Bowers & Wilkins PX
© Gregor Gruber

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Bowers & Wilkins PX im Test: Guter Sound, miese Software

Aus Transparenzgründen oute ich mich zu Beginn dieses Tests. Klanglich, aber auch von Design und Verarbeitung her war ich stets ein großer Fan des englischen Lautsprecher- und Kopfhörer-Herstellers Bowers & Wilkins. Mit dem Modell PX existiert sei Herbst ein kabelloser Bluetooth-Kopfhörer im Portfolio, der erstmals mit Noise Cancelling für verschiedene Umgebungen auftrumpft. Darüber hinaus bietet Bowers & Wilkins auch eine App an, welche die Benutzung erleichtern und personalisieren soll.

Noise Cancelling

Nun war ich bisher nie ein großer Liebhaber von Geräuschunterdrückung. Die Vorteile - etwa im Flugzeug - liegen zwar auf der Hand. Im Alltag sind mir die Abstriche hinsichtlich ausgewogenem, natürlichem Klang im Vergleich zum Nutzen aber meist zu groß. Bowers & Wilkins, die sehr spät auf den Noise-Cancelling-Zug aufspringen, versprechen nun aber genau das: Umgebungsgeräusche auszublenden, ohne dass die Klangqualität darunter leidet. Drei Modi - Büro, Stadt, Flug - sollen dafür sorgen, dass man von Geräuschen abgeschirmt, aber die Umgebung, etwa den Straßenverkehr oder den Sitznachbar im Büro, noch wahrnehmen kann.

Die Geräuschunterdrückung kann am Kopfhörer selbst ein- und ausgeschaltet werden. Wer die verschiedenen Modi nutzen will, muss den Umweg über eine App machen, die stark verbesserungswürdig ist. Denn selbst wenn die App geöffnet und im Hintergrund läuft, dauert es bis zu 14 Sekunden, bis sie den Kopfhörer gefunden und sich mit ihm verbunden hat. Selbst wenn man nur zwei Sekunden am eine andere App benutzt, muss man jedes Mal wieder warten, bis man einen anderen Modus auswählen kann.

Klang

Wie die PX klingen, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Denn in den verschiedenen angebotenen Modi produziert der Kopfhörer sehr unterschiedliche Klangbilder. Die gute Nachricht vorweg: Wer den schnörkellosen, ausgewogenen Sound von Bowers und Wilkins mag, kommt auch bei den PX meistens auf seine Kosten. Tiefe, mittlere und hohe Frequenzen sind fein säuberlich getrennt. Die Musik hat genug Raum, bleibt aber dennoch knackig und greifbar.

Mit Noise Cancelling im Flug-Modus ist der Bass für meinen Geschmack eine Spur zu kräftig ausgeprägt. Der Gesamt-Sound klingt zwar eine Spur runder und voller, bei Bass-lastigen Liedern geht das aber zu Lasten der Ausgewogenheit. Das stört weniger, wenn man im Flugzeug oder unterwegs ist. In ruhigerem Umfeld wird der Sound dadurch aber schnell zu aufdringlich.

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Umgebungsfilter

Weniger Bass bietet der Stadt- und Büro-Modus. Bei letzterem rücken die Mittellage und Höhe und somit etwa auch die Singstimme am nächsten heran. Je nach Stück wünscht man sich da manchmal wiederum einen wärmeren und volleren Gesamtklang. Zusätzlich verkompliziert wird die Sache durch die frei regelbare "Pass-Through-Funktion", mit der sich Umgebungsgeräusche mehr oder weniger filtern lassen - was aber wiederum den Klang verändert.

Ganz schlüssig ist das Konzept nicht - zu ähnlich sind sich die einzelnen Modi, vor allem wenn man die voreingestellte Filter-Funktion manuell verändert. Wer als Fußgänger im Straßenverkehr sicherer unterwegs sein will, profitiert zumindest davon, dass im Stadt-Modus tatsächlich die Autogeräusche besser hörbar sind als etwa im Flug-Modus. Auch die U-Bahn-Durchsage ist in diesem Modus leichter verständlich.

Zu viel Kompromiss

Wer laut B&W einen "ausgesprochen reinen Klang" genießen will, soll auf die Geräuschunterdrückung verzichten. In der Tat präsentiert sich der Sound hier am ausgewogensten und in gewohnter B&W-Qualität. Seltsam ist hierbei, dass der Kopfhörer Außengeräusche ohne Noise Cancelling nicht nur nicht filtert, sondern scheinbar künstlich verstärkt. Das führt zu dem seltsamen Effekt, dass die U-Bahn-Durchsage ohne Geräuschunterdrückung fast schwieriger zu verstehen ist als mit.

Ob dies der Bauart geschuldet, ein Nebeneffekt der verbauten Sensoren oder einfach nur ein psychoakustischer Effekt ist, ist unklar. Subjektiv trübt es das Hörerlebnis aber. Als audiophiler Mensch bleibt man folglich ein wenig unbefriedigt zurück. Jeder Modus fühlt sich nach einem Kompromiss an. Auf der Suche nach dem perfekten Klang springt man zwischen den diversen Möglichkeiten hin und her und wird doch nie ganz glücklich.

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Verarbeitung und Komfort

Der Kopfhörer ist in zwei Farben, "Space Grey" und "Soft Gold" verfügbar. Die Verarbeitung ist B&W-gewohnt hochwertig. Die Ohrpolster aus Memory-Schaum und weichem Leder sind austauschbar. Leder findet sich auch auf der Innenseite des Bügels, der oben, wie die Außenseiten der Muscheln, mit einem hochwertigen Nylon-Gewebe bespannt sind.

Das verwendete Metall verleiht dem Kopfhörer einen edlen Look, wenngleich sich das Material mit eingraviertem Logo etwas unangenehm anfühlt, wenn man mit dem Finger darüberstreicht. Die Passform ist aufgrund der mittleren Größe der Kopfhörer eher eng und fest. Wer einen großen Kopf und große Ohren hat, könnte eventuell Probleme bekommen.

Bedienung

Eindeutig schlecht gelöst ist nicht nur die Bedienung über die App, sondern auch über die Knöpfe an der rechten Ohrmuschel. Ein kleiner Regler ist der Ein- und Ausschaltknopf. Unmittelbar danach folgt der Ein-Aus-Schalter für die Geräuschunterdrückung. Und dann folgt ebenfalls mit äußerst geringem Abstand eine Dreierkombination, über die die Lautstärke geregelt, die Musik pausiert sowie zum nächsten Titel gesprungen werden kann.

Was in der Theorie einleuchtend und auch beim Betrachten des Kopfhörers schlüssig wirkt, hilft einem, wenn der Kopfhörer einmal auf dem Kopf sitzt, leider gar nicht weiter. Denn die Erhebungen der Knöpfe sind minimal und sie sind so wenig voneinander getrennt, dass man den richtigen Knopf eigentlich nur per Zufall finden kann. Das minimalistische Design ist zwar schön zum Anschauen. Zum Erfühlen ist es schlichtweg unbrauchbar.

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Bewegungssensoren und Bluetooth

Zwiespältig fällt mein Urteil auch hinsichtlich der smarten Bewegungssensoren aus, die im Kopfhörer verbaut sind. Sie sorgen theoretisch dafür, dass der Kopfhörer sich beim Aufsetzen selbstständig aktiviert bzw. in den Stand-by-Modus geht, wenn man ihn ablegt. Legt man ihn um den Hals, wird die Musik bis zu zwei Minuten lang pausiert. Im Test funktionierte das mal besser, mal schlechter. Diversen User-Bewertungen im Netz zufolge sind Nutzer mit dieser Funktion offenbar am häufigsten unzufrieden.

Als technologisch anfällig erweist sich einmal mehr die Bluetooth-Verbindung, die in Kombination mit verschiedenen Geräten, Aus- und Einschalten sowie Verbinden immer wieder mal die auch von anderen Geräten bekannten Probleme bereitet. Die Übertragungsqualität ist allerdings gut und unterscheidet sich - bis auf die Lautstärke - kaum von der Übertragung mit dem mitgeliefertem Kabel.

Auch die Akkudauer ließ im Test nichts zu wünschen übrig. B&W gibt 22 Stunden bei kabelloser Verwendung und 33 Stunden mit angeschlossenem Klinkenstecker als oberste Werte an. Auch wenn diese Werte unseren Erfahrungen zufolge eine Spur zu hoch gegriffen sein dürften, kommt man mit den PX-Kopfhörern mit normaler Nutzung unterwegs locker durch eine Arbeitswoche. Ein Wermutstropfen ist, dass sie auch über Klinkenstecker und ohne Noise Cancelling nicht verwendet werden können, wenn sie nicht aufgeladen sind.

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Fazit: Viel Licht und viel Schatten

Mit einem Listenpreis von 399 Euro, der im freien Markt aktuell nur wenig geringer ist, zählen die Bowers & Wilkins PX eher zu den teureren Modellen mit Geräuschunterdrückung. Die Klangqualität ist gewohnt gut - wer noch nie einen B&W-Kopfhörer ausprobiert hat, sollte dies schleunigst nachholen. Für Audiopuristen, denen der Sound wichtiger als diverse Noise-Cancelling-Features oder eine kabellose Bedienung ist, sind die PX nur mit Abstrichen zu empfehlen.

Denn am Ende weiß man bei dem Kopfhörer am Schluss nicht genau, was er wirklich sein will. Ein Highend-Audioprodukt für zuhause, ein Begleiter im Großraumbüro und auf dem Arbeitsweg oder ein mobiler Kopfhörer für Flugreisen? So klingt er - wenn man die richtige Einstellung endlich gefunden hat - zwar richtig gut, aber nie perfekt. Inakzeptabel ist die langsame und wenig benutzerfreundliche App. In der Software-Abteilung muss Bowers & Wilkins definitiv nachrüsten.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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