbetreibende sei Makulatur. "Die Sachen sind zu komplex", sagte der Jurist. Niemand würde 20-seitige Datenschutzrichtlinien oder ellenlange Listen durchlesen.

"Plakatwerbung funktioniert auch ohne Daten"

Fraglich sei auch, warum Website-Betreiber überhaupt so viele Daten bräuchten. "Mit dem Argument der personalisierten Werbung wird uns vorgegaukelt, dass dazu so viele Daten wie möglich gesammelt werden müssen", meinte Schrems: "Plakatwerbung auf den Straßen funktioniert aber offenbar auch ohne diese Daten."

Der Großteil der Nutzer würde Werbung als störend empfinden, sagte Raphael Schneeberger vom App-Entwickler PocketScience unter Verweis auf einschlägige Umfragen zu Werbeeinschaltungen am Handy. Mehr als 70 Prozent wären auch bereit, für die werbefreie und datenschutzfreundliche Nutzung von Diensten und Websites Geld zu bezahlen. "Die Branche ist sich der Situation bewusst und versucht nutzenstiftende Werbung zu schalten", so Schneeberger.

Für Facebook zahlen?

Facebook verdiene vier Euro pro Nutzer und Jahr, viele Nutzer würden einen solchen Betrag bezahlen", meinte auch Schrems. Das Geschäftsmodell mit Internetdaten sei ohnehin vorbei, sagte die WU-Professorin Sarah Spiekermann. Die Nutzung von Werbeblockern steige: "Die Branche muss über neue Geschäftsmodelle nachdenken."

Auch der Datenschützer Andreas Krisch zitierte eine Umfrage. Laut der jüngsten Eurobarometer-Erhebung sind 60 Prozent der europäischen Internet-Nutzer besorgt, weil sie zu wenig Kontrolle über ihre Daten haben. Ein ähnlicher hoher Prozentsatz vertraue Internet- und Diensteanbietern nicht, sagte Krisch: "Politiker, die solche Umfragewerte haben, sind rücktrittsreif."

Geschäftsmodell Datenschutz

Vertrauen sei aber die Grundvoraussetzung für die digitale Wirtschaft, so der Datenschutzexperte: "Das muss zurückgewonnen werden." Er schlug vor, Datenschutz zum Geschäftsmodell zu machen. Der Motor dafür könne die EU-Datenschutzreform sein, die gerade zwischen EU-Parlament, Mitgliedsstaaten und EU-Kommission verhandelt wird und die für einheitliche Datenschutzregeln in der EU sorgen soll.

Datenschutz könne die Grundlage für Innovationen und ein Alleinstellungsmerkmal für europäische Unternehmen sein, sagte Krisch. Wie dies funktionieren könnte, zeige etwa das Beispiel des Schweizer Instant-Messaging-Anbieters Threema, der dem US-Konkurrenten WhatsApp bereits 450.000 Nutzer abspenstig machen konnte.

"Zwei-Klassen-Gesellschaft"

Ganz andere Sorgen plagen die österreichischen Telekombetreiber und Internet-Anbieter. Sie haben zwar viele Ideen, was sie mit den Daten ihrer Kunden machen könnten. Viele Dinge dürfen sie aber nicht umsetzen, da dem Regulierung und Datenschutzgesetze entgegenstehen. US-Firmen wie Facebook oder Google könnten Nutzerdaten nach Gutdünken verwerten, während österreichischen Netzbetreibern gesetzliche Hürden in den Weg gestellt würden, kritisierte Klaus Steinmaurer, Justitiar bei T-Mobile Austria auf dem Sprung in die Selbsständigkeit. Er sprach deshalb von einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft". Dadurch werde verhindert, dass Mobilfunker Geschäftsmodelle entwickeln und für Innovationen sorgen könnten, sagte Steinmaurer. Das sorge dafür, dass rund um Google und Co Monopol- und Oligopolstrukturen enstehen würden.

Die T-Mobile-Austria-Mutter Deutsche Telekom habe in Deutschland in Abstimmung mit Datenschützern ein Anonymisierungsverfahren entwickelt, um Nutzerdaten verkaufen zu können, erzählte Sigrun Platter von T-Mobile Austria. Mobilfunkdaten kämen bei mehreren deutschen Verkehrsbetrieben mittlerweile zur Optimierung der Verkehrsabläufe zum Einsatz. In Kroatien würden anhand von Kundendaten Touristenströme verfolgt, so Platter: "Wir evaulieren auch in Österreich, welche Services erlaubt und zulässig sind."

"Die Regeln für österreichische Telekoms stammen noch aus der 'Postzeit'- Stichwort: Briefgeheimnis", sagte Maximilian Schubert, Generalsekretär des österreichischen Providerverbandes ISPA. Europäische Internet-Anbieter würden durch ein restriktives Reglement gebremst: "Man sollte sich überlegen, ob es nicht gleiche Grundlagen für alle braucht."

Staatliche Überwachung

Thema beim IGF-Forum war auch der staatliche Zugriff auf Daten. Konkret ging es um das umstrittene Staatschutzgesetz, gegen das bereits mehr als 10.000 Personen eine Online-Petition unterzeichnet haben. Sie befürchten eine Zunahme der Überwachungsbefugnisse der Behörden und das Fehlen richterlicher Kontrolle. Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, wies dies naturgemäß zurück, und sprach von Verbesserungen gegenüber früheren gesetzlichen Regelungen. Bedenken von Kritikern konnte er damit aber nicht zerstreuen.

Die größten Bedrohungen für die Privatsphäre kämen nicht vom Staat, sondern von Unternehmen, die mit den Nutzerdaten Geld verdienen würden, meldete sich Christian Singer vom Verkehrs- und Technologieministerium aus dem Publikum zu Wort. Das blieb nicht ohne Ergänzung. "Wir haben zunehmend einen privat-staatlichen Überwachungskomplex", sagte Datenschutzaktivist Schrems: "Facebook und Google sammeln Daten, der Staat saugt ab."

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

mehr lesen
Patrick Dax

Kommentare