Zero-Rating macht Handy-Tarife teurer
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Seit zwei Jahren gibt es in
Europa neue Regeln zur Netzneutralität. Darunter versteht man das Prinzip, dass jeglicher Datenverkehr im Internet gleich zu behandeln ist, ohne dass einzelne Verbindungen blockiert oder gedrosselt werden.
Konkret geregelt wird aber auch, wie man in Europa mit sogenannten „Zero-Rating“-Diensten umgeht. Darunter versteht man das Nichtanrechnen des Datenverbrauchs bestimmter Dienste auf das gebuchte Datenvolumen. Das bedeutet etwa, dass ein Mobilfunkanbieter einen Musik-Abo-Dienst wie Spotify bevorzugt und Kunden dafür kein Datenvolumen abgezogen wird.
186 Netzneutralitätsverletzungen
Eine Studie der NGO epicenter.works hat nun sämtliche Zero-Rating-Angebote in Europa genau unter die Lupe genommen und dafür 225 Websites von Mobilfunkern über vier Monate lang durchsucht. Insgesamt konnten dabei 186 Netzneutralitätsverletzungen festgestellt werden. „Nur in Finnland und Bulgarien gibt es keine kommerzielle Angebote, die Netzneutralität verletzen“, erklärte
Thomas Lohninger, Geschäftsführer von epicenter.works und Studienleiter, im Zuge der offiziellen Präsentation der Studie bei der Arbeiterkammer Wien (AK). Diese hat die Studie mitfinanziert.
Neben der Feststellung von Netzneutralitätsverletzungen in ganz Europa haben diese Praktiken auch konkrete Auswirkungen auf die einzelnen Märkte. „Mit unseren Daten lässt sich belegen, dass Zero-Rating zu neuen Markteintrittshürden zwischen EU-Ländern führt“, erklärt Lohninger. In den Top 20 Angeboten, die von den einzelnen Netzbetreibern in Europa bevorzugt behandelt werden, finden sich nur drei europäische Konzerne: Spotify, Deezer und Soundcloud.
Facebook, WhatsApp, Netflix
Die meisten Netzbetreiber bevorzugen Dienste von US-Monopolisten wie Facebook, WhatsApp, Instagram, Apple Music oder Netflix. „Durch Netzneutralitätsverletzungen profitieren hauptsächlich große US-amerikanische Konzerne“, so Lohninger.
In den Ländern, in denen derartige Zero-Rating-Angebote zugelassen werden, kommt es zu Preissteigerungen bei den Mobilfunktarifen. Diese werden teurer. „Es ist belegt, dass es zu einer allgemeinen, negativen Preisentwicklung kommt“, so Lohninger.
Doch wie sieht es eigentlich in Österreich aus? „Im EU-Vergleich steht Österreich in Sachen
Netzneutralität relativ gut dar. Im letzten Jahr hat sich in Österreich zugunsten der Netzneutralität sehr viel getan“, erklärt Lohninger. Die zuständige Regulierungsbehörde RTR habe ein Verfahren gegen A1 und „Free Stream“ innerhalb eines Monats abgewickelt, so Lohninger. Die Regulierungsbehörde in Deutschland habe für ein ähnliches Verfahren neun Monate benötigt.
Bandbreite-Überprüfungstool
Zudem hat die RTR als eine von vier Behörden ein Tool zur Messung der realen Bandbreite von Internet-Angeboten, damit Kunden überprüfen können, ob sie wirklich die Internetgeschwindigkeiten bekommen, die ihnen vertraglich zugesichert wurden. „Das Netztesttool der RTR gilt seit kurzem als Software-Werkzeug auch bei Gerichtsverfahren“, erklärt Daniela Zimmer von der AK Wien.
Die verpflichtende Angabe von tatsächlichen Upload- und Download-Geschwindigkeiten wird von den meisten Providern ignoriert. Dies führt gerade auch in
Österreich zu der unbefriedigenden Situation, dass unklar ist, welche Bandbreiten den Kunden wirklich vertraglich zugesichert werden.
Die Netzneutralität in Europa gilt trotz der EU-Regulierung jedoch keineswegs als gesichert. Die EU-Kommission wird die Regulierung bis April evaluieren, die zuständige Behörde BEREC muss im Herbst 2019 die Leitlinien reformieren und bis März 2020 beschließen. „Hier ist bereits ein klarer Trend ersichtlich: Die Provider versuchen, die Regulierung abzuschwächen, und rechtfertigen das mit den Kosten für den 5G-Ausbau“, erklärt Lohninger.
Die Studie soll daher eine Grundlage bieten und die Fakten der derzeitigen Situation in Europa abbilden, heißt es. Die Studie wurde als Open Data veröffentlicht und kann hier runtergeladen werden (PDF).
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