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© Martin Stepanek

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Bowers & Wilkins Wedge im Test: Schöner Klang um teures Geld

Wer im digitalen Zeitalter gerne Musik in guter Qualität hören, aber trotzdem nicht auf Annehmlichkeiten wie Streaming verzichten will, hat es nicht leicht. Neben Technics, das mit seinem All-in-one-Soundsystem SC-C70 (zum Test) Audiophile ansprechen will, legte der Audiohersteller Bowers & Wilkins im Frühling 2019 mit einer ganzen Suite an drahtlosen Highend-Lautsprechern nach. Ich habe mir den Formation Wedge zum Testen vorgenommen.

Das 1966 in England gegründete B&W hat die Zeichen der Zeit schon früh erkannt und bereits 2006 mit dem Zeppelin einen hochwertigen iPod-Lautsprecher auf den Markt gebracht, der in abgeänderter Form schließlich auch Streamingfunktionen unterstützte. Der Wedge ist eine Neuinterpretation des Konzepts. Zum einen kann er als Stereo-Lautsprecher allein einen Raum beschallen oder mit anderen Produkten der Formation-Serie zusammen verwendet werden.

Außerirdisches Design

Wenn man den Wedge (engl. für „Keil“, „Spalte“) zum ersten Mal sieht, erscheint der Name des Produkts erst einmal passend. Denn das ambitionierte Design dürfte Freund und Feind spalten. Bei der Form setzt B&W auf ein gedritteltes Ellipsoid, also quasi ein Stück einer zusammengedrückten Kugel, was viel Platz für die integrierten Lautsprecherkomponenten bietet und den Klang 120 Grad in den Raum abstrahlen soll.

Das Aussehen ist minimalistisch, aber irgendwie auch verstörend. Durch die hauchdünne schwarze Bespannung zeichnet sich auf der Vorderseite eine Wabenstruktur ab. Das verleiht dem Lautsprecher zusätzliche dreidimensionale Tiefe ließ mich aber auch rätseln, ob darunter irgendwelche außerirdischen Tiere auf ihr Schlüpfen warten.

Die Rückseite aus Holz trägt zum wunderlichen Eindruck bei. Sie wirkt ein bisschen wie ein Fremdkörper – wie wenn das herausgeschnittene Lautsprecherstück anschließend versiegelt werden musste. Die Funktion des Schlitzes (Belüftung? Resonanz?), den man mit einem CD-Laufwerk verwechseln könnte (ok, ich!), bleibt so mysteriös wie das gesamte Design. Aber das ist per se kein schlechtes Zeichen.

Verarbeitung

Dass B&W es beim Wedge mit der Qualität ernst meint, wird beim Auspacken schnell klar. Die 6,5 Kilogramm sprechen für sich. Die verarbeiteten Materialien sind hochwertig. Haptisch irritierend ist, dass die Holzkanten gerade im Vergleich zur weichen filigranen Bespannung sehr scharf ausgefallen sind. Das minimalistische Touch-Display hingegen ist anfällig für Fingerabdrücke, fügt sich sonst aber gut ein.

Im Inneren sind zwei entkoppelte Hochtöner mit 25 Millimetern Durchmesser (je 40 Watt), zwei 90-Millimeter-FST-Mitteltöner (je 40 Watt) und ein 150-Millimeter-Subwoofer (80 Watt) verbaut. Auf der Unterseite gibt es neben dem Stromanschluss einen LAN-Eingang.

Beim Auspacken und Aufstellen ist übrigens Vorsicht angesagt. Die besondere Form sorgt dafür, dass der Schwerpunkt des Geräts nicht in der Mitte ist bzw. dieses leicht nach vorne kippt, wenn man nicht aufpasst oder etwa am Kabel auf der Rückseite hantiert. Die Bespannung der Wabenstruktur wiederum wirkt so, dass man hier besser nicht unkontrolliert zupackt.

Guter Klang ohne letzten Punch

Beim Sound hält der Wedge im Großen und Ganzen, was er verspricht. Das Klangbild ist ausgewogen mit einem leichten Hang zu den Mittel- und Hochtönern, was aber für B&W typisch ist.  Im Vergleich zur eingangs erwähnten Technics-Anlage ist der Bass nie überbordend. Und auch bei komplexen Klangkulissen bzw. bei hoher Lautstärke bleibt der Charakter klar und durchsichtig.

Stellenweise wirkt der Sound vielleicht fast ein wenig zu kontrolliert. Da würde man sich manchmal ein bisschen mehr Punch und Verspieltheit wünschen – vor allem in den mittleren und tiefen Frequenzen. Wer das aufgeräumte, saubere Klangideal von B&W mag, wird mit dem Wedge aber definitiv Freude haben. Einen 20 Quadratmeter großen Raum bespielt der Lautsprecher jedenfalls mühelos.

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Seine Stärke definitiv ausspielen kann der Wedge mit dem 120-Grad-Konzept und der besonderen Anordnung der internen Lautsprecherkomponenten. Denn die Klangqualität bleibt erstaunlich konstant, selbst wenn man sich von der Mitte des Geräts zu den Rändern des Schallfeldes wegbewegt. So kann der Wedge etwa auch in länglichen Räumen punkten, wo ein Platzieren an der Stirn- oder Kopfseite nicht möglich ist.

Einrichtung und App

Bei Set-up und Bedienung zieht B&W das Streaming-Konzept gnadenlos durch. Die Touch-Buttons am Display sind für lauter, leiser, abspielen und Pause reserviert. Sämtliche Einstellungen von WLAN bis zur Musikauswahl erfolgen über die iOS- oder Android-App. Hat man die richtige App („Bowers & Wilkins Home“) gefunden – absurderweise verfügt B&W auch über eine alte „Control“-App, mit der sich aber nur alte Lautsprecher nutzen lassen – geht es zack, zack, zack.

In wenigen Sekunden ist das Gerät betriebsbereit und kann über Smartphone oder Tablet (etwa über Airplay 2), aber auch direkt über Spotify Connect im gleichen WLAN-Netzwerk angesteuert werden. Die App selbst lässt mich hingegen einmal mehr zweifeln, ob Hardwarehersteller es irgendwann einmal lernen werden, wie man zeitgemäße Software im App-Zeitalter entwickelt. B&W hat es geschafft, selbst die wenigen Funktionen in der Menüführung so zu gestalten, dass sie altbacken und schwer auffindbar sind.

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Wer sich viele Einstellungsmöglichkeiten hinsichtlich des Klangbildes wünscht, hat Pech gehabt. Man kann Treble und Bass mit einem Regler von -6 bis +6 verstellen und so den Klang minimal verändern. Das war’s dann eigentlich schon. Spielt man Musik über Spotify ab, wird dies in der B&W-App selbst auch angezeigt. Dabei kann man wie auf dem Touch-Display aber nur die Lautstärke ändern, das vorherige oder nächste Lied auswählen und auf Pause drücken. In der Praxis wird man das aber über Spotify bzw. die Bedienelemente des Smartphones selbst erledigen.

Fazit: Die 1000-Euro-Frage

Dass ein Lautsprecher dieser Größe und Bauart ein „Klangwunder“ erzeugt, wie es die PR-Abteilung des englischen Herstellers selbstbewusst kommuniziert, darf man physikalisch bedingt natürlich nicht erwarten. Eine Bruckner-Sinfonie über Spotify auf einen Kompaktlautsprecher wie den Wedge gestreamt kann nun einmal nicht wie über eine hochwertige Stereoanlage mit massiven Boxen klingen.

Was B&W aus dem Wedge klanglich herausholt – und zwar ohne Raumvermessungs-Softwareschnickschnack wie Technics beim SC-C70 – ist lobenswert. Der Zugang von Technics, neben der Streaming-Funktion auch CD-Player und Internet-Radio nativ zu integrieren, gefällt mir für die Preiskategorie eine Spur besser.

Wobei hier wie da die auch für mich ungelöste Frage bleibt: Wer kann und will tatsächlich 1000 Euro für einen Streaming-Lautsprecher ausgeben, der letzten Endes auch nicht zaubern kann? Es wäre wünschenswert, wenn guter Klang im digitalen Zeitalter nicht so teuer wäre.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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Martin Jan Stepanek

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